30.05.2024, 06:00
Fragen und Antworten zum Lizenzierungsverfahren der Handball Bundesliga
An eine Bedingung hatte die Handball Bundesliga die Lizenz des HSV Hamburg für die nächste Saison in der 1. Liga geknüpft. Der Verein zeigte sich optimistisch. Doch die Lizenzierungskommission der HBL kam zu einem anderen Urteil - und dieses bestätigte das HBL-Präsidium. Heute geht es vors Schiedsgericht. Was ist passiert? Wie geht es weiter? Diese und weitere Fragen und Antworten in der Übersicht.
Die Handball Bundesliga vergab am 17. April die Lizenzen für die Spielzeit 2024/25. Während 35 Klubs diese - teils unter Auflagen - direkt erhielten, war die für den HSV Hamburg an eine Bedingung geknüpft. Die HBL konkretisierte, "dass die derzeit noch bestehende Liquiditätslücke bis spätestens zum 03.05.2024 geschlossen" werden müsse. "Dies muss gegenüber der Lizenzierungskommission fristgemäß nachgewiesen werden. Wird die Bedingung nicht innerhalb der gesetzten Frist erfüllt, gilt die Lizenz als nicht erteilt", so die HBL weiter.
Über die Höhe dieser Lücke wurden weder von Liga noch Verein Angaben gemacht. "Wir haben den Prozess in den vergangenen Wochen immer im engen Austausch mit der HBL geführt und wussten, dass wir diese Bedingung womöglich bekommen würden, weil wir seit unserem Neustart unter gesamtwirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen kontinuierlich gewachsen sind", erklärte HSVH-Geschäftsführer Sebastian Frecke in einer Vereinsmitteilung, dass die Bedingung für den Handball Bundesligisten nicht überraschend kam.
Der Verein zeigte sich optimistisch. "Ich bin sicher, dass wir das schaffen", sagte Frecke. "Nun müssen wir dieses Wachstum und unsere Stabilität in diesem Jahr noch einmal mit zusätzlichen Dokumenten untermauern, um nachzuweisen, dass wir die von der Liga errechnete Liquiditätslücke decken können. Wir haben dafür bereits die nötigen Zusagen und werden die benötigten Unterschriften und Unterlagen bis zum 3. Mai einreichen und freuen uns dann auf unsere nächste Spielzeit in der ersten Liga", so der HSV-Geschäftsführer weiter.
» HSV Hamburg "guter Dinge" in Sachen Lizenz
Doch es kam anders: Die unabhängige Lizenzierungskommission der Handball-Bundesliga teilte am Freitag nach Ablauf der Frist mit, "dass der Handball Sport Verein Hamburg den Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der zur Erlangung einer Lizenz zur Teilnahme am Spielbetrieb der Saison 2024/25 berechtigt, nicht fristgemäß erbracht hat."
Der HSV Hamburg legte dagegen Beschwerde ein, diese wurde vom Präsidium der Handball Bundesliga allerdings am Montag "nach intensiver Beratung" verworfen. Das Liga-Präsidium bestätigte die Entscheidung der Lizenzierungskommission und stellte fest: "Den Nachweis der Erfüllung der gesetzten Bedingung hat der Handball Sport Verein Hamburg gegenüber der Lizenzierungskommission innerhalb der gesetzten Frist nicht erbracht."
Der HSV Hamburg kündigte kurz darauf den nächsten rechtlichen Schritt an: "Wir sind auch nach eingehender juristischer Prüfung der Überzeugung, dass der Verein die Lizenz für die kommende Saison erhalten müsste und werden deshalb fristgerecht Schiedsklage beim Schiedsgericht einreichen, um dort eine Entscheidung zu unseren Gunsten zu erreichen", wird HSVH-Aufsichtsratsmitglied André van de Velde in der Mitteilung zitiert.
Das Präsidium der Handball Bundesliga umfasst acht Personen. Neben Präsident Uwe Schwenker gibt es dabei einen Vizepräsident Finanzen sowie je einen Vizepräsidenten und zwei Beisitzer aus der 1. und der 2. Liga.
