31.08.2021, 10:00
Hamburg-Rückkehrer im Gespräch mit dem kicker
Vom sensationellen Champions-League-Triumph bis zur Insolvenz in nur drei Jahren: Johannes Bitter (38) hat in Hamburg alles mitgemacht. Nun ist der Weltmeister von 2007 zurück in seiner Heimat - und schlug dafür sogar ein Angebot des FC Barcelona aus.
Herr Bitter, Sie spielten fast zehn Jahre für den HSV, kehren nun nach fünf Jahren in die Hansestadt zurück. Mit welchen Gefühlen ist die Rückkehr nach Hamburg verbunden?
Mit ganz, ganz vielen positiven Gefühlen. Ich habe immer gehofft, dass es wieder in diese Richtung geht und meine Ansprüche mit dem des HSVH matchen. Dass es geklappt hat, macht mich sehr froh und glücklich. Ich kann wieder hier in meiner Stadt sein. Ich hatte eine tolle Zeit in Stuttgart, zwar eine ganz andere als vorher beim HSV, aber eine spannende. Trotzdem habe ich immer nach Hamburg geschielt und den Jungs die Daumen gedrückt.
Mit dem HSV feierten Sie die deutsche Meisterschaft, den DHB-Pokal, die Champions League. 2016 fand die Zeit dort mit der Insolvenz ein jähes Ende. Welche Erinnerungen haben Sie speziell an die letzten, schweren Monate?
Man erinnert sich ja eigentlich immer nur an die schönen Sachen, aber das stimmt nicht. Ich habe diese harte Zeit ein wenig verdrängt. Trotzdem haben ganz viele aus dieser Mannschaft ihren Weg gemacht. Keiner ist da irgendwie unter die Räder gekommen, was schön ist. In dem Moment war es krass für alle, aber wir haben uns alle erfolgreich neuen Herausforderungen gestellt.
Was war für Sie ausschlaggebend, um zum HSVH zurückzukehren?
Vor allem meine Heimat. Ich kenne auch viele Mitarbeiter des neu gebildeten Vereins. Es war auch ein großes Ziel, wieder bei meinen Kindern in Hamburg zu sein. Das war ein großer Punkt.
Vor Ihrer Entscheidung für den HSVH soll ein Angebot vom FC Barcelona vorgelegen haben. Wie weit waren die Gespräche da fortgeschritten und warum haben Sie sich am Ende gegen den amtierenden Champions-League-Sieger entschieden?
Wir haben uns unterhalten, die Anfrage war da. Ich habe mich aber relativ zeitnah dagegen entschieden und für den HSVH, was vielleicht nicht jeder nachvollziehen kann. Für mich war klar, dass das meine Zukunft sein soll und hier habe ich eine langfristige Lösung. Ich bin wieder da, wo ich hingehöre. Es war immer mein großer Wunsch, hierhin zurückzukehren, aber diese Gespräche hatten auch einen gewissen Reiz. Da hat aber die Vernunft und vor allem das Herz gesiegt.
Was trauen Sie dem HSVH kurz- bis mittelfristig zu?
Wir haben große Ziele, wollen in dieser Liga bleiben. Das ist ein größeres Ziel, als für manche vielleicht deutscher Meister zu werden. Es ist ein Riesensprung von der 2. in die 1. Liga. Da haben wir uns ein sehr großes Ziel gesetzt, aber es ist nicht unrealistisch mit den Verstärkungen, die wir bekommen haben.
Unter Torsten Jansen hat der Verein eine bemerkenswerte Entwicklung genommen, er führte die Mannschaft erst in die 2. und nun in die 1. Bundesliga. Was zeichnet ihn als Trainer aus?
Er hat als Spieler alles gesehen und sich als Trainer hochgearbeitet. Er hat mit der A-Jugend begonnen, dann die Aufstiege mit seiner aktuellen Mannschaft mitgemacht. Er hat eine große Ruhe, ist sehr unaufgeregt. Er versucht, die Mannschaft mit ihren Charakteren, wie sie da sind, zu nehmen und nicht groß umzuformen. Torsten geht mit viel Input und Spaß an die Sache ran, um die Leute sich entwickeln zu lassen. Er selbst entwickelt sich auch weiter, nun wartet der nächste Step mit der Bundesliga.
Mit Ihnen, Manuel Späth oder auch Casper Mortensen hat der HSVH im Transfer-Sommer auf erfahrene Spieler gesetzt. Beim Weg zurück in die Bundesliga halfen besonders junge Spieler. Wie gut passt die Mischung zwischen Jung und Alt Ihrer Meinung nach?
Es war essenziell, ältere und erfahrene Spieler dazuzuholen. Das sieht man auch an allen Mannschaften, die in den letzten Jahren um den Klassenerhalt gekämpft haben. Das schafft man nicht unbedingt mit Spielern, die das nicht kennen. Wir haben jetzt welche dazubekommen, die sich dem verschrieben haben und nicht wegen der großen Summen kommen, sondern wegen der tollen Mannschaft und Stadt. So haben wir eine realistische Chance, wenn denn alles gut läuft, unser Ziel zu erreichen.
Wenn Sie einen bestimmen müssten: Was war für Sie der Transfer des Sommers in der Handball-Bundesliga?
