17.12.2024, 07:55
Nächste Weltmeisterschaften in Deutschland 2025 und 2032
Bei der Handball-EM der Frauen belegten die deutschen Handballerinnen den siebten Platz. So ähnlich schnitt die DHB-Auswahl zuletzt häufig ab. Rang sechs galt bei der EM 2016 als erster Lichtblick, der große Wurf ist aber seither nicht gelungen. Was ist daraus für die WM 2025 und 2032 in Deutschland abzuleiten? Was planen die DHB-Verantwortlichen?
Aus Wien berichtet Felix Buß
Die Handball-EM der Frauen 2024 ist zu Ende. Sie wurde in der Schweiz, in Österreich und in Ungarn ausgetragen. Die Schweizerinnen erreichten erstmals die Hauptrunde. Dort wurde im Anschluss an die Olympischen Spiele 2020 eine Handball-Akademie der Frauen gegründet und seither an dem Ziel gearbeitet, den Anschluss an die besten zwölf Nationen Europas zu schaffen.
Das ist der Schweiz - trotz der Corona-Pandemie, die mit ihrer disruptiven Wirkung vieles erschwert hat - gelungen. Die Ungarinnen schafften sogar noch Größeres, sie errangen mit Bronze die erste Medaille seit 2012. Sicher auch befeuert durch die Unterstützung der Fans, aber auch wegen einer, wie in der Schweiz, konsequenten Investition in den Nachwuchs, wurde ein neues Level erreicht.
In Deutschland ist das Handball-Nationalteam der Frauen derweil weiterhin auf der Suche danach, wie der entscheidende Schritt gemacht werden kann. DHB-Präsident Andreas Michelmann sprach bei einer Pressekonferenz am Mittwoch von "zwanzig Jahren Nicht-Entwicklung im Deutschen Handballbund" und sagte: "Wir müssen endlich die Strukturen schaffen, um wieder in der Weltspitze mitzuhalten."
Dieses Unterfangen solle 2025 intensiviert werden. Für die Weltmeisterschaft im Dezember 2025 in Deutschland und den Niederlanden kommt dies vermutlich zu spät. Der Fokus dieser Ankündigung des Deutschen Handballbundes liegt daher voraussichtlich auf Olympia 2028 sowie vor allem der WM des Jahres 2032, die in Deutschland, Dänemark und Polen stattfinden wird - und auf den Olympischen Spielen kurz zuvor in Brisbane / Australien.
Bis dahin ist das DHB-Team um Bundestrainer Markus Gaugisch, der zum Februar 2025 seinen Co-Trainer Jochen Beppler verliert, vor allem auf sich gestellt - und investiert laut ihm einiges. Die DHB-Spielerinnen "haben individuelle Pläne" und seien "sehr wissbegierig und trainingsfleißig". Die Athletik-Ausbildung in Norwegen, dem Parade-Land des Frauenhandballs, umfasse aber - jeweils altersgerecht - viele Jahre.
Kurz: Gaugisch fordert im Mädchenhandball "eine Entwicklung zum Leistungssport: Wir sprechen von Wiederholungszahlen, die in Deutschland im Jugendbereich nicht flächendeckend schon so sind." In Norwegen gebe es eine Kultur, dass "der Sport einen sehr hohen Stellenwert hat, dass die Jugendlichen dort das Ziel haben, die Besten zu sein" - und sie finden entsprechende Bedingungen vor.
"Ich glaube, das sind normale leistungssportliche Gesetze, denen wir folgen müssen", so Gaugisch. Das sei aber nicht die erste Baustelle des Bundestrainers. Die Frage laute: "Wie arbeiten wir an unserer eigenen Leistung aufgrund der Rückmeldung, die das Trainerteam gibt?" Zentral sei dabei, dass "wir aus unserer Komfortzone rausgehen und an unseren Schwachstellen arbeiten" - ohne die Stärken einzubüßen.
In dieser Gemenge-Lage ist das DHB-Team nun einmal mehr bei einem Turnier auf Rang sieben eingelaufen. Der Abstand zu den Teams "hinter uns" sei vergrößert worden, konstatiert Gaugisch, man besiege diese Gegner inzwischen regelmäßig. Die jüngsten Spielerinnen Viola Leuchter und Nina Engel, lobte Gaugisch für ihr bereits vorhandenes Repertoire, die 28-jährige Jenny Behrend für ihre Fortschritte.