Uwe Schenker - Präsident
Gerd Hofele - Vizepräsident Finanzen
Marc-Henrik Schmedt - Vizepräsident 1. Liga
Jennifer Kettemann - Beisitzerin 1. Liga
Karsten Günther - Beisitzer 1. Liga
Franz Dressel - Vizepräsident 2. Liga
Niels Ellwanger - Beisitzer 2. Liga
Björn Barthel - Beisitzer 2. Liga
Die Ordnung zur Lizenzierung der HBL sieht mit Auflagen unter denen die Lizenz erteilt wird und Bedingungen, die für den Lizenzerhalt zu erfüllen sind, zwei Instrumente für die Lizenzierungskommission vor, die "insbesondere der Herstellung und dem Erhalt der Lizenzierungsfähigkeit" dienen sollen.
Optionen, mit denen die wirtschaftliche Stabilität verbessert werden soll, sind laut Ordnung beispielsweise die Verbesserung des Eigenkapitals oder die Kontrolle des Personalaufwands sowie ausdrücklich auch "die Schließung einer festgestellten Liquiditätsunterdeckung durch Liquiditätsreserven ... oder/und durch originäres Eigenkapital oder Eigenkapitalersatz."
Das ist unklar. Der HSV Hamburg hatte sich noch am Donnerstag optimistisch gezeigt. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", sagte Geschäftsführer Sebastian Frecke am Rande des Heimspiels gegen den BHC bei Dyn: "Alle Unterlagen sind fristgerecht eingereicht. Die Liga hat alles." Der HSVH habe sich "nichts zu schulden kommen lassen. Wir sind guter Dinge und warten die Entscheidung der Bundesliga ab."
Dabei hat es aber eventuell ein zeitliches Problem gegeben. Wie das Hamburger Abendblatt berichtet, sei eine siebenstellige Summe eines Investors erst eine Stunde nach Ablauf der Frist auf das Konto der Spielbetriebsgesellschaft eingegangen. Eine Bestätigung durch den Club gab es nicht - eine Nachfrage von handball-world blieb bislang unbeantwortet.
Allerdings sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann dem Norddeutschen Rundfunk: "Diese Frist war bekannt. Und bei allen Bemühungen muss man sich auch um den administrativen Weg kümmern. Das gehört zum Management mit dazu. Es geht nicht nur darum, seine Einnahmen zu erhöhen und Ausgaben zu verringern, sondern auch darum, ein Unternehmen so zu führen, dass es die Reife hat, in der Handball-Bundesliga mitzuspielen."
Auf den zeitlichen Aspekt verweist die HBL auch in ihrer Stellungnahme zur Abweisung der Beschwerde: "Das Präsidium folgt insbesondere der Bewertung der Lizenzierungskommission, dass dem Handball Sport Verein Hamburg mit der gesetzten Frist bis Freitag, 03. Mai 2024, 12.00 Uhr, also von 16 Tagen, ausreichend Gelegenheit gegeben worden ist, den Nachweis seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch Schließung der ermittelten erheblichen Liquiditätslücke zu erbringen."
Der HSV Hamburg ist anderer Meinung: "Der Handball Sport Verein Hamburg hat fristgerecht alle erforderlichen Verträge bei der Handball-Bundesliga eingereicht, um die Bedingung, an die die Erteilung der Lizenz für die Saison 2024/25 geknüpft war, zu erfüllen", hieß es in einer Stellungnahme der Hanseaten zur Beschwerde.
"Wir sind uns sicher, dass wir die Bedingung erfüllt haben", betonte HSV-Geschäftsführer Sebastian Frecke und erklärte: "Wir mussten dafür in den vergangenen Tagen einige Verträge anpassen und damit Zahlungen nach vorne ziehen, damit das von der HBL berechnete Szenario einer Liquiditätslücke so nicht eintreten kann. Das haben wir getan und alle Verträge fristgerecht bei der Liga eingereicht."
Der Geschäftsführer der Hanseaten wurde von der Entscheidung des Ligaverbands offenbar überrascht. "Leider haben wir entgegen unserer festen Erwartung trotzdem eine negative Rückmeldung von der Lizenzierungskommission erhalten. Wir werden nun den Rechtsweg nutzen und haben fristgerecht gegen die Erteilung der Bedingung Beschwerde eingelegt."
» Stellungnahme des HSV Hamburg zur Beschwerde im Wortlaut
An der Einschätzung des Vereins änderte auch die abgewiesene Beschwerde durch das Präsidium der Handball Bundesliga nichts. "Wir sind auch nach eingehender juristischer Prüfung der Überzeugung, dass der Verein die Lizenz für die kommende Saison erhalten müsste", so HSVH-Aufsichtsratsmitglied André van de Velde in einer Vereinsmitteilung.
