12.06.2024, 12:32
Nach enttäuschender Saison
"Jetzt bin ich aber auch froh, dass die Saison endlich zu Ende ist" - Filip Jicha wollte am Sonntag schnell einen Schlussstrich unter die verkorkste Handball-Saison des THW Kiel ziehen. Die Analyse und die Aufarbeitung der Spielzeit sollen folgen, Geschäftsführer Viktor Szilagyi will mit dem Trainer und nicht über ihn sprechen.
"Ich bin glücklich über zwei Dinge", erklärte Filip Jicha nach dem 32:28-Sieg gegen den SC Magdeburg im Spiel um Platz drei der Champions League gegenüber dem SID: "Dass wir heute eine bessere Leistung gezeigt haben - und dass die Saison vorbei ist." Es war eine schwere Spielzeit für den Handball-Rekordmeister und für Filip Jicha als Trainer des THW Kiel.
Früh hatten sich die Kieler als Titelverteidiger aus dem Meisterrennen verabschiedet, im Pokal flog der erfolgreichste deutsche Handball-Klub bereits in der dritten Runde raus - zu Hause gegen die HSG Wetzlar. In der Champions League gab es derweil Höhepunkte, der Gruppensieg und der 31:21-Coup gegen Montpellier mit dem im Viertelfinale das 30:39 in Frankreich im Rückspiel umgebogen wurde.
Die Teilnahme am Final Four der Königsklasse war die Chance, eine enttäuschende Saison doch noch zum Guten zu wenden. Doch im Halbfinale am vergangenen Samstag (8. Juni) setzte es die nächste Enttäuschung: Am Ende stand gegen den späteren Titelträger FC Barcelona nach einem desaströsen Auftritt ein 18:30 auf der Anzeigetafel. "Das war eine brutale Klatsche", so Filip Jicha.
"Uns hat der Mut gefehlt, die Energie, die man braucht für so ein Halbfinale. Es wirkte zwischendurch sogar so, dass wir förmlich Angst hatten. Das ist der Grund für diese auch in der Höhe verdiente Niederlage, nach der es für mich wirklich hart ist, darüber zu sprechen", befand der Trainer des THW Kiel. Der Erfolg im kleinen Finale am Sonntag gegen den SCM sei nun laut Jicha "ein positiver Abschluss der Saison". Nicht mehr, nicht weniger.
Ein abschließendes Fazit für die gesamte Spielzeit fiel dem Trainer unmittelbar nach dem Sieg schwer. "Dazu brauche ich ein bisschen Abstand", erklärte Jicha. Doch nach der - mit Ausnahme des Supercups der HBL - ersten titellosen Saison seit 2018 soll die Aufarbeitung unmittelbar beginnen.
"Wir sprechen ununterbrochen. Wir sind ständig in Kontakt", sagte Filip Jicha der dpa und berichtete in den Kieler Nachrichten, dass er - wie in den sechs Jahren zuvor - "einen Report bei meinem Vorgesetzten" abgeben werde. "In erster Linie diskutiere ich mit Filip und nicht über Filip. Das ist das Wichtigste", erklärte Viktor Szilagyi gegenüber der Zeitung.
Der THW-Geschäftsführer hatte direkt nach dem 18:30 gegen den FC Barcelona bereits eine unmittelbare Trainerdiskussion abmoderiert: "Wir müssen die richtigen Schlüsse ziehen. Damit meine ich nicht irgendwelche populistischen Entscheidungen, die man in solch einer Situation vielleicht erwartet", so Viktor Szilagyi.
Erstmals seit sechs Jahren werden die Kieler in der nächsten Spielzeit nicht in der Königsklasse dabei sein. "Mehr haben wir auch nicht verdient nach dieser Saison. Unser Gerüst ist nicht stabil genug. Wir müssen Gas geben und so schnell wie möglich zurückkommen", forderte Szilagyi gegenüber der dpa.
Man habe in der abgelaufenen Spielzeit unheimlich viel gelernt. "Die Frage ist, wie adaptieren wir das in die nächste Saison, was nehmen wir mit. Wir müssen an vielen Stellschrauben drehen", sagte Szilagyi. Das Fundament solle gefestigt werden. Der Geschäftsführer ergänzte: "Manchmal prägen solche negativen Erlebnisse auch und bringen einen weiter."
Filip Jicha, der bei den Kielern einen Vertrag bis zum Sommer 2026 besitzt und mit dem Verein drei Meisterschaften sowie den Pokalsieg und den Erfolg in der Champions League feierte, bekräftigte am Sonntag nach dem 32:28-Sieg gegen den SC Magdeburg im Spiel um Platz 3 seinen Willen zum Weitermachen.
"Ich weiß, dass ich ein Diener dieses Vereins bin und es zeitlich begrenzt ist. Solange ich diene, werde ich alles geben", sagte der 42 Jahre alte Tscheche. THW-Kapitän Patrick Wiencek stärkte dem Führungstrio um Szilagyi, Jicha und Co-Trainer Christian Sprenger in den Kieler Nachrichten den Rücken - auch mit einem Verweis auf die zahlreichen Titel der letzten Jahre den Rücken: "Wenn wir das Tor nicht treffen, kann der beste Trainer der Welt nichts machen."
Eventuell aber doch, zumindest hat Filip Jicha bereits vor der der tiefgreifenden Saison-Analyse das Mindset als eine der Baustellen ausgemacht: "Wir brauchen einen Zugewinn an Qualität", befand der Trainer bereits in Köln. Auch personell. "Wir müssen sehen, welche Impulse notwendig sind und welche wir vielleicht sogar kurzfristig umsetzen können", erklärte Viktor Szilagyi in den Kieler Nachrichten und fügte an: "Nur der Sommer wird es nicht lösen."
Unter den Neuzugängen dürfte insbesondere Emil Madsen von GOG ein Hoffnungsträger sein, Lukas Zerbe und Bence Imre sind weitere externe Verstärkungen - mit Niclas Ekberg und Steffen Weinhold wurden neben Eigengewächsen wie Sven Ehrig, Jarnes Faust und Magnus Bierfreund sowie Aushilfe Eduardo Gurbindo zwei zentrale Spieler verabschiedet.
Das Ziel ist klar: In der nächsten Saison soll die Rückkehr in die Champions League gelingen - in Deutschland ist die extrem schwierig: Deutschland hat zwar als einzige Nation zwei Startplätze, doch neben dem Spitzenduo der Liga gibt es für weitere Teams keine Chance auf eine Wild Card. THW-Kapitän Domagoj Duvnjak schöpft Hoffnung aus der Vergangenheit: "Wir waren 2017/18 in der gleichen Situation und danach viel, viel besser. Ich glaube, wir werden zeigen, dass wir viel besser Handball spielen können."
cie, mit Material dpa, SID