19.01.2025, 12:45
Portugal als entscheidendes Spiel
Norwegen strauchelt bei der Handball-Weltmeisterschaft durch das Turnier - und hat mit Olympia und der EM zwei Enttäuschungen im Rücken. Auch das Projekt in Kolstad blieb in Oslo nicht von Kritik verschont.
Das Duell mit Portugal am heutigen Sonntagabend ist für Norwegen schon eine kleine Art Endspiel bei der aktuellen Handball-Weltmeisterschaft. Zwar ist der Co-Gastgeber sicher für die Hauptrunde qualifiziert, könnte aber mit 0:4 Punkten weiterziehen - wenn es heute gegen die Iberer die zweite Pleite gibt.
Vorausgegangen war eine erschütternde Auftakt-Niederlage gegen Brasilien, die in den norwegischen Medien als "Fiasko" verschrien wurde. Zuhause, in Oslo, vor den Augen des Königs eine seltene Blamage - auch wenn es gegen den Südamerikameister ging, der danach auch gegen Portugal streckenweise stark auftrat.
» zum Artikel: "Fiasko": So reagieren Norwegens Medien auf die Auftakt-Pleite
Immerhin rehabilitierten sich die Norweger mit einem deutlichen Sieg über die Vereinigten Staaten - ein Gradmesser war das allerdings nicht. Mit Portugal treffen die Skandinavier nun auf einen der Geheimfavoriten der Weltmeisterschaft, der Druck ist enorm - und die Südeuropäer in bestechender Form.
Das Weiterkommen steht außer Frage: Bei einer Niederlage gegen Portugal könnten die USA mit einem Sieg gegen Brasilien zwar für drei punktgleiche Teams mit 2:4 Punkten sorgen - doch in diesem Dreiervergleich können aufgrund der Tordifferenz im direkten Aufeinandertreffen nicht beide Konkurrenten an Norwegen (+13) vorbeiziehen.
Unabhängig davon, wie das Spiel ausgeht, gibt es in Norwegen Sorgen: Schon bei den Olympischen Spielen im Sommer enttäuschten die Skandinavier über weite Strecken und mussten sich Slowenien beugen. Bei der Europameisterschaft 2024 gab es ein Remis gegen Handballzwerg Färöer, eine weitere Pleite gegen Slowenien und auch eine 32:37-Niederlage gegen Portugal.
Aus dem engen Favoritenkreis scheinen die Skandinavier damit verschwunden zu sein - selbst als Gastgeber der Handball-WM. Die deutlichen Siege gegen Schweden (bei der EM) und Frankreich (bei Olympia) sind zu Ausnahmen geworden. Und das, obwohl die Norweger immer noch große Namen in ihren Reihen haben: Sander Sagosen, Torbjörn Bergerud und Magnus Röd sind drei dieser Spieler.
Wer die Vereine dieser Stars kennt, den führt die Spur zum norwegischen Prestigeprojekt Kolstad IL. Röd spielte dort bis Sommer, die anderen beiden noch immer. Als groß ambitionierter Anwärter mit dem Ziel des Champions League-Triumphes gestartet, beschäftigten Kolstad zwischenzeitlich aber finanzielle Sorgen.
Die sportliche Situation beim Vorzeigeprojekt ist durchwachsen: In der heimischen Liga steht Kolstad hinter Hauptkonkurrent Elverum auf Rang zwei, in der Champions League sind die Norweger Siebter in der Gruppe B. Dementsprechend gibt es auch im eigenen Land einige Kritik an dem strauchelnden Projekt.
Der nordische Streaminganbieter Viaplay thematisierte die Situation in Kolstad etwa vor dem WM-Spiel gegen Brasilien in der Vorberichterstattung - und wurde so kritisch, dass Rückraumwirbler Göran Sögard Johannessen, der an einer Achillessehnenverletzung laboriert, bei Instagram gegen die Sendung austeilte.
"Über den Verein, für den ich spiele, wurde fast kein positives Wort verloren, und damit muss nun Schluss sein", heißt es bei Johannessen, der anfügte: "Bei dem, was Viaplay gestern gemacht hat, unter der Regie von Ole Erevik und Ørjan Bjørnstad, mit Stine Oftedal Dahmke als Statistin, kann ich nicht still sitzen und zusehen."
Besonders kritisierte der Rückraumspieler, wie sich die Sendung auf Sander Sagosen fokussierte und dieser so dargestellt wurde, "als sei er der einzige Spieler, der Kolstad tragen kann". Johannessen ergänzte: "Handball ist ein Mannschaftssport", und nannte die Art und Weise von Viaplay "erniedrigend" für die restliche Mannschaft.
Norwegens Superstar Sander Sagosen steht seit Jahren unter besonderem Druck, konnte seine Topform, mit der er etwa beim THW Kiel die Bundesliga und Champions League auseinanderwirbelte, nach seinem Wechsel nach Kolstad aber nicht mehr finden. Sein Schicksal scheint dabei eng mit der Nationalmannschaft und dem norwegischen Prestigeprojekt verknüpft zu sein.
Viaplay verteidigte sich gegen Johannessens Anschuldigungen und stellte heraus, dass Sagosen aufgrund seiner Bedeutung für den norwegischen Handball logischerweise eine besondere Betrachtung erhalten würde. Auch die Kritik sei anhand der aktuellen Situation nur sachlich.
Nach der Auftaktniederlage scheint die Stimmung in Norwegen gereizt, was den Handball betrifft. Gut möglich, dass die lang ersehnte Ruhe im norwegischen Handball wirklich nur durch Erfolg erreicht werden kann.
Dafür muss die Nationalmannschaft heute Abend gegen Portugal das Blatt wenden und endlich eine WM-Stimmung erzeugen. Sollte es eine weitere Niederlage geben, werden die kritischen Stimmen wieder lauter werden - und das nicht zu Unrecht. Norwegen rennt aktuell seiner Form hinterher.
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mao