12.01.2023, 14:02
Hoffnungsträger der DHB-Auswahl spricht im kicker
Die deutsche Nationalmannschaft startet am Freitag gegen Katar in die Handball-WM 2023. Zu den Hoffnungsträgern im DHB-Team zählt Julian Köster (22), der mit den Lobeshymnen von allen Seiten umzugehen weiß. Das macht er im kicker-Interview deutlich.
So abgeklärt und unaufgeregt, wie sich Köster bei seinem ersten großen Turnier als Nationalspieler im Januar 2022 präsentiert hat, gibt er sich auch in seinem ersten kicker-Interview. Als Zweitliga-Profi hatte der Zwei-Meter-Hüne bei der vergangenen EM für Furore gesorgt - in Abwehr wie Angriff. Auch der Bundesliga-Aufstieg mit dem VfL Gummersbach hat ihn nicht verändert. Ein Gespräch über isländische Trainer, Kritikfähigkeit und Schalke 04.
WM kann Julian Köster. Das haben Sie 2019 bei der U-19-WM bewiesen, als Sie mit dem DHB-Team Silber gewannen und als bester Abwehrspieler ins All-Star-Team berufen worden sind. Was erwarten Sie sich persönlich von Ihrer ersten Männer-WM?
Das ist nicht so richtig vergleichbar. Es gibt einen großen Unterschied zwischen einer Junioren- und einer Männer-WM. Nichtsdestotrotz ist die Vorfreude auf den Januar riesengroß. Was dann dort passiert, muss man einfach mal abwarten.
Wegen des Corona-Chaos haben manche sicher keine so guten Erinnerungen an die vergangene EM in Bratislava. Sie kamen unbeschadet durch das Turnier, machten alle sieben Spiele, mit 18 die zweitmeisten Tore und wurden gegen Polen zu Recht als "Spieler des Spiels" ausgezeichnet. Mit fast einem Jahr Abstand: Was haben Sie von Ihrem ersten großen Turnier mitgenommen und gelernt?
Das war auf jeden Fall ein ganz besonderer Januar, den die Jungs, der Staff und ich alle so noch nicht erlebt haben. Da ist viel von hängengeblieben. Es war eine besondere Erfahrung - auch handballerisch. Ich habe sehr viel mitnehmen können, auch für meinen Weg in Gummersbach.
Beim DHB heißt Ihr Trainer Alfred Gislason, in Gummersbach ist es Gudjon Valur Sigurdsson. Was verbindet die Arbeit der beiden isländischen Trainer und worin unterscheiden sie sich Ihrer Meinung nach grundsätzlich?
Beide verfolgen ihre Philosophie, beide setzen dabei voll auf Tempo-Handball. Der Team-Gedanke wird großgeschrieben, es ist nicht auf einzelne Spieler ausgelegt. Dennoch gibt es natürlich taktische Feinheiten, die sich schon unterscheiden. Gerade bei der Nationalmannschaft sind gute Absprachen sehr wichtig. Was möchte Alfred Gislason, was passt zu den einzelnen Spielern - da muss ein gemeinsamer Weg gefunden werden.
Sie haben Ihr erstes halbes Jahr Bundesliga in den Knochen, Juri Knorr hat nach dem letzten Spiel von "schweren Beinen" gesprochen. Ihr Spielstil ist auch nicht unbedingt kraftschonend. Wie fühlen Sie sich körperlich vor Ihrer ersten WM?
Wir hatten jetzt nochmal ein paar Tage frei. Ich glaube, das tat jedem Nationalspieler gut, auch mal vom Handball abzuschalten. Ich habe versucht, da wirklich so eine kleine Auszeit zu nehmen. Ich fühle mich dementsprechend frisch und freue mich, überhaupt dabei sein zu dürfen. Wenn es dann wirklich losgeht, sind schwere Beine auch schnell vergessen.
Knorr ist das Stichwort. Juri und Sie zählen zu den größten Hoffnungsträgern, wenn man die Heim-EM 2024 und dann vor allem an die Heim-WM 2027 denkt. Inwiefern macht sich dieser Druck, der auf Ihren Schultern liegt, bereits bemerkbar?
Ich versuche, das auszublenden und mich gar nicht großartig damit zu beschäftigen. Ich möchte einfach Handball spielen und meine bestmögliche Leistung abrufen. Die Rolle, die ich für Außenstehende einnehme, ist nicht wichtig. Das sollen andere beurteilen.
