08.06.2024, 19:33
Kieler scheitern an 37%-Wurfquote
Das zweite Halbfinale im Final4 der Champions League bedeutete zwischen dem FC Barcelona und dem THW Kiel eine Neuauflage des Finals von 2020, in dem die Zebras nach einem 33:28-Sieg das letzte Mal die Königsklasse gewinnen konnten. Im diesjährigen "El Classico" setzten sich die Katalanen dank des deutlich gewonnen Torhüterduells schlussendlich deutlich mit 30:18 (15:9) durch und treffen im Finale am morgigen Sonntag (09. Juni, 18 Uhr) auf Aalborg Håndbold.
Zum sechsten Mal in Folge reiste Dauergast FC Barcelona zum Finalturnier der Handball Champions League nach Köln. Zuletzt gewinnen konnten die Katalanen den Titel 2021 und 2022 - die einzige Titelverteidigung seit der Premiere des Final4s im Jahr 2010. Im Halbfinale wartete unterdessen mit dem THW Kiel ein Dauerkonkurrent, der allerdings nach dem vierten Platz in der Bundesliga nächste Saison nicht in der Königsklasse vertreten sein wird.
Und die durchwachsene Saison des THW Kiel schien sich im Halbfinale fortzusetzen: 3:54 Minuten dauerte es, bis die Kieler Fans den ersten Treffer des THW, der in der Champions League seine Gruppe gewonnen hatte, bejubeln konnten. Der FC Barcelona hatte dahin schon drei Tore gesetzt, zwei davon aus dem Gegenstoß.
Die Anfangsminuten der Zebras erinnerten sehr an eine Neuauflage der Blamage gegen den VfL Gummersbach. Doch das änderte sich schnell: Zwar konnte Dika Mem beim 4:1 noch einmal drei Treffer für die Katalanen vorlegen, dann holte der THW jedoch Tor um Tor auf.
Als Harald Reinkind in der 7. Minute der Ausgleichstreffer zum 4:4 gelang, schien der THW im Spiel und die Zebra-Fans in der Arena hofften auf eine Form wie im Viertelfinal-Rückspiel gegen Montpellier. Die Kieler zeigten nun ein ganz anderes Gesicht als noch zu Spielbeginn und zwangen den FC Barcelona immer wieder zu einfachen Fehlern. Wenig später konnte Eric Johansson sein Team sogar erstmals in Führung bringen.
Doch nach dem 6:5 durch Harald Reinkind in der elften Minute gelang den Kielern minutenlang kein eigener Treffer. Einfache Fehler und mehrere Paraden von Emil Nielsen sorgten für einen Vier-Tore-Lauf der Katalanen - aus dem 6:5 war ein 6:9 geworden.
Auch die Überzahl nach einer Zeitstrafe gegen Aitor Arino konnten die Zebras nicht zu einem Torerfolg nutzen. In der 19. Minuten rief Filip Jicha seine Mannschaft zu einer Auszeit zusammen. Die Kieler brauchten dringend neue Impulse im Angriff, acht Minuten war bis dato kein eigenes Tor gefallen. Dabei gab es Chancen, aber Emil Nielsen war immer wieder zur Stelle - und bei einigen Fehlwürfen auch im Kopf der THW-Akteure.
Auch im Tor hatte der THW nun einen Wechsel vollzogen. Nachdem Samir Bellahcene mit nur einer Parade nicht zum erwünschten Faktor wurde, stand nun Thomas Mrkva zwischen den Pfosten und konnte direkt einen schlecht geworfenen Siebenmeter von Aleix Gómez entschärfen. Die Hoffnung auf eine Wende sollte aber nur kurz aufkeimen, Barcelona behielt das Heft in der Hand - auch als der achtzehnjährige Petar Cikusa im Rückraum die Fäden zog.
Im Angriff versuchten es die Zebras nun mit dem zusätzlichen Feldspieler, einen Ballverlust später bestrafte Aitor Arino das Risiko allerdings mit einem Wurf ins leere THW Tor - ein 10:6 für die Katalanen stand auf der Anzeigetafel, die über zehn Minuten auf der Kieler Seite keine Veränderung verbuchte.
Dann folgte die Erlösung für die Norddeutschen durch Niclas Ekberg: Zum ersten Mal seit 11 Minuten landete ein Kieler Wurf im Tor des FC Barcelona. Dass der deutsche Rekordmeister im Vergleich mit seinem spanischen Pendant nicht deutlicher zurück lag, lag auch an Fehlern des Gegners, der die Torflaute des THW nicht mit der gewohnten Konsequenz bestrafte.
