10.01.2024, 10:15
DHB-Team trifft im späten Slot auf die Schweiz
Am 10. Januar startet die Heim-Europameisterschaft für Deutschlands Handballer. Das Eröffnungsspiel bestreitet die Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason aber nicht. Das hat Gründe.
Aus Düsseldorf berichtet Maximilian Schmidt
Mit Pauken und Trompeten will der DHB die Handball-Europameisterschaft im eigenen Land (10. bis 28. Januar) starten. Für den Eröffnungsspieltag hat sich der Verband etwas ganz Besonderes einfallen lassen - und sorgt mit einer Kulisse von weit über 50.000 Zuschauern in der Merkur Spiel-Arena in Düsseldorf für einen neuen Handball-Weltrekord. Die Störgeräusche rund um den GDL-Streik schiebt der DHB zur Seite.
Den noch aktuellen Weltrekord für ein Handballspiel hält ein anderes deutsches Fußballstadion: 44.189 Fans sahen am 6. September 2014 die Partie der Rhein-Neckar Löwen gegen den HSV Hamburg beim "Tag des Handballs" in Frankfurt.
Bei einem genaueren Blick auf den 10. Januar fällt allerdings direkt auf, dass das Eröffnungsspiel der EM gar nicht die deutsche Mannschaft austrägt. Stattdessen fällt der Vorhang für das Turnier ab 18 Uhr mit der Begegnung zwischen Rekord-Weltmeister Frankreich und Nordmazedonien. Auf diese beiden Teams trifft die DHB-Auswahl dann im Laufe der Vorrundengruppe A in Berlin.
Es ist eine ganz bewusste Entscheidung, die der DHB mit dem Eröffnungsspieltag traf. "Wir möchten den Fans an diesem Tag zwei Spiele anbieten, wenn sie ins Stadion kommen", sagt der Vorstandsvorsitzende Mark Schober im Gespräch mit dem kicker: "Sie haben solch ein besonderes Erlebnis verdient. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass in Deutschland typischerweise die Fans gerne mehrere Spiele nacheinander anschauen."
Der hauptsächliche Beweggrund, warum der DHB nicht um den durchaus möglichen Einzelslot bei der EHF bat. "Andere Ausrichter bieten auch Einzelspieltickets an, aber wir arbeiten ja auch in der Vorrunde und der Hauptrunde immer mit Tagestickets. Das haben uns die Vorjahre gelehrt", so Schober, der anfügt: "Und das sehen wir auch dieses Jahr wieder, dass die Menschen gerne Tagestickets kaufen, dass sie dann im Regelfall auch zu allen Spielen kommen oder zumindest zu einem Großteil der Spiele. Das war der Grund, das beim Eröffnungsspiel nicht anders zu machen und das zweite Spiel mit dazuzunehmen."
Beim Thema Spielplan sind mit den TV-Sendern, der EHF, deren Vermarkter Infront und dem DHB viele Parteien involviert. "Das ist immer ein Abwägen und ein Suchen nach Lösungen, die aber naturgemäß mit Zielkonflikten verbunden sind: Für die Menschen, die im Stadion sind, könnten die Spiele meistens eher beginnen, für die, die es im Fernsehen sehen wollen, ist natürlich so eine Uhrzeit, wie wir sie jetzt beim Eröffnungsspiel haben, optimal", sagt Schober: "Wir werden nach den Nachrichten einen langen Vorlauf haben, bei dem über Handball gesprochen wird, bei denen kleine andere Informationen über Handball gespielt werden, die für uns wichtig sind."
Mit Blick in die EM-Historie stellt die erste Männer-Europameisterschaft in Deutschland, die 16. insgesamt, ganz und gar keinen Sonderfall dar. Bei den Europameisterschaften 1994 sowie 1998 bis 2004 waren jeweils vier EM-Spiele absolviert, ehe der Gastgeber ins Geschehen eingriff.
Auf die "Spitze" trieben es 2006 ausgerechnet die Schweizer. Ehe der Gastgeber mit 25:29 gegen Slowenien verlor, hatte es bereits sieben EM-Partien gegeben. Das Eröffnungsspiel absolvierte damals übrigens Titelverteidiger Deutschland mit einem packenden 31:31 gegen Spanien. Das einzige Mal in der EM-Geschichte, dass ein Gastgeber auch das erste Spiel eines Heim-Turniers bestritt war 2010: Deutschlands Nachbar Österreich unterlag zum Auftakt Dänemark mit 29:33.
Doch wie ist es eigentlich im Fußball? Ist es da undenkbar, dass eine gastgebende Nation nicht das erste EM-Spiel austrägt? Ein Blick in die Geschichte. Frankreich (1960), Spanien (1964) und Italien (1968) trugen als Ausrichter bei den ersten drei Ausgaben jeweils das Eröffnungsspiel aus. 1972 fanden die Halbfinals erstmals parallel statt - Gastgeber Belgien unterlag dem späteren Europameister Deutschland.
1976 starteten dann erstmals zwei andere Teams eine EM: Das Halbfinale und zugleich Eröffnungsspiel bestritten die Tschechoslowakei und die Niederlande (3:1 n. V.), erst tags darauf stieg Gastgeber Jugoslawien ein. Gleiches galt für die EM 1980, bei der Deutschland triumphierte und Gastgeber Italien erst am zweiten Turniertag auf Spanien traf (0:0).
Eine Trendwende folgte 1984: Erstmals wurde das Eröffnungsspiel als einzige Partie am ersten Turniertag ausgetragen. Das galt auch für die nachfolgenden Turniere 1988, 1992 und 1996. Bei der EM 2000 in Belgien und den Niederlanden starteten die Belgier am 10. Juni gegen Schweden, tags darauf war eines von drei EM-Spielen das der Niederländer gegen Tschechien.
2004 verlor Gastgeber Portugal gegen Griechenland im Eröffnungsspiel, am gleichen Tag startete aber auch Spanien mit einem 1:0 gegen Russland. 2008 trug die Schweiz das Eröffnungsspiel aus, Co-Gastgeber Österreich war tags darauf im Einsatz. Vier Jahre später stieg die Ukraine erst am vierten Turniertag ein, Co-Gastgeber Polen bestritt das Eröffnungsspiel - im Spätspiel am gleichen Tag schlug Russland die Tschechen mit 4:1.
2016 hatte Frankreich mit seinem Eröffnungsspiel gegen Rumänien (2:1) ein Alleinstellungsmerkmal, nach der paneuropäischen EM 2021 hat das im kommenden Sommer auch die DFB-Elf: Am 14. Juni findet lediglich das deutsche Eröffnungsspiel in München gegen Schottland statt.