Helge Käding und Holger Strohmeyer bei einem Vortrag auf dem Praxis-Forum Handball
Quelle: atz Die Corona-Krise trifft auch Handballclubs, Spieler, Trainer und sonstige Angestellte der Vereine hart. Ein aktueller rechtlicher "Brennpunkt" ist das Thema Kurzarbeit bzw. Kurzarbeitergeld. Holger Strohmeyer, Fachanwalt für Sozialrecht und Rechtsanwalt Helge-Olaf Käding, Experte für Handballrecht geben einen Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten aus diesem Themenbereich - am Beispiel des Sports und insbesondere des Handballs aber in großen Teilen auch übertragbar auf andere Berufsfelder. Es handelt sich dabei um eine grundsätzliche Information für die keine Haftung übernommen werden kann. "Jeder Fall liegt anders und bedarf der Einzelfallüberprüfung, insbesondere weil vorliegend oftmals rechtliches Neuland betreten wird und es an entsprechender Rechtsprechung fehlt", so die Verfasser, die für Rückfragen von Spielern und Vereinen kontaktiert werden können - Informationen finden sich dazu am Ende des Beitrags.1. Kann mein Verein einseitig Kurzarbeitergeld beantragen?
Nein, hierzu bedarf es einer entsprechenden Klausel im Arbeitsvertrag. Ansonsten muss die Beantragung zwischen den Parteien durch Vertragsergänzung vereinbart worden sein. Das muss nicht zwingend schriftlich erfolgen und kann auch in der kommentarlosen Hinnahme der Ankündigung anlässlich einer Mannschaftszusammenkunft geschehen. Wir raten aber dringend dazu, die Vereinbarung schriftlich auszugestalten.
2. Wie hoch ist mein Kurzarbeitergeld?
Das Kurzarbeitergeld beträgt nach dem allgemeinen Leistungssatz 60% der Nettoentgeltdifferenz des Monats, in dem die Arbeit ausgefallen ist. Sofern der Spieler über einen auf der elektronischen Lohnsteuerkarte eingetragenen Kinderfreibetrag (mind. 0,5) verfügt, profitiert dieser von einem erhöhten Leistungssatz von 67%.
Die Deckelung erfolgt durch die Beitragsbemessungsgrenze. Derzeit beträgt die Beitragsbemessungsgrenze 6.900 Euro (Ost: 6.450 Euro), sodass das Kurzarbeitergeld 2020 eine Summe von 4.623,00 Euro (67%) (Ost: 4.321,50 Euro) nicht überschreiten kann. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Verein durch Zuschuss die entstehende Lücke dem vertraglich vereinbaren Gehalt (teilweise) schließt.
3. Wie hoch ist das Arbeitslosengeld nach dem Bezug von Kurzarbeitergeld?
Das Arbeitslosengeld beträgt bei Kinderlosen etwa 60 Prozent des bisherigen Netto-Einkommens, bei Arbeitslosen mit Kindern sind es 67 Prozent. Gem. § 151 SGB III wird bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes das Kurzarbeitergeld nicht eingerechnet, sondern man geht vom Gehalt vor der Kurzarbeit (bis zur Beitragsbemessungsgrenze) aus.
4. Wird bei der Berechnung auch meine Übungsleiterpauschale berücksichtigt?
Nein, denn es handelt sich hierbei nicht um Entgelt aus diesem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Oftmals ist die Übungsleitertätigkeit mit dem Hauptverein vereinbart, während das Hauptarbeitsverhältnis mit dem wirtschaftlichen Träger des Vereins besteht. Wenn der wirtschaftliche Träger in Kurzarbeit geht, ist die Tätigkeit beim Hauptverein davon nicht betroffen. Dies gilt auch, falls beim Hauptverein ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (?Minijob?) neben dem Hauptjob beim wirtschaftlichen Träger besteht.
5. Für wen gilt der Anspruch auf Kurzarbeitergeld?
Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben alle ungekündigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch die Kurzarbeit einen Gehaltsausfall von über 10 Prozent haben und weiterhin versicherungspflichtig beschäftigt sind. Ist die sogenannte Erheblichkeitsschwelle erreicht (mind. 1/3 der Belegschaft hat einen Arbeitsausfall von über 10 Prozent) können auch ungekündigte, versicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Gehaltsausfall 10 Prozent oder weniger beträgt, Kurzarbeitergeld erhalten. Befristet bis zum 31.12.2020 ist die Erheblichkeitsschwelle von einem Drittel auf zehn Prozent der Belegschaft abgesenkt. (Auszug BMAS)
6. Darf ich hinzuverdienen oder mir einen neuen Minijob suchen?
Wenn die Nebentätigkeit schon vor Beginn der Kurzarbeit durchgeführt wurde, ergeben sich keine Auswirkungen, erfolgt also keine Anrechnung auf das Kurzarbeitergeld. Nehmen Beschäftigte während des Bezugs von Kurzarbeitergeld eine Nebentätigkeit auf, wird das daraus erzielte Entgelt auf das Kurzarbeitergeld angerechnet, denn es liegt eine Erhöhung des tatsächlichen erzielten Entgelts vor.
