12.12.2024, 16:02
Erstes Semifinale seit zwölf Jahren
Es ist länger als eine Spielerinnen-Generation her, dass Ungarn zuletzt ins Halbfinale der Europameisterschaft vorgestoßen ist. Bei der Heim-EM gelang dies wieder. Es ist ein Zeichen des gelungenen Neuaufbaus. Auch Norwegen zeigt nach dem Rücktritt von Spielmacherin Stine Oftedal ein neues Gesicht.
Aus Wien berichtet Felix Buß
"Ungarische Teams standen lange nicht im Halbfinale. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir hier sind", sagte Ungarns Trainer Vlagyimir Golovin. "Wir haben das mit den gezeigten Leistungen redlich verdient, denn wir haben umgesetzt, was wir vorhatten. Wir sind uns bewusst, dass wir im Halbfinale auf das beste Team der Welt treffen, aber wir werden alles tun, um es den Entschlossensten schwer zu machen."
Golovin ließ eine Kampfansage an Norwegen folgen. "Wir werden nicht mit erhobenen Händen ins Spiel gehen, auch wenn es noch niemandem gelungen ist, sie zu bezwingen. Wir wollen eine Spitzenleistung bringen und dann sehen wir, wie es sich entwickeln wird." Dabei möchten die Magyarinnen "ohne Stress" in ihr erstes EM-Halbfinale seit 2012 gehen, so der Trainer.
Vlagyimir Golovin fordert von seinen Spielerinnen, kühlen Kopf zu bewahren. "Wir wissen, dass wir auf dem Papier keine Chance haben, aber wir sind dieses Projekt so angegangen, dass wir immer auf das nächste Spiel geachtet und uns darauf konzentriert haben. Wir werden jetzt nicht davon abweichen. Es ist klar, dass wir wieder klug agieren müssen. So weit ich weiß, wird es, wie in Debrecen, ausverkauft sein."
Norwegens scheidender Trainer Thorir Hergeirsson hob derweil hervor, dass Ungarn junge Spielerinnen entwickelt und in das A-Nationalteam geführt habe. "Sie haben in den letzten Jahren große Schritte gemacht, haben ein gutes Team und verdienen es natürlich, im Halbfinale zu stehen", betonte der Isländer. "Das ist keine Überraschung."
Die Vorbereitung des norwegischen Teams falle derweil so aus, wie immer. "Wir respektieren unsere Gegner. Es ist wichtig, ehrlich zu sein und wir haben nach den Olympischen Spielen einige neue Dinge erarbeitet. Wir mussten uns im Angriff neu erfinden", so Hergeirsson, ohne die zurückgetretene Star-Regisseurin Stine Oftedal namentlich zu nennen. "Wir werden so gut wie möglich sein", kündigte er an.
Camilla Herren, die bereits 2006 für Norwegen debütiert und alle Erfolge in der Ära Hergeirsson (seit 2009) miterlebt hat, hob hervor, "mit purer Freude" in dieses Halbfinale zu gehen. "Es ist wichtig, nicht zu viel Druck auf den Schultern zu spüren. Vor ausverkauftem Haus ein Halbfinale zu spielen, ist etwas, was wir lieben. Die Zuschauer verleihen uns Energie. Es wird eine Mischung aus Ernst und Spaß sein."
Bei alledem ist Norwegen aber über die 15 Jahre dauernde Amtszeit von Thorir Hergeirsson hinweg zu einer verschworenen Einheit geworden, auch wenn nach Olympia und wegen Schwangerschaft Stützen nicht in Wien mit dabei sind. "Wir haben eine unbeschwerte Zeit zusammen, unternehmen viele verschiedene Dinge miteinander und reden viel in diesen vier Wochen", beschreibt es Camilla Herrem.
"Hinter uns liegen einige harte Jahre", betonte Ungarns Spielmacherin Petra Vamos zunächst die geleistete Arbeit, um dieses EM-Halbfinale zu erreichen. "Wir sind jung und unerfahren, aber wir spielen mit großem Herz und großer Motivation. Jetzt sieht es so aus, als würde sich das auszahlen", lächelte die 24-Jährige. "Irgendwie scheint sich bei diesem Turnier alles zu fügen."
"Wir haben uns in dieser ganzen Zeit vor allem mental entwickelt", beschrieb Vamos. "Jetzt fühlt es sich so an, als wäre der Gegner egal. Wir sind bereit zu kämpfen und wir sind bereit, unser Bestes zu geben. Daher bin ich neugierig, was im Halbfinale passieren wird." Es sei "etwas Großes" im Halbfinale zu sein. "Aber ich fühle, dass dieses Team bereit für den Erfolg und hungrig darauf ist."
Das ungarische Team habe bei dieser Europameisterschaft davon profitiert, dass das Land mit dem Spielort Debrecen Co-Veranstalter war, auch wenn die Endrunde nicht, wie geplant, in Budapest, sondern in Wien ausgetragen wird, weil sich die Hauptstadt zurückzog. Zuhause zu spielen, sei eine "großartige Erfahrung" gewesen. "Die Fans stehen schon immer hinter uns. Sie geben uns viel Energie."
Die ungarischen Fans dürften im Halbfinale die Wiener Stadthalle zu einem Heimspielort für Ungarn machen. Meldungen von einem ausverkauftem Haus machen die Runde. "Ihr Support bedeutet uns viel. Sie haben uns auch schon unterstützt, als die sportlichen Erfolge ausgeblieben sind", so Vamos. "Wir möchten ihnen in Wien mit sehr guten Leistungen etwas zurückgeben."
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