08.05.2024, 13:43
56-Jähriger verfolgt seine Vision in Potsdam weiter
Den 1. VfL Potsdam hat Bob Hanning erstmals in der Vereinsgeschichte in die Handball-Bundesliga geführt. Wie es um das "Team Deutschland" steht, warum er Emir Kurtagic als Nachfolger wählte und warum ihm der Abschied schwer fällt, erklärt Hanning dem kicker im Aufstiegs-Interview.
Ohne Bob Hanning wäre der 1. VfL Potsdam heute nicht dort, wo er steht. In den vergangenen drei Jahren hat der Talentförderer sukzessive den Grundstein für die Erfolgsgeschichte des jüngsten Teams der 2. Liga gelegt, es aus der 3. Liga zunächst ins Unterhaus geführt und mit dem deutlichen Heimsieg gegen Großwallstadt am vergangenen Wochenende den erstmaligen Aufstieg in die Bundesliga gesichert. Und jetzt?
Erstmal herzlichen Glückwunsch zum Aufstieg, Herr Hanning. Sie hatten im Vorfeld ja schon fest damit gerechnet, dass es am Samstag klappen würde. Wie sind die Feierlichkeiten ausgefallen?
Es war eine sehr ausgelassene Feier, von der ich mich rechtzeitig verabschiedet habe. Die Jungs haben viel Freude gehabt, es ging bis morgens um sieben. Und trotzdem liegt jetzt der Fokus wieder auf der regulären Arbeit, weil wir wollen nicht nur aufsteigen, sondern auch Meister werden.
Mit dem nun feststehenden Aufstieg nehmen die Planungen so richtig Fahrt auf. Seit heute steht Ihr Nachfolger auf der Trainerposition fest. Warum hat sich der VfL für Emir Kurtagic entschieden?
Emir war eine meiner drei Wunschlösungen. Wir haben nach einem Trainer gesucht, der Bundesliga-Stallgeruch hat und mit jungen Leuten arbeiten kann. Und dann sind wir im Grunde beim DHB fündig geworden. Wir freuen uns sehr, dass er dieses Projekt in Zukunft ligaunabhängig begleiten wird.
Hat es Überzeugungsarbeit beim DHB gebraucht?
Nein, hat es nicht wirklich. Obwohl Emirs Vertrag ohnehin ausgelaufen ist, haben wir sehr offen kommuniziert. So kommt es auch, dass Emir noch die U-18-Europameisterschaft in Montenegro (4. bis 17. August 2024, Anm. d. Red.) bestreiten wird und ich dadurch mein Ehrenamt als Trainer bis zum 14. August verlängert habe.
Welche Rolle werden Sie künftig genau beim VfL einnehmen?
Wir sind alle sehr davon überzeugt, dass wir maximal voneinander profitieren können. Und viel wichtiger ist es, dass die jungen Spieler davon profitieren können. Von daher werde ich die sportlichen Belange - gerade beim Thema Nachwuchs und Entwicklung unserer Spieler - als "Head of Sport" weiter verantworten. Aber eben nicht mehr als Trainer. Dennoch gilt: Wir sind alle von der Idee, junge Menschen zu entwickeln, weiter fasziniert.
Fällt es Ihnen dennoch schwer, nach so einer Saison das Traineramt in Potsdam niederzulegen?
Ein klares persönliches Ja, trotzdem es ist auch genau der richtige Zeitpunkt aufzuhören. Unabhängig davon, dass man nicht gegen seinen eigenen Arbeitgeber spielen sollte, endet jetzt auch die Zeit mit meinen jungen Spielern. Wir sind mit den Jungs drei- bis viermal deutscher Jugendmeister geworden. Wir haben die Schulweltmeisterschaft geholt. Wir sind U-21-Weltmeister geworden. Es sind jetzt alle in der Bundesliga untergekommen, sodass das auch persönlich ein schöner Abschluss ist.
Klingt wirklich nach dem perfekten Zeitpunkt.
Viel wichtiger als die sportlichen Erfolge ist mir aber, dass das alles einfach tolle Menschen sind. Von daher gibt es wahrscheinlich gar keinen besseren Zeitpunkt. Trotzdem macht man das mit einem weinenden Auge. Wenn ich ehrlich bin, bin ich froh, dass ich noch mal sechs Wochen Vorbereitung machen kann. So fällt der Abschied vielleicht nicht ganz so schwer.