7. Kann der Arbeitgeber freiwillig zum Kurzarbeitergeld aufstocken?
Vom Arbeitgeber gezahlte Aufstockungsbeträge oder Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld werden bei der Berechnung des
Kurzarbeitergeldes nicht berücksichtigt. Sie vermindern nicht das Kurzarbeitergeld, soweit noch ein Entgeltausfall gegeben ist. Hier besteht also eine Verhandlungsposition für die Beteiligten, auch und gerade unter dem Gesichtspunkt mancher "Fummelverträge"
und damit einhergehenden zusätzlichen Zahlungen.
8. Ich bin Werkstudenten oder geringfügig Beschäftigter
Kurzarbeitergeld wird nur an sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gezahlt. Damit besteht kein Anspruch für geringfügig Beschäftigte ("Minijob"). Bei Werkstudenten ist eine Einzelbetrachtung unter dem Stichwort "Werkstudentenprivileg" vorzunehmen.
Dabei ist für jeden Einzelfall zu prüfen, ob Zeit und Arbeitskraft des Studenten noch überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen werden. Hierbei wird geschaut, ob und in welchem Umfang der Spieler parallel zum Studium der "Tätigkeit" nachgeht, zum Beispiel ob das überwiegend am Wochenende und oder den Abendstunden geschieht.
Die Spitzenorganisationen der Krankenkassen haben sich hierbei von der früheren strikten 20 Stunden-Regelung gelöst. Vom Erscheinungsbild eines Studenten ist nicht mehr auszugehen, wenn eine Beschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 20 Stunden ohne zeitliche Befristung ausgeübt wird. In diesen Fällen tritt die Zugehörigkeit zum Kreis der Beschäftigten in den Vordergrund. Das Werkstudentenprivileg kann nicht mehr angewendet werden, was zur Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung führt. Der klassische Werkstudent unterfällt somit nicht der Sozialversicherungspflicht und erhält kein Kurzarbeitergeld. Hier ist also mit dem Verein individuell eine Lösung, ggf. durch Gehaltsstundungen, zu besprechen.
9. Was gilt für Auszubildende?
Auszubildende dürfen nicht in Kurzarbeit.
10. Habe ich während der Kurzarbeit den identischen Versicherungsschutz?
Ja, während des Bezuges von Kurzarbeitergeld besteht der volle Schutz der Sozialversicherung für den Spieler und dessen ggf. in der Krankenversicherung mitversicherten Familienmitglieder.
11. Kann mein Verein mir kündigen?
Hierzu bedürfte es zunächst bei einem befristeten Spielervertrag einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Klausel die ein ordentliches Kündigungsrecht vor Ablauf des Befristungszeitraums vorsieht. Das ist in den meisten uns bekannten Spielerverträgen nicht der Fall.
Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund besteht unabhängig davon. Allerdings hat der Arbeitgeber das
Wirtschaftsrisiko und muss immer zur Abfederung das mildeste Mittel, also zum Beispiel Kurzarbeitergeld, wählen. Ob bei der Weigerung eines Spielers zur Unterzeichnung einer Zustimmungserklärung der Verein zur fristlosen Kündigung - ggf. ohne Auslauffrist - berechtigt wäre ist grundsätzlich äußerst zweifelhaft. Obschon es Vereine gibt, die unverhohlen mit der (wohl unwirksamen) fristlosen Kündigung drohen, hier der Rat, sich zusammensetzen und eine beiderseits vernünftige Lösung zu finden.
12. Ich beziehe Verletztengeld durch die BG
Die Beantragung von Kurzarbeitergeld hat auf den Bezug des Verletztengeldes keinen Einfluss. Es wird weiter in bisheriger Höhe gezahlt. Auch wenn man direkt vor der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit Leistungen wie zum Beispiel Arbeitslosengeld I
oder II, Kurzarbeitergeld bezogen hast, kann ebenfalls Verletztengeld bzeogen werden, wenn die Bedingungen gegeben sind.
13. Ich beziehe Krankengeld von der Krankenkasse
Die Beantragung des Kurzarbeitergeldes durch den Verein für die anderen Spieler hat keine Auswirkung auf das bisher schon gewährte Krankengeld.