Der HSVH hatte zunächst unmittelbar nach dem ablehnenden Bescheid der Lizenzierungskommission form- und fristgerecht eine Beschwerde gegen die Bedingung für die Lizenz eingereicht, die das HBL-Präsidium abwies.
"Im Falle einer der Beschwerde nicht abhelfenden Entscheidung des Präsidiums des HBL e. V. verbleibt dem Handball Sport Verein Hamburg die Möglichkeit der Anrufung des verbandsinternen Schiedsgerichtes", hatte die Handball-Bundesliga GmbH zum weiteren Ablauf des Verfahrens bereits vorab mitgeteilt.
Diesen Schritt machte der HSV Hamburg. Die Verhandlung erfolgt am Donnerstag, den 30. Mai in Hannover - ein Urteil könnte es noch am gleichen Tag geben. "Ich gehe davon aus, dass es dann eine Entscheidung gibt", sagt HBL-Chef Frank Bohmann gegenüber handball-world. "Aber das liegt natürlich in den Händen des Vorsitzenden Richters."
Während die HBL in ihrer Meldung von einem "verbandsinternen Schiedsgericht" spricht, handelt es sich dabei allerdings juristisch gesehen um ein so genanntes "echtes Schiedsgericht" nach dem Paragraphen 1025ff ZPO, bei dem beide Seiten in diesem Fall laut der zuvor getroffenen Schiedsvereinbarung jeweils einen eigenen Juristen entsenden und sich zudem auf einen Vorsitzenden Richter einigen.
Dieses dreiköpfige Schiedsgericht muss dann eine mehrheitliche Entscheidung treffen. Da es sich um ein "echtes" und unabhängiges Schiedsgericht handelt, ist die Entscheidung bindend und in der Folge stehen beiden Parteien auch keine weiteren Rechtsmittel mehr zur Verfügung - auch der Gang vor ein staatliches Gericht ist nicht mehr möglich.
Die Lizenzunterlagen für die Serie 2024/25 hatte der HSV Hamburg aktuell nur für die Bundesliga eingereicht. "Ein Antrag für die 2. Liga liegt nicht vor", bestätigte Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann der dpa.
Der Verein hatte aber noch fristgerecht eine Lizenz für die 3. Liga beim DHB beantragt. "Sofern die HBL uns den HSV Hamburg als Absteiger aus der Bundesliga meldet, kann er in der 3. Liga starten. Geschieht das nicht, müsste eine Relegation der Tabellenvierzehnten angesetzt werden", erklärte ein DHB-Sprecher gegenüber handball-world.
Sollte dies nicht erfolgen, würde es für den HSV Hamburg zurück in die höchste Spielklasse des Landesverbandes gehen. Das wäre die fünftklassige Hamburg-Liga. Allerdings spielt die U23 des HSV in dieser Saison in der viertklassigen Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein, so dass der Verein deren Startplatz mit der ersten Mannschaft nutzen könnte.
Die aktuelle Spielzeit ist von der Lizenz-Entscheidung nicht betroffen, der HSV Hamburg kann die Saison normal zu Ende spielen - würde aber unabhängig von der abschließenden Platzierung in der Tabelle der Handball Bundesliga als erster Absteiger gewertet werden.
Trainer Torsten Jansen sah nach der Entscheidung der HBL keine Motivationsprobleme für die letzten Saisonspiele: "Wir hauen weiter alles rein, wie vorher auch", sagte der 47-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Jeder einzelne Spieler seines Teams habe "einen Wahnsinnscharakter".
Zunächst gab es allerdings mit dem 30:41 gegen Flensburg sowie dem 27:39 in Leipzig zwei deutliche Niederlage, im letzten Heimspiel am gestrigen Abend wurde mit den heimischen Fans dann ein 33:29-Erfolg gegen den ThSV Eisenach gefeiert. Zum Abschluss geht es für das derzeit auf dem neunten Tabellenplatz liegende Team zum Schlusslicht nach Balingen.