Mit Max Beneke und Lasse Ludwig holen Sie zwei absolute Leistungsträger aus Potsdam bewusst zu den Füchsen. Wie haben Sie ihre Entwicklung erlebt und was trauen Sie ihnen ab Sommer zu?
Lasse hat mit David Späth ein sehr gutes Duo bei der U-21-Weltmeisterschaft gebildet. Lasse ist natürlich jemand, der nach draußen nicht so der emotionale Torwart ist, wie es David verkörpert. Er ist trotzdem ein exzellenter Torwart und ich glaube, dass sein Weg noch lange nicht fertig ist und dass er auch damals schon auf Augenhöhe mit David war. Und ich glaube, dass er bei uns zusammen mit Dejan Milosavljev ein tolles Torhüter-Duo bilden wird. Davon sind alle maximal überzeugt. Bei den Füchsen musste ich den einen oder anderen doch mal überzeugen von einem Transfer eines Top-Talents: Bei Lasse gab es eine komplette Übereinstimmung aller Entscheider.
Und bei Beneke?
Max Beneke wird ziemlich sicher Zweitliga-Torschützenkönig (268 Treffer, 53-Tore-Vorsprung, Anm. d. Red.) und hat in den Einsätzen, die er bei den Füchsen hatte, auch schon helfen können. Ich bin mal gespannt, wie lange er braucht, das zu adaptieren. Trotzdem haben wir uns entschieden, den Schritt auch zu machen, weil wir fest davon überzeugt sind und das Training mit Gidsel, Andersson und Marsenic ihn nicht schlechter machen wird.
Bei den Füchsen hatten Sie bei Verletzungsproblemen durch die enge Kooperation mit dem VfL häufiger spontan auf Talente aus Potsdam zurückgreifen können. Wie ist der Plan für die neue Saison?
Wir haben auch immer wieder auf den eigenen Nachwuchs, sprich die zweite Mannschaft und die A-Jugend, zurückgegriffen. Auch da gibt es viel Talent, weswegen mir nicht bange wird.
Die drängendste Frage, die sich nun natürlich stellt: Im Januar haben Sie das "Team Deutschland" vorgestellt. Wird es zur Umsetzung kommen?
Ich glaube, dass der Verband schon die Vorteile für sich erkannt hat. Und in der Liga ist es ja so, dass es nur um Spieler geht, die in ihren eigenen Vereinen nicht genügend Spielanteile kriegen können. Und man kann das jetzt mal am Beispiel von Nico Schöttle machen, der in Hamm spielt und den wir gerne geholt hätten, aber der jetzt in Stuttgart seine Einsatzzeiten kriegen soll. Uns geht es wirklich nur um Talente, die Spielpraxis brauchen. Wir sind noch mit ein, zwei Spielern im Gespräch.
Welche Namen muss man sich noch merken mit Blick auf die nächste Saison?
Wir werden jetzt zum Beispiel Jannek Klein aus Friesenheim holen. Im Übrigen haben wir aber auch genug Talent in den eigenen Reihen. So haben wir mit Max Günther einen ganz jungen Rechtsaußen aus der eigenen Jugend geholt, mit Marvin Siemer einen Linksaußen, der mit Nils Fuhrmann das Duo bilden kann. Das ist ja auch unser Weg. Dieses "Team Deutschland" ist nur ein Angebot. Und man kann ja keinem böse sein, wenn er das nicht annehmen will. Und vielleicht ist die Zeit noch nicht so weit. Aber für den Verband ist das ein traumhaftes Angebot.
Wenn Sie sich die aktuelle Bundesliga anschauen. Gibt es da Vorbilder, wie man sich als Potsdam präsentieren will?
Also ich sage mal so: Die Mannschaft von vornherein abzuschreiben, das würde ich niemandem raten. Sie wird jung und hungrig sein. Und ich habe auch für die Jungs keine Angst vor der Liga. Das Schöne ist, sie können, sie müssen aber nicht. Ich habe sie aufsteigen lassen, weil ich einfach gesagt habe, wenn sie es schaffen, sollen sie es auch machen. Genauso wäre ein Abstieg kein Beinbruch. Aber das wird sich im nächsten halben Jahr zeigen, wie sie sich entwickeln. Aber wir haben auf jeden Fall sehr viel Talent in unseren eigenen Reihen.
Was braucht es, dass es nicht bei einer einzigen Bundesliga-Saison in Potsdam bleibt?
Das sind für mich drei Dinge: Leidenschaft, Herz und eine Portion Glück.
Interview: Maximilian Schmidt