14.12.2024, 17:30
Neuauflage von 2022 zu Hergeirssons Abschied
Dänemark ist nach langer Durststrecke seit 2021 wieder ein Medaillenkandidat. Auf die EM-Goldmedaille ist aber fast immer Norwegen abonniert. Am Sonntag um 18 Uhr kämpfen die beiden Teams aus Nordeuropa nun - wie 2022 - um den EM-Titel. Für Norwegens Trainer Thorir Hergeirsson wäre es die letzte Großtat seiner Ära.
Aus Wien berichtet Felix Buß
Dänemark ist mit einem kompakten, teils grenzwertig rustikalen Abwehrspiel ins Finale dieser Europameisterschaft vorgestoßen. "Die Defensive wird wichtig sein", hob Norwegens Thale Rushfeldt Deila am Samstag daher wie erwartet hervor. "Sie haben das im Halbfinale gut gemacht, daher wird es wichtig sein, schnell zu laufen und physisch stark zu sein. Wir müssen mit gleicher Münze zurückzahlen."
Die zehnte EM-Goldmedaille würde für Kari Brattset Dale, die vor acht Jahren für Norwegen debütierte, "alles" bedeuten. Die Titelflut zeugt von der großen Erfahrung, die das Team in den 15 Jahren mit Trainer Thorir Hergeirsson, der damals Marit Breivik (1994-2009) nachfolgte, mit großer Beharrlichkeit angehäuft hat. "Dafür sind wir hier: Wir wollen den Traum wahr werden lassen."
Die Norwegerinnen haben bei der EURO 2024 ihr Angriffsspiel umgebaut - nach dem Rücktritt von Stine Oftedal mit Olympiagold im Sommer und wegen der Schwangerschaft von Nora Mørk. "Wir haben hier junge Spielerinnen dabei, die vorangehen und es ist schön zu sehen, dass sie die Verantwortung übernehmen", sagte Emilie Hovden - und meint Thale Deila und Henny Reistadt, 24 und 25 Jahre alt.
Reistad ist seit ihrem Debüt im Nationalteam im Jahr 2018 in den Medien zu einem Superstar avanciert. Bei dieser EM zeigte sie als Nachfolgerin von Oftedal recht stabile Leistungen, leistete sich aber in der Hauptrunde gegen Dänemark acht Fehlwürfe. Deilas Trefferquote war da stabiler. Neben den beiden ist nur die wenig eingesetzte Kreisläuferin Ane Høgseth unter 26 Jahre alt. Viele Routiniers sind noch da.
Auch Henny Reistad kann schon auf über 100 Länderspiele verweisen. Insgesamt verfügt der norwegische Halbfinal-Kader laut EHF-Statistik über die Erfahrung von 2.103 Partien im Nationaldress. Bei Dänemark sind es 1.463, darunter zahlreiche Duelle mit Norwegen. Wie Frankreich und Ungarn im Spiel um Bronze sind beide Teams in der Hauptrunde schon aufeinandergetroffen - und Norwegen gewann.
"Wir haben das Spiel verloren und wollten definitiv eine Chance auf Revanche bekommen, am liebsten im Endspiel", äußerte sich Dänemarks Kaja Kamp am Samstag keck. Die 29 Jahre alte Kreisläuferin ist eine der Spielerinnen im Kader von Jesper Jensen, deren Stern bei diesem Turnier aufgegangen ist. "Wir freuen uns enorm auf dieses Spiel." Dass das EM-Finale 2022 verloren ging, spielt keine Rolle mehr.
Auch Kamp hob die Abwehr als Schlüssel zur Goldmedaille hervor. "Und der Rückzug. Ich denke, wir haben einiges aus dem Spiel gegen sie zu Beginn der Hauptrunde gelernt." Und die erkrankte Mie Højlund war rechtzeitig zum Halbfinale wieder zurück. "Es ist eine große Erleichterung, ein paar Minuten in den Beinen und das Gefühl zu haben, dass ich wieder auf der Höhe bin", fand die spielstarke Spielmacherin.
Und hinter der möglichst soliden Abwehr kommt es auf die Torleute an. Norwegen setzt bei diesem Turnier noch auf die 44-jährige Katrine Lunde und die 34-jährige Silje Solberg-Østhassel. Bei Dänemark avancierte derweil die 24-jährige Anna Kristensen zum Star zwischen den Pfosten, schon bevor Althea Reinhardt verletzt abreiste. "Wow, was für ein Turnier sie spielt, ich bin stolz auf sie", erklärte Kaja Kamp.
"Natürlich haben diese Duelle eine große Geschichte", äußerte sich Kristina Jørgensen. "Und jedes Finale hat ein Eigenleben. Wir haben in den letzten fünf Jahren viel Erfahrung gewonnen. Wir müssen uns zusammenraufen und uns an den Plan halten", hob die 26-Jährige hervor. "Es gibt keine Geheimnisse zwischen diesen beiden Teams. Wir werden von beiden eine gute Abwehr und Konterhandball sehen."
Für einen Menschen an der Seitenlinie ist es das letzte dieser Duelle: Thorir Hergeirsson. Was er nach dem Abpfiff machen wird, darüber sei dann nachzudenken - vielleicht wandern. Und er könne sich vorstellen, Länderspiele zu sehen - als Zuschauer. Vielleicht in Begleitung mehrerer Spielerinnen, die den Weg mit dem Isländer zu Ende gehen wollten - und sich nach dieser EM ebenfalls verabschieden werden.
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