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20.07.2023 14:09 Uhr - 1. Bundesliga - red

Zum sechsten Todestag: Gedenken an "Monsieur Handball" Bernhard Kempa

Bernhard KempaBernhard Kempa
Quelle: Michael Heuberger
Am 20. Juli 2017, auf den Tag genau vor sechs Jahren, verstarb Bernhard Kempa im Alter von 96 Jahren - im November 2020 wäre er 100 Jahre alt geworden. Kempa war schon zu Lebzeiten eine Handball-Legende: Er wurde zweifacher Weltmeister, begründete die Erfolge von Frisch Auf! Göppingen, der nach ihm benannte Trick gehört zum Standard-Repertoire der Sportart und wurde zudem Namensgeber der Handball-Linie der Firma Uhlsport. Eine Karriere war ihm unterdessen nicht genug: Mit 47 Jahren fing Bernhard Kempa noch einmal ganz von vorn an. "Monsieur Handball" verschrieb sich dem Tennis - und war damit so erfolgreich wie zuvor in seiner ersten Laufbahn, wurde bei den Senioren dreimal Weltmeister.

"Mit dem Kempa-Trick hat sich Bernhard Kempa unsterblich gemacht", hatte Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB), bereits anlässlich des 95. Geburtstags der Handball-Legende, die zuvor sechzig Ehejahre mit seiner Frau Marianne in seiner Heimat in Bad Boll gefeiert hatte, erklärt. "Sein Name ist in unseren Hallen noch immer bekannt. Der deutsche Handball verdankt dem Spieler und Trainer Bernhard Kempa unglaublich viel", so Michelmann.

Sein Meisterstück in Sachen Spielwitz war die Erfindung des Kempa-Tricks. Die Geschichte dieses Tricks beginnt im Training seines Clubs Frisch Auf Göppingen, das entnimmt Kempa seinem "Grünen Ordner", in dem er alle wichtigen Etappen seiner Sportler-Biografie aufbewahrt. "Ein Anspieler hebt den Ball über die Abwehr, sein Mitspieler springt möglichst hoch in den Wurfkreis, fängt den Ball noch im Flug und wirft ein Tor", notierte er. "Das mit dem Trick war für ihn schon sensationell, er hat immer mit Begeisterung darüber gesprochen", erzählt sein Sohn anlässlich seines 100. Geburtstags. "Er ist damit ja quasi unsterblich geworden."

Im Gespräch mit Volker Schneller erläuterte Bernhard Kempa vor Jahrzehnten bei einem Lehrgang: "Ich hatte wegen der meist riesigen Abwehrmauer der Gegner Probleme unseren Fritz Jarosch (gerade mal 1,70 m groß) am Kreis anzuspielen, und so machten wir aus einem Zufallsprodukt im Training eine erfolgreiche Abschlussvariante." Schneller erinnert sich an seine Schilderungen: "Ein Pass von Kempa war im Training bei einem Gegner hängengeblieben und auf den Boden im Kreis aufgesprungen. Jarosch sprang hinterher, fing den prellenden Ball und warf aufs Tor. Diese Variante wurde im Nachgang verfeinert, indem der Ballkontakt des Gegners einfach ausgespart wurde. Das soll der tatsächliche Ursprung des Kempa-Tricks gewesen sein, auch wenn noch andere Versionen kursieren."

In seiner Autobiografie "Ball ist Trumpf" schrieb Kempa: "Wir haben bei Frisch Auf in Göppingen im Training immer viel ausprobiert. Mal dies, mal das. Auch das Training sollte Spaß machen. Und bei solchen spaßigen Übungen erfand ich den Trick." Weil die ganze Aktion in der Luft passierte, ist der Kempa-Trick auch als "Flieger" bekannt, in Deutschland aber ist es der "Kempa". Das erste Mal vorgeführt wurde dieser Trick am 24. März 1954 in Karlsruhe, im inoffiziellen Länderspiel gegen Schweden. "Beim ersten Mal klappte es nicht, weil ich die Größe der schwedischen Spieler falsch eingeschätzt hatte", erzählt Kempa im Buch "Monsieur Handball", das 2007 sein Leben würdigte.

"Bernhard auf diesen Trick zu reduzieren, verbietet sich. Eine Legende wird man nicht nur durch die Erfindung eines Tricks. Bernhard war - und das meine ich mit dem größtmöglichen Respekt - ein Filou. Ein Künstler. Und eine Leitfigur", fügt Volker Schneller allerdings an. Liga-Präsident Uwe Schwenker unterstrich: "Wir verdanken Bernhard Kempa große Momente im Sport, die weit über den Kempa-Trick hinaus reichen." Und DHB-Vizepräsident Bob Hanning befand: "Er ist ein Idol für Generationen." Auch für Andreas Michelmann war er einer der prägenden Akteure des Handball-Sports: "Wir trauern um einen der größten Sportler, die Deutschland hervorgebracht hat. Was der deutsche Handball dem Spieler und Trainer Bernhard Kempa verdankt, ist kaum in Worte zu fassen."

