10.10.2023, 18:30
Die Handball-Kolumne von Füchse-Boss Bob Hanning
Die Handball-Bundesliga rast auf die Länderspielpause zu. In seiner neuen kicker-Kolumne schwärmt Bob Hanning vom Produkt HBL, der MT Melsungen und Überraschungsmannschaft Eisenach.
Es ist Zeit für ein erstes Resümee - und auf den Punkt bringt es sicher: Spannender als jetzt kann es fast nicht zugehen! Fangen wir mit dem ungeschlagenen Spitzenreiter aus Berlin (16:0 Punkte) an. Mir wird keiner böse sein, wenn ich da natürlich etwas parteiisch bin. Was die Mannschaft nach dem kurzfristigen Weggang von Jacob Holm nach Paris und den verletzungsbedingten Ausfällen von Paul Drux und Fabian Wiede leistet, ist schon sensationell. Jung und Alt harmonieren hervorragend.
Ich sehe das Ganze aber realistisch, das haben mich die letzten Wochen auch gelehrt: Diese Liga kann dich in nur sieben Tagen fressen und du in der Krise stecken.
Die MT Melsungen (14:2) macht das, was sie sieben Jahre vorher schon hätte machen können. Sie spielen mit einem Top-Kader jetzt Top-Handball. Sie sind in der Phalanx der großen Teams auch wirklich angekommen. Es macht Spaß, der Mannschaft zuzuschauen. Man spürt einen neuen Teamspirit.
Der SC Magdeburg (13:3) - und da bin ich mir sehr sicher - wird schon bald wieder den Angriff nach oben starten. Sie spielen für mich seit anderthalb Jahren auf einem unglaublich hohen Level. Für mich persönlich ist es derweil auch keine große Überraschung, dass Kiel (8:6) die Abgänge von Niklas Landin und Sander Sagosen nicht so einfach kompensieren kann, dass das auch Zeit braucht. Es wird aber nicht lange dauern, bis der THW wieder oben anklopft. Das gilt auch für die SG Flensburg-Handewitt (8:6), die sich mit neuer Mannschaft, neuem Trainer und neuem Sportdirektor erstmal finden musste.
Blieben von den Top-Teams noch die Rhein-Neckar Löwen (9:5). An einem guten Tag können sie jeden schlagen. Wie im Vorjahr haben die Löwen aber noch nicht die Konstanz für eine ganze Saison. Das zeigt aber auch, wie spannend und eng die Spitze ist. In vier Wochen kann das schon wieder ganz anders aussehen.
Wie schnell es am Ende wirklich geht, zeigt die TSV Hannover-Burgdorf (8:8). Vor zehn Tagen waren sie noch die gehypteste Mannschaft, jetzt sind sie vergleichsweise böse gestürzt. Es sagt ja schon alles über diese Liga aus, wenn der Tabellenvorletzte Wetzlar im Pokal in Kiel gewinnen kann.
Das spricht für unser Produkt - die NBA des Handballs zeigt ihre absolute Ausgeglichenheit. Man hat sogar den Eindruck, dass sich die HBL vergleichbar mit der Premier League auch ohne die Nationalmannschaft zu einem völlig eigenen Produkt entwickelt. Wir sind nicht mehr so abhängig vom Wohl und Wehe des DHB-Teams. Wenngleich es das große Ziel bleiben muss, Liga und Nationalmannschaft in Einklang zu bringen.
Wenn ich mir aber die Torschützenliste der HBL anschaue, findet man mit Julian Köster den ersten deutschen Rückraumspieler auf Platz 20. Da wird schon eine Aufgabe auf Alfred Gislason zukommen. Ich wünsche dem Bundestrainer bei seiner Kadernominierung vor allem Mut für eine Mischung aus U-21-Weltmeistern, etablierten Profis und alten Hasen. Mehr dazu in einer späteren Kolumne in diesem Jahr.
Abschließend würde ich gerne noch meinen Hut vor Aufsteiger Eisenach (7:9) ziehen. Sie sind für mich die Mannschaft der Stunde. Großen Respekt vor allen Verantwortlichen. Mit dem was sie leisten, tun sie dieser Liga richtig gut. Sie sind für mich so etwas wie das St. Pauli des Handballs. Ich schaue mir unglaublich gerne - gerade die Heimspiele - von Eisenach an. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die eine oder andere Mannschaft, die heute noch nicht daran glaubt, absteigen zu können, eher absteigen wird als der ThSV.
Bob Hanning (55) hat die Füchse Berlin von der 2. Liga bis in die Champions League geführt, den DHB in acht Jahren als Vizepräsident auf links gedreht und einen Spiegel-Bestseller (Hanning. Macht. Handball.) geschrieben. In seiner Kolumne analysiert er für den kicker die Geschehnisse rund um Nationalmannschaft und Bundesliga.