14. Ich erhalte noch Entgeltfortzahlung durch den Verein aufgrund einer nicht verletzungsbedingten (bg-lichen) Erkrankung
Der Entgeltfortzahlungsanspruch besteht ab dem Zeitpunkt, ab dem im Verein verkürzt gearbeitet wird, nur noch für die verkürzte Arbeitszeit (§ 4 Abs. 3 EFZG). Für die kurzarbeitsbedingten Ausfallstunden erhält der Spieler bis zum Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums ein Krankengeld in Höhe des Kurzarbeitergelds (§ 47b Abs. 4 SGB V), das er erhalten würde, wenn er nicht arbeitsunfähig wäre. Der Arbeitgeber hat das Krankengeld kostenlos zu errechnen und auszuzahlen. Das ausgezahlte Krankengeld wird ihm dann von der zuständigen Krankenkasse auf Antrag erstattet. Für die Zahlung der Beiträge aus dem Krankengeld, sowie für die Entgeltmeldung aufgrund des Krankengelds, ist stets die jeweilige Krankenkasse zuständig.
15. Krankheit während Kurzarbeit
Hier ist zu unterscheiden, ob überhaupt noch trainiert/gearbeitet wird, also in welchem Umfang eine Reduzierung der Arbeitszeit erfolgt ist, in welchen Zeitraum die Krankheit fällt und ob noch ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht.
16. Muss der Geschäftsführer Insolvenz über das Vermögen der Spiel GmbH anmelden
Aufgrund der Corona-Krise plant die Bundesregierung, die Insolvenzantragspflicht in bestimmten Fällen zu lockern. In einer
Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums vom 16. März 2020 heißt es: "[...] Um zu vermeiden, dass betroffene Unternehmen allein deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil die Bearbeitung von Anträgen auf öffentliche Hilfen bzw. Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen in der außergewöhnlichen aktuellen Lage nicht innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht abgeschlossen werden können, soll daher durch eine gesetzliche Regelung für einen Zeitraum bis zum 30.09.2020 die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt werden. Voraussetzung für die Aussetzung soll sein, dass der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der Corona-Epidemie beruht und dass aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung bestehen. Darüber hinaus soll eine Verordnungsermächtigung für das BMJV für eine Verlängerung der Maßnahme höchstens bis zum 31.03.2021 vorgeschlagen werden."
Bis diese Gesetzesänderung in Kraft getreten ist, gilt die aktuelle Gesetzeslage (Antragspflicht innerhalb von drei Wochen z.B. bei Zahlungsunfähigkeit). Ebenso, wenn der in Rede stehende Insolvenzgrund nicht von der o.g. Ausnahme gedeckt ist.
17. Kann die Kurzarbeit bei Profivereinen "auf Null" gesetzt werden?
Juristisches Neuland, da es solche Fälle in der Vergangenheit noch nicht gegeben hat. Es erscheint allerdings aus Sicht eines neutralen Dritten unrealistisch und lebensfremd, wenn Spielerinnen und Spieler während der behördlich angeordneten
Spiel- und Mannschaftstrainingspause keine Trainingspläne übermittelt bekommen bzw. nach diesen vermeintlich "privat" trainieren.Das Absolvieren solcher Trainingspläne (z.B. individueller Waldlauf) könnten mit sehr guten Argumenten analog zum "Home-Office" als Arbeitszeit zu werten sein, zumindest in denjenigen Ligen, die nur unterbrochen sind.
Erst recht, wenn das Einhalten der Pläne z.B. durch Tests oder Versicherungen kontrolliert werden. Schließlich ist es auch im Interesse des Arbeitgebers, wenn die Sportler nach einer Beendigung des Wettkampfverbots sofort fit sind. Bis es eine andere belastbare Verlautbarung oder Regelung der VBG gibt, dürfte in diesen Fällen auch kein Versicherungsschutz der BG bestehen, wenn sich ein Spieler z.B. beim (vermeintlich privaten) Waldlauf den Fuß bricht. An dieser Stelle ist jedenfalls zur Vorsicht zu raten!
Für die o.g., nicht abschließenden Hinweise wird trotz aller angewandten Sorgfalt keinerlei Haftung übernommen. Jeder Fall liegt anders und bedarf der Einzelfallüberprüfung, insbesondere weil vorliegend oftmals rechtliches Neuland betreten wird und es an entsprechender Rechtsprechung fehlt.
Für Rückfragen oder individuelle Beratung
Holger Strohmeyer
www.himmelmann-pohlmann.de/strohmeyer_holger.html
0231 / 55 70 60 - 31 0178 bzw 62 60 63 8
h.strohmeyer@himmelmann-pohlmann.de
Helge Käding
www.handballrecht.de
0178 - 45 234 64
info@handballrecht.de
» Übersichtsseite zu den Auswirkungen des Coronavirus auf den Handball
Unsere Arbeit unterstützen? Wir suchen
#HandballWeltVerbesserer