Die Karriere von Bernhard Kempa


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Geboren wurde Bernhard Kempa am 19. November 1920 im oberschlesischen Oppeln. Dort begann er mit 14 Jahren seine Handball-Karriere und spielte nach dem Krieg zunächst beim TSV 1860 München, wo er fast von den Fußballern abgeworben worden wäre. Während des Krieges wurde die neunköpfige Familie in alle Winde zerstreut. Bernhard, einer von insgesamt fünf Brüdern und zwei Schwestern, landete nach Kriegsende in München, spielte beim TSV 1860 und lernte an der Isar seine spätere Frau Marianne, deutsche Handball-Meisterin mit dem VfL München, kennen.

Obwohl er ein Angebot von 1860 München besaß, es als Fußballer in der Oberliga zu versuchen, blieb er doch beim Handball. "Die Fußballer bekamen zum Training eine Vesper: eine Maß Bier und ein Stück Leberkäse. Das hat mir gefallen, und da habe ich ein paar Mal mittrainiert", berichtete Kempa. Doch vor seinem ersten geplanten Spiel gegen den 1. FC Nürnberg kehrte er den Kickern den Rücken und wandte sich wieder dem Handball zu.

Nach Göppingen zog es ihn 1947, weil der Verein ihm eine Wohnung und auch einen Arbeitsplatz verschaffen konnte. Als Präsidiumsmitglied des Bayrischen Roten Kreuzes spürte Kempa nach und nach seine Familie wieder auf und vereinte sie - bis auf zwei gefallene Brüder und den verstorbenen Vater - 1950 in Göppingen. Mit ihm und durch ihn - und mit Hilfe seiner Brüder Achim und Gerhard - stieg der Verein Frisch Auf! zum Nonplusultra im deutschen Handball auf. Kempa gewann mit Frisch Auf! Göppingen als Spieler vier Meister-Titel (je zwei Feld und Halle) sowie als Trainer fünf Hallen-Meisterschaften und 1960 den Europapokal der Landesmeister. In seiner Ära wurde der Begriff von den "Kempa-Buben" geprägt.

Über siebzig Jahre war Kempa Vereinsmitglied bei Frisch Auf! Göppingen, Vereinspräsident Thomas Lander erklärte in seinem Nachruf 2017: "Mit Bernhard Kempa als Spieler, Spielertrainer und Trainer konnte Frisch Auf seine größten Erfolge feiern. Er war als zweifacher Weltmeister, vielfacher Deutscher und Württembergischer Meister - einer der herausragenden Sportler seiner Zeit. Bernhard Kempa und sein Wirken werden bei Frisch Auf unvergesslich bleiben."

Kempa zählte zu seiner aktiven Zeit zu den besten Handballern der Welt, auch im Trikot der deutschen Auswahl. 1952 und 1955 wurde er mit der Bundesrepublik Weltmeister auf dem Feld; das Finale 1955 gegen die Schweiz (25:13) im Dortmunder Stadion Rote Erde, als Kempa sieben Tore warf, verfolgten über 50.000 Zuschauer. Und er gehörte zu den Akteuren, die sowohl auf dem Großfeld wie auch in der Halle das Spiel prägten - Bernhard Kempa durch die Fähigkeit das Spiel des Gegners zu lesen, durch überraschende Anspiele und die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen.

Als Trainer führte er dies fort und wurde später Namensgeber für die Handball-Linie der Firma Uhlsport. "Ich kannte Bernhard Kempa schon viele Jahre. Zu meiner Gymnasialzeit war er mein Sportlehrer gewesen. Als die uhlsport GmbH in den Handballsport einsteigen wollte, habe ich den Kontakt zu Bernhard aufgenommen. Er war sofort von der Idee, uns die Nutzung seines Namens zu erlauben, begeistert", berichtete Günter Daiss, Gesellschafter der uhlsport GmbH, von der Entwicklung. Aber nicht nur aufgrund der Produkte wird der Name Kempa immer untrennbar mit dem Handball verbunden bleiben.

Bernhard Kempa hätte Welthandballer und Welttrainer sein müssen, aber diese Auszeichnungen sind erst weit nach seiner aktiven Zeit geschaffen worden. Ehrungen wurden ihm dennoch zahlreich zuteil: Er bekam das Bundesverdienstkreuz, die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg zweimal das Silberne Lorbeerblatt und wurde 2011 in die "Hall of Fame" des deutschen Sports aufgenommen. Seine Spuren hinterließ Bernhard Kempa aber nicht nur durch seinen Trick oder seine Erfolge im Handball und später im Tennis, sondern durch seine Leidenschaft für den Sport, die er auch im hohen Alter in jedem Gespräch transportierte und so auch den Nachwuchs begeisterte.



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