07.02.2020, 10:22
Gislason wird am Freitagmittag vorgestellt
Nach der überraschenden Trennung von Bundestrainer Christian Prokop stellt der Deutsche Handballbund am heutigen Freitag um 11.30 Uhr dessen Nachfolger Alfred Gislason vor. Die Personalrochade sorgt nicht nur im Kreis der Nationalmannschaft für Verwunderung und Diskussionen.
Über Alfred Gislason muss man nicht viele Worte verlieren. Der 60 Jahre alte Isländer gilt als Trainer-Ikone im Handball - und soll nun die deutsche Nationalmannschaft endlich wieder zu Medaillen führen. Und doch gibt es erhöhten Redebedarf, wenn der Deutsche Handballbund den langjährigen Erfolgscoach an diesem Freitag (11.30 Uhr) in Hannover offiziell als Nachfolger von Christian Prokop vorstellt. Denn die Trennung vom bisherigen Bundestrainer hat auch die Mannschaft kalt erwischt.
"Es überrascht mich natürlich, weil die Frage während des Turniers ausgeräumt wurde", sagte Kreisläufer Jannik Kohlbacher von den Rhein-Neckar Löwen über das am Donnerstag vom DHB-Präsidium verkündete Aus für Prokop. Neben den Nationalspielern erwartet auch Teammanager Oliver Roggisch ("in keiner Weise in die Entscheidung eingebunden") von der Verbandsspitze eine schlüssige Erklärung für die Trennung.
Immerhin hatte die DHB-Führung Prokop am Ende der EM noch demonstrativ den Rücken gestärkt - obwohl das deutsche Team mit Platz fünf erneut das Medaillenziel verpasst hatte. DHB-Sportvorstand Axel Kromer hatte Prokop nach dem fünften Platz bei der EM noch eine Jobgarantie ausgestellt. "Wir werden natürlich mit Christian in Richtung Olympia gehen. Wir sind überzeugt davon, mit Christian einen hervorragenden Weg eingeschlagen zu haben", sagte Kromer vor rund zwei Wochen.
"Ich bin sprachlos, vor allem die Art und Weise, wie da mit Menschen umgegangen wird, kann ich nur ganz schwer nachvollziehen", sagte Christian Schwarzer, Weltmeister von 2007, deshalb am Donnerstag im Gespräch mit dem SID.
Sehr deutliche Worte in Richtung DHB-Spitze gab es auch von Prokops Ex-Klub DHfK Leipzig: "Ich bin geschockt und habe keine Veranlassung dafür gesehen", sagte Manager Karsten Günther der "Leipziger Volkszeitung". "Ich schäme mich für unseren Verband, er gibt gerade ein erbärmliches Bild ab. Scheinbar dominiert beim DHB das ehrenamtliche Präsidium viel zu sehr und die Hauptamtlichen haben nichts mehr zu sagen."
Auch Meistertrainer Maik Machulla von der SG Flensburg-Handewitt konnte den Schritt nicht nachvollziehen. "Es kommt für mich sehr überraschend, weil ich finde, dass Christian bei der EM ein gutes Ergebnis erzielt und die Mannschaft gezeigt hat, dass sie lebt und Moral hat", sagte Machulla. "Ich hätte ihm auch zugetraut, die Mannschaft zu Olympia zu führen."
Für Kapitän Uwe Gensheimer war die Nachricht ein Schock - und auch seine Teamkollegen wurden von dem Trainer-Beben überrascht. "Christian hat einen guten Job gemacht und war bei den Spielern sehr beliebt. Wir haben uns echt wohl gefühlt", beschrieb Rückraumspieler Julius Kühn von der MT Melsungen das Verhältnis zwischen Prokop und der Mannschaft.
EM-Shootingstar Timo Kastening schickte am Sky-Mikrofon sogar einen Dank an den 41-Jährigen. "Christian hat es mir ermöglicht, mein erstes Turnier zu spielen. Dafür werde ich immer dankbar bleiben", sagte der Rechtsaußen von der TSV Hannover-Burgdorf. "Aber bei einem Trainer entscheiden immer die Vorgesetzten und nicht die Mannschaft. Das hat man dann zu akzeptieren. Ich kann jetzt nur nach vorne gucken."
Und die Zukunft heißt Alfred Gislason. Der Isländer muss sich schnell in seinen neuen Job einarbeiten, denn schon Mitte April steht in Berlin die Olympia-Qualifikation gegen Schweden, Slowenien und Algerien an. Für das Tokio-Ticket muss die DHB-Auswahl bei dem Turnier mindestens Zweiter werden.
"Alfred ist eine Trainer-Legende. Ich glaube, er wird das sehr, sehr gut machen", sagte Melsungens Nationalspieler Kai Häfner. Ähnlich sieht es Machulla: "Alfred ist jemand, der unglaubliche Erfahrung hat und weiß, wovon er redet. Das ist gut für die Mannschaft."
dpa/sid