27.01.2024, 11:35
"In so einem Spiel muss ich rausgetragen werden"
Im Halbfinale der Handball-EM gegen Dänemark kam Deutschlands Spielmacher Juri Knorr nicht an seinen Leistungszenit. Nach der Niederlage gegen Dänemark übte der 23-Jährige harsche Selbstkritik.
Als er sich fast schon komplett durch die Mixed Zone gekämpft hat, bleibt Juri Knorr noch ein letztes Mal stehen. Für ein paar Fragen reicht seine Geduld offensichtlich noch. Der deutsche Spielmacher macht einen niedergeschlagenen, abgekämpften, traurigen Eindruck. Seine folgenden Worte sollten dieses Bild mehr als unterstreichen.
Ihm bleibe nichts anderes übrig, als "jetzt nachzudenken". Juri Knorr spricht leise - und von einer verpassten Chance: "Wir hätten so etwas Besonderes schaffen können."
Auf die ersten 30 Minuten könne die deutsche Mannschaft wirklich stolz sein. Nach dem Wechsel habe das DHB-Team zwar "gefightet", aber "das ganz Besondere, was wir in der ersten Hälfte hatten, hatten wir in der zweiten nicht mehr".
Vier Tore bei acht Versuchen erzielte Juri Knorr, sein bestes EM-Spiel war es nicht. Den starken Eindruck, den der Mittelmann der Rhein-Neckar Löwen zu Beginn des Turniers hinterlassen hatte, konnte er nicht in die zweite Turnierphase tragen.
"Ich weiß nicht, ob wir in der Halbzeit zu viel nachgedacht haben", begann Juri Knorr anschließend und fügte an: "Ich kann ja nur für mich selbst sprechen. Ich werfe mir extrem vor, dass ich in der zweiten Halbzeit nicht gekämpft habe bis zum Umfallen, mich nicht in jeden Zweikampf geworfen habe, nicht mehr riskiert habe."
"Ich habe einfach nicht mehr das Spiel gemacht, das ich wollte, mit allem, was mein Spiel eigentlich auch ausmacht", so Juri Knorr. In der Schlussphase, als die Dänen endgültig den Deckel auf das Spiel machten, stand Knorr schon gar nicht mehr auf der Platte. 37 Minuten und 17 Sekunden Einsatzzeit waren es beim Spielgestalter - und dafür war er selbst verantwortlich.
"Natürlich werfe ich mir das auch extrem vor: Ich habe gesagt, ich brauche eine Pause und Philipp Weber hat es super gemacht. Deswegen war es wahrscheinlich rational die richtige Entscheidung, aber ich hätte mir einfach von mir selbst gewünscht, dass ich aus so einem Spiel nicht rausgehe, weil ich es selbst sage", so Juri Knorr.
"Er kam selber raus und hat um Pause gegeben. Man merkt ihm natürlich an, dass er viel spielt. Er muss irgendwann mal die Batterie laden", hatte Bundestrainer Alfred Gislason hingegen Verständnis.
Der Spielmacher des DHB-Teams übte insgesamt harsche Selbstkritik: "In so einem Spiel muss ich rausgetragen werden, weil ich vor Emotionen übersprudle und einfach nicht mehr kann. Das werfe ich mir vor, dass ich nicht an dieses Limit und darüber hinaus gegangen bin."
Bundestrainer Alfred Gislason zeigte sich verwundert über diese harsche Selbstkritik von Juri Knorr: "Klar hätte er es besser machen können. Aber ich habe ihm nicht viel vorzuwerfen", sagte Gislason am Samstag.
Der Bundestrainer zeigte sich zuversichtlich, Knorr rechtzeitig aus dem mentalen Tief herausholen zu können. "Wir haken das jetzt ab. Die Spieler sollen das Positive mitnehmen. Wir müssen uns jetzt auf Schweden fokussieren", sagte Gislason und fügte mit Blick auf Knorrs Selbstkritik hinzu: "Ich fand nicht, dass es so war."
"Es ist enttäuschend, wenn man am nächsten Morgen aufwacht und sich denkt, es war mehr drin. Ich hatte mehr von mir erwartet, dass ich mehr Verantwortung übernehme, mein Herz auf der Platte lasse und alles reinhaue", sagte Juri Knorr der dpa am Samstag.
Das 26:29 gegen Dänemark am Freitagabend hatte Knorr noch lange beschäftigt. "Meine Freundin war noch kurz da, das tat gut. Ansonsten habe ich nicht viel geredet, sondern mich mit meinem Handy betäubt. Ich habe mich mit anderen Dingen beschäftigt und so lange gelesen, bis mir die Augen zugefallen sind, damit ich nicht darüber nachdenken musste, was war", berichtete er und fügte hinzu: "Es war eine kurze Nacht."
"Es sind schon viele Mannschaften ins Halbfinale gekommen. Natürlich ist es ein großer Erfolg und alles schön und gut. Aber wir hatten die Möglichkeit, das zu schaffen. Wir haben es eine Halbzeit gut gemacht, aber keine zwei Halbzeiten. Das ist einfach extrem bitter", hatte der 23-Jährige am Vorabend bereits in der ARD erklärt und angefügt: . Er wolle "nicht so ein Sportler sein, der zufrieden ist, wenn er das Halbfinale erreicht."
Vielleicht könne er in zwei Tagen "wieder motiviert sein", doch aktuell schmerze ihn die "verpasste Chance" zu sehr, erklärte er am Freitag. Die der deutschen Mannschaft, aber auch die persönliche. Am Samstag ging der Blick aber auch schon wieder nach vorne: "Es gilt, noch einmal ans Limit zu gehen. Wir brauchen ein absolutes Topspiel."
Denn das Spiel um den dritten Platz geht nicht nur um Bronze: Da mit Gastgeber Frankreich und Weltmeister Dänemark beide Finalisten bereits für Olympia qualifiziert sind, geht es gegen Schweden für Deutschland um das direkte Ticket nach Paris.
Maximilian Schmidt, red, dpa, sid