06.02.2020, 16:44
Überraschende Personalentscheidung
Der DHB hat sich überraschend von Bundestrainer Christian Prokop getrennt. Der Nachfolger steht ebenfalls fest - kein Geringerer als der langjährige Coach des THW Kiel, Alfred Gislason, wird den Europameister von 2016 übernehmen.
Prokop hatte mit der deutschen Mannschaft bei der kürzlich abgelaufenen Europameisterschaft Rang fünf belegt und nach dem Turnier eigentlich Rückendeckung von den Verbandsfunktionären erhalten. Doch in den elf Tagen seit Turnierende muss sich der Wind gedreht haben. "Wir haben diese schwere Entscheidung nach reichlicher Abwägung und einer ganzheitlichen Analyse aus Verantwortung für den deutschen Handball getroffen", erklärte DHB-Präsident Andreas Michelmann. "Bei Christian Prokop bedanken wir uns ausdrücklich für die geleistete Arbeit und insbesondere für das Auftreten unserer Nationalmannschaft bei den letzten Turnieren. Wir sind allerdings auch in der Analyse der Europameisterschaft davon überzeugt, dass wir unsere kurzfristigen Ziele nur mit einem neuen Impuls erreichen können."
Und den soll Gislason setzen. Der Isländer wird das DHB-Team bereits am 13. März in Magdeburg gegen die Niederlande erstmals betreuen und soll laut Michelmann "frische Energie" in die Nationalmannschaft bringen. Er erhält neben einem Vertrag, der die EURO 2022 in Ungarn und der Slowakei einschließt, den Auftrag, das DHB-Team zu Olympia zu führen. Das Qualifikationsturnier steigt vom 17. bis zum 19. April in Berlin - Schweden, Slowenien und Algerien heißen die Gegner. Zwei Tickets für die Spiele in Tokio werden dabei vergeben.
Mit Kiel gewann Gislason zweimal die Champions League, sechsmal die deutsche Meisterschaft und sechsmal den DHB-Pokal. Zuvor trainierte er unter anderem den SC Magdeburg (1999 bis 2006), mit dem er 2002 die Champions League holte, und den VfL Gummersbach (2006 bis 2008). Auch der Job als Nationaltrainer ist ihm nicht fremd, von 2016 bis 2018 coachte er Island. Im Sommer 2019 hatte der 60-Jährige bei Kiel seinen Platz für Filip Jicha geräumt und sich erst einmal auf seinen Bauernhof in Wendgräben vor den Toren Magdeburgs zurückgezogen.
Prokop hatte das Amt im Februar 2017 von Dagur Sigurdsson übernommen, der 2016 überraschend den EM-Sieg mit den "Bad Boys" verbuchen konnte und bei Olympia 2016 Bronze holte. Unter Prokop blieben die ganz großen Erfolge nicht nur bei der abgelaufenen EM aus. Platz neun bei der EM 2018 sowie Platz vier bei der WM 2019 stehen zu Buche.
Dennoch wirft die Trennung kein gutes Licht auf den DHB. Sportvorstand Axel Kromer hatte Prokop noch am 21. Januar eine Jobgarantie ausgestellt: "Wir werden natürlich mit Christian in Richtung Olympia gehen. Wir sind überzeugt davon, mit Christian einen hervorragenden Weg eingeschlagen zu haben", hieß es damals. Er verwies auf die "vielen Statements von gnadenlos überzeugten" Spielern: "Wir stellen klar, dass es intern nie eine Diskussion darüber gab, mit welchem Trainer wir zukünftig die Nationalmannschaft prägen wollen."
Im Nachhinein stellten sich diese Aussagen als pure Lippenbekenntnisse heraus. Man darf gespannt sein, wie Prokop auf die Demission reagieren wird. In der Pressemeldung des DHB war jedenfalls kein Statement des 41-Jährigen zu finden.
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