29.07.2024, 20:30
Präzision ist Trumpf beim zweiten Sieg
Vor fast 8.000 Zuschauern trafen am Montagabend in der Gruppe B Ausrichter Frankreich und der EM-Neunte Norwegen aufeinander. In den ersten 25 Minuten war dabei ein Totalausfall der Equipe Tricolore zu sehen. Die Skandinavier glänzten und verhinderten nervenstark bis zum Ende, dass Frankreich ins Spiel fand - ein wichtiger Erfolg für Norwegen und eine Niederlage, die Frankreich unter Druck setzt.
Für Norwegen war es nach dem erwartet souveränen Auftaktspiel gegen Argentinien die erste Standortbestimmung, für Frankreich bestand die Chance, die Scharte der Auftaktniederlage gegen Dänemark auszuwetzen, wenngleich deren Bedeutung im Nachgang medienwirksam heruntergespielt wurde. Vor frenetischem Publikum sollte im zweiten Spiel der erste Vorrundensieg eingefahren und das Thema Startprobleme vom Tisch gewischt werden.
Sander Sagosen eröffnete das Spiel mit dem ersten Treffer, nach einer Parade von Kristian Sæverås, der den Wurf von Dika Mem pariert hatte. Beide Teams spielten mit hoher Geschwindigkeit, einige Härte sowie eine große Agilität und Kompaktheit in der Deckung verhinderte jedoch Durchbrüche. Immer wieder waren zudem ungenaue Zuspiele und Ballgewinne zu verzeichnen - Tore jedoch zunächst kaum. Und das auf beiden Seiten.
In der achten Spielminuten waren beim Stand von 2:2 erst vier Treffer gefallen, die Angriffsreihen taten sich noch schwer. Einzelaktionen waren nicht der Schlüssel, wie Remilis von Sæverås parierter Wurf einmal mehr belegte. Norwegen fand danach ins Spiel, konnte das 6:2 (12.) geschickt herausspielen. Alexandre Blonz, Tobias Grøndahl und Bjørnsen brachten das Spielgerät unter, während die Auszeit der Franzosen immer näherrückte.
Der Vier-Tore-Rückstand rief Guillaume Gille schließlich auf den Plan. Die norwegische Abwehr agierte bisher brillant, der "Grande Nation" fehlten Lösungen. Yanis Lenne beendete die siebenminütige Torflaute direkt nach der Unterbrechung und hinten ließ Vincent Gerard seine dritte Parade notieren. Sæverås hatte ebenso oft pariert, allerdings kam auch nur fünf Mal der Ball in seine Richtung - und nicht neun Mal wie auf der Gegenseite.
Die Skandinavier blieben auch in der Folge präzise und zelebrierten die Schnelle Mitte. Norwegen baute beim 9:4 (18.) von Bjørnsen den Vorsprung noch aus. Frankreich kam hingegen nicht in Tritt: Die gesamte Spielanlage behäbig, die Anspiele oft ungenau, die Würfe wirkten überhastet. Prandis 7:11 (22.) verschaffte nur kurzzeitig Linderung. Die Miene von Guillaume Gille blieb finster, als Bjørnsen das 14:7 besorgte.
Gille buzzerte angesichts des Sieben-Tore-Rückstands bereits im ersten Abschnitt die zweite Auszeit herbei und forderte Verantwortung für den Ball. Frankreich fehlte diese präzise Abstimmung, die Norwegen bisher nahezu in Perfektion zeigte. Der Empty-Net-Treffer von Fabregas war beim 11:15 dann ein erster Lichtblick, ein zweiter die Abwehr, die mehr herausrückte und dadurch Norwegen ab der 26. Minute besser unter Kontrolle brachte. Frankreich kam nach dem 8:15 bis zum Seitenwechsel auf 11:16 heran.
Norwegen hatte den 3:0-Lauf der Franzosen gestoppt und einen Fünf-Tore-Vorsprung in die Pause gerettet, die Sirene schien für sie zum richtigen Zeitpunkt ertönt zu sein. Diesen Eindruck konnte Norwegen nach Wiederbeginn bestätigten, beim 20:15 betrug der Abstand weiterhin fünf Tore.
Sie zeigten sich nervenstark und gaben Antworten auf die Auftakt-Show von Dika Mem, der vier seiner Treffer nach der Pause bis zum 15:18 erzielte und sein Team mitreißen wollte. Die Schnelle Mitte blieb auch in der Folge das taktische Mittel der Wahl für die Skandinavier, während Frankreich anscheinend auf aufkommende Müdigkeit und Fehler bei der Sieben von Jonas Wille wartete.
Diese mehrten sich tatsächlich nach eine Dreiviertelstunde, doch "Les Bleus", bei denen Nikola Karabatic mit Licht und Schatten agierte, machten bis zu diesem Zeitpunkt überraschend wenig daraus. Dennoch herrschte Hoffnung auf der Tribüne: Dika Mem traf beim 18:21 zum neunten Mal - und noch waren gut zwölf Minuten Zeit für die Wende - mit dem gewohnten Selbstbewusstsein keine schwierige Gesamtlage.
Doch Sagosen holte die Fünf-Tore-Führung postwendend zurück und Norwegen hatte auch in der Folge Antworten: Die Situation verschlimmerte sich aus Sicht der Franzosen, da sich Prandi zwei Würfe nahm und scheiterte. Die französischen Superstars - außer Mem - stachen heute nicht. Auf der Gegenseite setzte Reinkind das 25:19, Sæverås parierte einen zweiten Siebenmeter und Norwegen hielt Kurs zum 27:22, dem ersten Sieg über Frankreich seit dem Olympischen Handball-Turnier in Tokio vor drei Jahren.
Frankreich: Gerard (10 Paraden), Desbonnet; Mem 10, Fabregas 3, Lenne 2, Prandi 2, Descat 2/1, Remili 1, L. Karabatic 1, Nahi 1, Richardson, N. Karabatic, Porte, Konan
Norwegen: Saeveraas (11/2 Paraden), Bergerud; Blonz 7/4, Gröndahl 5, Lyse 5, Björnsen 3, Reinkind 3, Sagosen 2, Överby 1, Gullerud 1, Aga, Barthold, O´Sullivan, Setterblom
Schiedsrichter: Garcia / Lorente (ESP)
Strafminuten: 2/4
Siebenmeter: 1/3 ; 4/4
Felix Buß