Aufgrund ähnlicher Entscheidungen in der Vergangenheit ist es naheliegend, dass bei einer Lizenzverweigerung die Anzahl der Absteiger verringert wird. Dies ergibt sich auch aus den entsprechenden Bestimmungen:
"Es steigen zwei Mannschaften aus der Bundesliga (Tabellensiebzehnter und Tabellenachtzehnter) ab", heißt es in der Durchführungsordnung der HBL, die ausführt: "Lizenznehmer, die nicht zu den in dieser Regelung genannten Absteigern gehören und keine Lizenz für das nächste Spieljahr erhalten oder beantragen, werden auf die Zahl dieser Absteiger angerechnet."
Der Ligaverband wollte sich auf Nachfrage von handball-world noch nicht zu sportlichen Auswirkungen, auch für die 2. Handball-Bundesliga, äußern und kündigte eine gesonderte Stellungnahme an. Geschäftsführer Frank Bohmann erklärte bei Dyn allerdings: "Sollte das Schiedsgericht die Entscheidung der Lizenzierungskommission bestätigen, dann gibt es einen Absteiger weniger aus der 1. Liga und einen Absteiger weniger aus der 2. Liga. Da würden die Vorletzten profitieren."
Sollte es bei der Lizenz-Verweigerung für den HSV Hamburg bleiben, würde der 17. Platz in der 1. Bundesliga für den Klassenverbleib ausreichen. Auf diesem liegt derzeit der Bergische HC, der bei 18:46 Punkten steht. Die Hoffnung von Schlusslicht Balingen hielt nur kurz, mit sieben Punkten Rückstand kann der Verein den vorletzten Platz nicht mehr erreichen.
» Tabelle Handball Bundesliga
Der ThSV Eisenach hat unterdessen - unabhängig vom Fall Hamburg - den Klassenverbleib bereits final gesichert, auch der TVB Stuttgart sowie Frisch Auf Göppingen haben eine weitere Saison die erste Klasse gebucht. Der BHC könnte theoretisch lediglich noch den HC Erlangen abfangen, müsste dafür aber beide ausstehenden Spiele gewonnen, während der HCE keinen Punkt mehr holen dürfte.
Da der HSV Hamburg keine Lizenz für die 2. Liga beantragt hat, würde sich die Lizenzverweigerung auch auf diese Spielklasse auswirken. Auch hier würde der Vorletzte in der Liga verbleiben, der TuS Vinnhorst kann diesen Platz angesichts des Abstands zu den anderen Klubs nach oben nicht mehr verlassen - und selbst auch von Schlusslicht EHV Aue nicht mehr in Bedrängnis gebracht werden.
» Tabelle 2. Handball Bundesliga
"Nach den allseits einsehbaren öffentlichen Informationen ist mehr als zweifelhaft, ob der HSV Hamburg die wirtschaftlichen Kriterien in dieser Saison erfüllt hat und zukünftig erfüllen kann", hatte der Bergische HC am 2. Mai in einer Stellungnahme erklärt und von der Handball Bundesliga Auskunft verlangt.
Die HBL wies den Antrag zurück, da sie durch die Lizenzordnung verpflichtet sei, "sämtliche während des Lizenzierungsverfahrens von den Lizenzbewerben erhaltene Informationen streng vertraulich zu behandeln und diese weder direkt noch indirekt Dritten offenzulegen". Der BHC kündigte in der Folge den Gang vor ein Gericht an - konkretisierte auf Nachfrage von handball-world aber nicht, vor welches.
"Das Oberlandesgericht Hamm hat die Entscheidungen von Lizenzierungskommission und Präsidium der Handball-Bundesliga, dem Bergischen Handball Club 06 e. V. keine Einsichtnahme in die Lizenzunterlagen des Ligakonkurrenten Handball Sport Verein Hamburg zu gewähren, vollumfänglich bestätigt", berichtet die HBL in einer Pressemeldung von einem Erfolg vor Gericht berichtet.
Sollte es bei der Lizenzverweigerung für den HSV Hamburg bleiben, wären weitere juristische Schritte des Konkurrenten nicht mehr notwendig - und dem HSV stünden keine mehr zur Verfügung. Sollte der HSV die Lizenz vor dem Schiedsgericht allerdings erhalten, könnte der BHC, da er selbst nicht Beteiligter vor dem Schiedsgericht war, eventuell noch vor ein staatliches Gericht ziehen.
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cie, mit Material dpa, sid