Barcelona konnte sich unterdessen weiter auf Emil Nielsen verlassen, der auch einen Siebenmeter von Niclas Ekberg entschärfte. Dennoch beim 12:8 bot sich Kiel die Chance auf eine Aufholjagd, als Thiagus Petrus nach Befragung des Videobeweis für einen Gesichtstreffer bei Mykola Bilyk zwei Minuten kassierte. Doch die Überzahl blieb ungenutzt - stattdessen setzte Blaz Janc einen Doppelschlag zum 14:8. Harald Reinkind traf dann zwar auf der Gegenseite, doch die Antwort erfolgte umgehend: Vom Anwurfpunkt traf Luis Frade ins aufgrund des siebten Feldspielers verwaiste THW-Tor zum 15:9-Halbzeitstand.
Nach dem Seitenwechsel konnte Barcelona den Vorsprung zunächst auf acht Tore (18:10, 33.) erhöhen. Dann setzte der THW allerdings zu einer furiosen Aufholjagd an: Ein 4:0-Lauf der Norddeutschen sorgte für Hoffnung, besonders bei den Kontertoren von Niklas Ekberg und Karl Wallinius wurde es lauter im Kieler Fanblock, während der DJ "Don't stop believing" anspielte.
Um den Flow des THW zu unterbrechen, griff Carlos Ortega beim 18:14 zu seiner ersten Auszeit. Mit Erfolg: Nachdem Emil Nielsen den dritten Siebenmeter entschärfen konnte, erhöhte Timothey N'guessan beim 21:14 wieder auf sieben Tore. Die Lanxess Arena verstummte, Barcelona hingegen setzte nun nach. Der sechste Treffer in Serie brachte das 24:14 und somit die erste Zehn-Tore-Führung.
Die Vorentscheidung schien bereits gefallen, Filip Jicha trommelte seine Mannschaft zusammen und gab lautstark neue Taktikanweisungen. Für die Kieler ging es nun auch um Schadensbegrenzung - allerdings hielt Barcelona den Vorsprung. Nach einer überragenden Vorstellung von Emil Nielsen, der mit 14 Paraden und einer 45%-Fangquote großen Anteil an der Führung hatte, wurde der dänische Torhüter unter dem Applaus der Arena in der 51. Minute Gonzalo Perez de Vargas eingewechselt.
Und der zukünftige Kieler setzte da an, wo sein Vorgänger aufgehört hatte: Mit drei Paraden in Folge leitete er in seinen ersten zwei Spielminuten drei Konter ein und war somit ausschlaggebend für die Dreizehn-Tore-Führung fünf Minuten vor dem Ende. Am Ende verbuchte er in seinen neun Minuten Einsatzzeit mehr Paraden als die beiden Kieler Torhüter im gesamten Spiel.
Bei einer 100%-Quote sollte es für Perez de Vargas allerdings nicht bleiben. Steffen Weinhold gelang noch ein Treffer zum 30:18-Endstand, mit fünf Paraden aus sechs Würfen steht ihm nach neun Minuten Spielzeit dennoch eine erstaunliche 83,33%-Quote.
Durch die deutliche Niederlage des THW kommt es nach der knappen Pleite des SC Magdeburgs morgen zu einem deutschen Aufeinandertreffen im Spiel um Platz drei (09. Juni, 15 Uhr). Im Finale trifft der FC Barcelona auf Aalborg, eine Neuauflage des Finals 2021, das die Katalanen deutlich mit 36:23 gewinnen konnten.
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FC Barcelona: E. Nielsen (15/3 Paraden), Perez de Vargas (5 Paraden); Richardson 5/1, Cikusa Jelicic 4, Janc 4, Arino 4, Mem 3, Carlsbogard 2, Frade 2, Gomez Abello 2/1, N`Guessan 2, Langaro 1, Makuc 1, Wanne, Petrus, Rodriguez Moreno
THW Kiel: Bellahcene (1 Parade), Mrkva (3 Paraden); Duvnjak 4, Ekberg 3, Reinkind 3, Bilyk 2, Dahmke 1, E. Ellefsen a Skipagotu 1, Johansson 1, Pekeler 1, Wallinius 1, Weinhold 1, M. Landin, Överby, Wiencek, Faust
Zuschauer: 19750 (ausverkauft, Lanxess arena, Köln/GER)
Schiedsrichter: Daniel Accoto Martins / Roberto Accoto Martins (Portugal)
Strafminuten: 4 / 4
Merle Klingenberg