11.06.2023, 16:57
Gegenwehr in der Bundesliga wächst gewaltig
Der Rekordmeister hat es schon wieder getan: Der THW Kiel gewinnt zum insgesamt 23. Mal die deutsche Meisterschaft. Die Konkurrenz machte den Zebras bis zuletzt das Leben schwer - richtig ungemütlich wird es für den Titelverteidiger dann wohl nächste Saison.
Am Sonntag räumte der THW mit einem 34:27-Auswärtssieg in Göppingen letzte Restzweifel aus, zum 23. Mal setzten sich die Kieler die Meisterkrone auf. In einer Saison, die sie schon mit einem Ausrufezeichen begonnen hatten: Im nationalen Supercup hatte die Mannschaft von Cheftrainer Filip Jicha den SC Magdeburg Ende August 2022 in die Schranken gewiesen (36:33).
National wie international ließen aber erste Dämpfer nicht lange auf sich warten. Drei der ersten fünf Gruppenspiele in der Champions League verloren die Zebras - und scheiterten letztlich im Viertelfinale an Paris Saint-Germain (27:31, 29:32). In der Bundesliga zeigten die Füchse dem THW im Oktober die Grenzen auf (26:34), Anfang November gewann der TBV Lemgo Lippe erstmals seit 20 Jahren in Kiel (33:32). Doch die Kieler bewiesen wie schon in den letzten Jahren Nehmerqualitäten, ließen sich auch vom dramatischen Pokal-Aus zu Hause gegen Magdeburg (34:35 n.V.) nicht aus der Fassung bringen. Im Liga-Endspurt punktete Jichas Team bemerkenswert konstant.
Auf dem Papier steht der THW Kiel wieder für altbekannte Dominanz. In den letzten vier Jahren holte der deutsche Rekordmeister drei nationale Meisterschaften. Zwischen 2005 und 2015 waren es zehn Titel in elf Saisons. Doch die Gegenwehr in der Handball-Bundesliga, sie wächst wieder - und zwar gewaltig. Bis zum Schluss war dem THW der zuvor amtierende deutsche Meister aus Magdeburg dicht auf den Fersen, am Ende trennten das Spitzenduo lediglich zwei Punkte. Die Füchse Berlin und die Rhein-Neckar Löwen mischten lange oben mit, ehe sie von Schwächephasen jäh ausgebremst wurden.
Doch bereit für den nächsten Angriff auf die Kieler sind die Verfolger allemal: Magdeburg spielte erneut eine bemerkenswert konstante Runde und steht im Gegensatz zum THW im Final Four der Champions League, das am 17. und 18. Juni in Köln ausgetragen wird. Die Rhein-Neckar Löwen trotzten im DHB-Pokal allen Widerständen und übersprangen im Finale auch dank jugendlicher Frische die Hürde Magdeburg. Die Füchse Berlin, die gerne zumindest in der Königsklasse angetreten wären, gewannen 2022/23 die European League.
Und mittendrin in diesem Verfolgerfeld ist natürlich auch die SG Flensburg-Handewitt, die sich früh in der Saison zu viele Ausrutscher geleistet hatte und dann auch noch Cheftrainer Maik Machulla vor die Tür setzte. Mit Nicolej Krickau als Coach und Ljubomir Vranjes als sportlichem Leiter wird das Team von der Förde ab Sommer einen neuen Angriff starten wollen. Die dänischen Weltmeister Simon Pytlick und Lukas Jörgensen dürften für zusätzlichen frischen Wind sorgen.
Der THW muss vor der Saison 2023/24 zudem äußerst schmerzhafte Abgänge verkraften: Welthandballer Niklas Landin schließt sich dem ambitionierten dänischen Projekt in Aalborg an, Sander Sagosen dem norwegischen Projekt in Kolstad. Zudem verlässt Spielmacher Miha Zarabec den Verein in Richtung Plock.
Speziell die Verluste von Landin, der dem THW regelmäßig Spiele mit seinen Paraden rettete, und Sagosen, der an guten Tagen Partien alleine entscheiden konnte, werden nur sehr schwer aufzufangen sein. Olympiasieger Vincent Gerard ist kein adäquater Ersatz für Landin. Vor dem Saisonfinale bestätigten die Kieler jedoch den Kontakt zu Spaniens Nationalkeeper Gonzalo Perez de Vargas, der in die Kategorie Landins fällt, und zeigten sich im Bezug auf eine Verpflichtung optimistisch.
Das Gerüst der Mannschaft um Domagoj Duvnjak, Steffen Weinhold, Niclas Ekberg und Patrick Wiencek kommt in die Jahre, ein größerer Umbruch steht in der Zukunft unweigerlich bevor. Andere Klubs sind da schon einen Schritt weiter - und in der nächsten Saison auch einen vor dem THW?
msc