In diesem Juni steigt auch die U-21-WM mit Deutschland als Co-Gastgeber. Das "Jahrzehnt des Handballs" ist in vollem Gange. Sie sind nah dran am deutschen Nachwuchs. Welches der deutschen Talente hat Ihrer Meinung nach das größte Potenzial?
Das ist eine sehr stark aufgestellte Mannschaft. Sie wurden vorletztes Jahr U-19-Europameister in Kroatien (34:20-Finalsieg gegen den Gastgeber, d.Red.). Es gibt viele Talente, die großes Potenzial besitzen. Allerdings hängt die weitere Entwicklung immer von vielen Faktoren ab - auch Verletzungen. Für diejenigen, die am Ende im WM-Kader stehen, wird es definitiv eine super Erfahrung und viele beneiden sie sicherlich, schon in so jungen Jahren ein Heim-Turnier spielen zu dürfen.
Im Gespräch mit dem kicker hat Ihnen Pascal Hens jüngst eine "überragende" EM 2022 attestiert, Sie als "Rohdiamant auf der Königsposition" bezeichnet. Was bedeutet Ihnen so ein Lob?
So ein Lob ist immer schön, besonders, wenn es von so jemandem wie Pascal Hens kommt. Er hat vieles gewonnen, ist eines der Aushängeschilder des deutschen Handballs gewesen.
Wie gehen Sie grundsätzlich mit Kritik und Lob um?
Man darf beides nicht überbewerten. Du darfst dich nicht zu sehr von der Kritik runterziehen lassen, musst sie gleichwohl ernst nehmen und nicht komplett an dir abprallen lassen. Oftmals steckt da auch etwas Wahres drin. Bei Lob verfahre ich genauso. Es ist aber immer wichtig zu schauen: Von wem kommt so ein Lob oder so eine Kritik?
In die Gegenwart: In der WM-Vorrunde warten Katar, Serbien und Algerien. Wie schätzen Sie die deutschen Chancen ein?
Das ist eine ausgeglichene Gruppe, in der man auch gut Punkte holen kann. In den letzten Jahren hat sich immer deutlicher gezeigt, wie eng der Welthandball zusammengerückt ist. Deswegen werden das keine Selbstläufer. Wir gehen aber mit der Zielsetzung rein, alle drei Spiele zu gewinnen, um in einer möglichen Hauptrunde eine gute Ausgangslage zu haben.
Wer sind Ihre Favoriten bei dieser WM? Und wer kann vielleicht als Geheimfavorit überraschen?
Mit Frankreich, Titelverteidiger Dänemark und Europameister Schweden kann man die üblichen Anwärter nennen. Auf wen ich persönlich sehr gespannt bin, sind die Isländer. Sie haben einen sehr starken Kader und es wird spannend zu beobachten sein, wie sie sich bei der WM schlagen.
Ihr Spielstil ist kraftvoll, dynamisch, Gegner und Sie selbst werden nicht geschont. Gibt es eigentlich ein handballerisches Vorbild?
Natürlich beobachtet man auch andere Spieler, früher habe ich viel Handball im Fernsehen verfolgt. Domagoj Duvnjak vom THW Kiel ist ein Spieler, dem ich zugeschaut habe, weil er auch die gleichen Positionen (Rückraum links und Rückraum Mitte, d.Red.) bekleidet wie ich.
Apropos Idole: Sie sind in Bielefeld geboren. Drückt man da naturgemäß der Arminia die Daumen?
(lacht) Nein, ich drücke dem FC Schalke 04 die Daumen.
Also ein Team, das noch tiefer im Tabellenkeller steckt als Bielefeld. Trauen Sie sich eine kleine Einschätzung zur aktuellen Lage auf Schalke zu?
Das ist nicht nötig. Ich hoffe einfach, dass wir möglichst viele Spiele gewinnen, Punkte holen und die Klasse halten. Dann ist jeder zufrieden.
Wie ist es grundsätzlich um Ihre Fußball-Begeisterung bestellt?
Es gab schon Zeiten, zu denen ich den Fußball deutlich intensiver verfolgt habe. Mittlerweile ist es eher zwischendurch.
Bei der Doku "Bratislava 2022" hat man die DHB-Profis auch eifrig Darts spielen sehen. Der Hype ist dank Gabriel Clemens auch gerade wieder riesig hierzulande. Wer aus dem Team ist der beste Dartspieler und wo reihen Sie sich ein?
Dieses Jahr haben wir tatsächlich noch gar nicht so viel gespielt. Aber Philipp Weber (Rückraumspieler vom SC Magdeburg, d.Red.) ist sehr stark am Brett. Ich liege wahrscheinlich irgendwo im Mittelfeld.
Interview: Maximilian Schmidt