Wahrscheinlich Juri Knorr zu den Rhein-Neckar Löwen. Ich kenne ihn ungefähr seit eineinhalb Jahren. Er wirkte immer älter und abgebrühter, als er eigentlich war. Die Rhein-Neckar Löwen haben mit dem Transfer vieles richtiggemacht - für den Klub, für Juri und auch für die Nationalmannschaft. Das ist eine Win-Win-Situation.
Viran Morros in diesem Sommer, Mathias Gidsel im nächsten Sommer: Die Füchse Berlin rüsten weiter auf. Sie kennen Sportvorstand Stefan Kretzschmar und Geschäftsführer Bob Hanning gut. Kann sich die Hauptstadt bald auf einen ernsthaften Titelanwärter freuen?
Das sind zwei sehr namhafte Zugänge. In einer Großstadt wie Berlin kannst du auf Dauer nicht nur irgendwo mitschwimmen, sondern musst dich zeigen und die Leute begeistern. Wir kennen das in Hamburg auch. In Berlin hatte man sich zuletzt vielleicht auch schon mehr Erfolge gewünscht. Mit solchen Transfers macht man auf sich aufmerksam. Das ist gut für die Liga, gut für den Klub. Und Gidsel ist wahrscheinlich schon jetzt der Transfer des nächsten Sommers.
Wer wird in der Saison 2021/22 deutscher Meister und warum?
Ich glaube schon, dass der THW wieder Bombenchancen hat. Das ist eine Mannschaft, die komplett zusammenbleibt, bei der so gut wie nichts passiert ist. Mit Jicha konnte auch alles noch mehr zusammenwachsen. Man muss am THW vorbei, um Chancen zu haben - und das wird schwer dieses Jahr.
Etliche Ihrer ehemaligen Nationalmannschaftskollegen spielen bei der MT Melsungen. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass der Verein trotz vieler Top-Transfers in der Vergangenheit nicht die Bundesliga-Spitze angreifen konnte?
Es gibt wahnsinnige viele gute Spieler, da hat nicht nur Melsungen welche davon. Es muss aber irgendwann mal in Tritt kommen. Man hat bei Melsungen immer das Gefühl, dass der nächste Schritt folgt. Und ich weiß auch, dass es nur einmal explodieren muss, und dann sind sie schwer aufzuhalten. Irgendwann wird jemand die richtige Schraube drehen und dann wird es losgehen. Es dauert alles Zeit, aber der Klub steht zu seinem Konzept.
Apropos DHB: Die Nationalmannschaft hat mit Ihnen, Steffen Weinhold, Uwe Gensheimer und Hendrik Pekeler auf einen Schlag vier Spieler von Weltklasse-Format verloren. Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, um den Umbruch im DHB-Team erfolgreich zu gestalten?
Es war schon vorher klar, dass so etwas nach dem Olympischen Turnier passiert und man eine Veränderung sehen wird. Das gibt es in anderen Nationen auch. Das Wichtigste ist jetzt, eine Breite in der Nationalmannschaft aufzubauen. Die jungen Spieler müssen Erfahrungen sammeln, um im nächsten Zyklus die bestmögliche Mannschaft zu haben. Das haben wir damals erleben dürfen, dass wir früh reingerutscht sind. Und nur so haben wir irgendwann eine gute Leistung bringen können. Die Zeit müssen andere jetzt auch bekommen.
Bei Olympia zeigten Sie jüngst Top-Leistungen. Henning Fritz sprach im kicker-Interview vor dem Turnier vom Vorteil, dass auf Ihnen am wenigsten Druck lastet. Aber worin sehen Sie selbst das Geheimnis Ihrer konstant starken Auftritte?
Wir hatten eine super Vorbereitung, durch meine Knie-OP und die darauffolgende Infektion war aber alles auf Kante genäht. Ich habe da alles gegeben, weil ich bei diesem Turnier unbedingt dabei sein wollte. Henning Fritz hat nicht Unrecht, denn ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Wir haben aber viele Spieler, auf die das zutrifft. Ich habe zumindest jede Minute genossen.
Sie haben schon so manchen Bundestrainer miterlebt. Welchen Eindruck hat Alfred Gislason bei Ihnen hinterlassen und was trauen Sie ihm trotz der personell alles andere als einfachen Situation in den nächsten Jahren zu?
Alfred ist ein Trainer, der Mannschaften zu führen weiß. Wir wissen alle, was wir für ein Turnier gespielt haben. Es war ordentlich, teilweise sogar sehr gut, aber wir konnten gegen die Ägypter an diesem Tag nicht bestehen und das tut weh. Alfred hat auf mich aber generell einen total souveränen und handballverliebten Eindruck gemacht. Er weiß aber auch, dass wir nicht die Einzelspieler wie andere Nationen haben, die Spiele komplett alleine entscheiden. Das ist nicht negativ zu sehen, das wussten wir ja vorher. Er hat versucht, das bestmögliche Gefüge daraus zu machen. Ich finde, wir haben ganz viel ganz gut gemacht und an dem einen Tag war Ägypten, das sich phänomenal entwickelt hat, einfach besser.
Interview: Maximilian Schmidt