"Ich glaube, es liebt in einer DNA eines Sportlers, einer Sportlerin zu sagen, wir wollen uns steigern", betonte Ingo Meckes, seit September neuer DHB-Sportvorstand. "Ungarn hat mit seiner Akademie-Kultur den Anschluss an die Weltspitze wieder geschafft", lobte der 47-Jährige den EM-Dritten. Der Nachwuchs bildete dabei, "mit Top 3 und Top 2-Platzierungen in jedem Turnier" die Grundlage.
"Ich habe mir angewöhnt, immer in Acht-Jahres-Rhythmen zu denken", so Meckes. "Spielerinnen kommen mit 15, 16 Jahren in die Akademie oder an den Bundesstützpunkt, sind sie 23 oder 24 Jahre alt, wenn sie ihr maximales Leistungsvermögen erreichen", rechnet er mit seiner Erfahrung im Schweizer Verband vor. "Unsere Zielstellung ist der Anschluss an die Weltspitze, das erfordert Zeit und Erfahrung."
Meckes ist verantwortlich für die langfristige Perspektive. Kurzfristig sei es wichtig, dass "die Spielerinnen den einen oder anderen Schritt machen, weil die müssen auch besser werden, wenn wir als Mannschaft besser werden wollen", so Meckes. "Ich glaube, es gibt nichts Schöneres, als bei einer WM im eigenen Land absolut konkurrenzfähig zu sein. Da wollen wir eingreifen", hat er kurzfristige Aktivitäten im Sinn.
"Dass wir rund um die Mannschaft eine feste Kultur entwickeln, wie es zum Beispiel in Norwegen hat. Wir sind im selben Hotel wie sie und sehen: Da ist im Prinzip jeder Schritt vorgeplant, den sie machen müssen, alles durchorganisiert. Jede Spielerin weiß, was Sache ist. Das ist ein Punkt, den wir verbessern können", blickte Meckes auf ein Detail, das sehr wohl eine Grundlage des sportlichen Erfolgs sein kann.
"Ich glaube, dass wir in diesem Jahr unser Repertoire erweitert haben", betonte Markus Gaugisch, auch mit dem "Golden League"-Oktober-Lehrgang mit Tests gegen Norwegen, Dänemark und die Niederlande. Die EM-Duelle mit diesen Gegnern EM müssten - schon wegen der klaren Niederlagen - mindestens ebenso lehrreich gewesen sein, denn genau das bewirkt die ersehnten Schritte vorwärts."
"Was uns zu den Spitzenteams vielleicht fehlt, sind Individualtechnik und Invidualtaktik", betont Ingo Meckes. "Dafür sind die in Zukunft die Bundesstützpunkte da, um sich von Jugend an bestmöglich und ganzheitlich zu entwickeln. Das ist unser Ansatz, darüber den Anschluss an die Weltspitze zu schaffen. Die Physis ist hingegen jetzt schon super." Fehlende Power sei im aktuellen DHB-Team nicht das Problem.
Der Blick in die EM-Statistik liefert dazu ein differenziertes Bild: Gegen Ende der Spielzeit wuchs der Rückstand gegen die Topteams meist enorm. Die Wurfquote der Feldspielerinnen lag dabei im Rahmen des Üblichen, die Effizienz der Angriffe gab aber Anlass zu Kritik. Bei der Kooperation zwischen Abwehr und Torhüterinnen fällt als Extremwert ins Auge, dass nur vier von 43 Durchbrüchen pariert wurden.
Meckes haut mit "Individualtechnik und Individualtaktik" in die gleiche Kerbe wie Gaugisch, der am Mittwoch sagte: "Langfristig soll es so sein, dass es ein Players-Game wird, kein Coaches-Game." Das ist ein weiterer Punkt, der die Norwegerinnen so stark macht. Die Goldmedaillen-Sammlerinnen lernen, so Katrine Lunde, innerhalb der Spielzeit. Ihr Entscheidungsverhalten ist auch deswegen überlegen.
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