30.01.2023, 19:37
IHF "trickst" auch beim Finale
Ob Kattowitz, Danzig oder Stockholm: Bei der Handball-Weltmeisterschaft 2023 blieben in den Arenen in Schweden und Polen viele Plätze leer. Das sprang gerade am Finalwochenende in Stockholm ins Auge.
Im für den Handball umgebauten Fußballstadion Tele2 Arena waren bei den beiden deutschen Platzierungsspielen am Freitag und Sonntag jeweils zwei Drittel der 20.000 Plätze unbesetzt. Der DHB hat bereits einen Plan, wie er ähnliche Bilder bei der Heim-Europameisterschaft im Januar 2024 vermeiden will.
Eigentlich war DHB-Präsident Andreas Michelmann am Finaltag der Handball-WM rundum zufrieden. "Sehr gute Gastgeber" seien Polen und Schweden gewesen, lobte der Verbandschef die beiden Ausrichter und hob die Infrastruktur und Gastfreundschaft hervor. Was allerdings steigerungsfähig gewesen sei, das schob der 63-Jährige dann doch noch hinterher, sei "der Besuch bei Spielen gewesen, wo die eigene Mannschaft nicht spielt".
Damit legte Michelmann den Finger in die Wunde: Während die Mannschaften Schwedens und Polens vor vollen Rängen aufliefen, waren die Tribünen bei den anderen Teams oft deutlich spärlicher besetzt. Die sechs deutschen Spiele in Vor- und Hauptrunde im Kattowitzer Spodek (11.016 Plätze) verfolgten durchschnittlich 3.992 Fans.
Auch beim Viertelfinale gegen Frankreich waren in der in Danzig (11.409 Plätze | 5.526 Zuschauer) über die Hälfte der Plätze unbesetzt; in der Tele2 Arena blieben bei den Auftritten gegen Ägypten (3.604) und Norwegen (6.260) jeweils zwei Drittel leer. "Man hat die deutschen Fans immer wieder gehört, aber in so einer riesigen Arena geht es manchmal ein bisschen unter", sagte Shooting-Star Julian Köster vom VfL Gummersbach am Sonntag. "Und es klingt leiser, weil sie verteilt sind."
Der Weltverband IHF konzentrierte sich statt auf die leeren Plätze lieber auf die Rekordzahlen. 20.000 Fans in der Tele2 Arena seien "einfach fantastisch", schwärmte der Däne Per Bertelsen, Vorsitzender der IHF Commission of Organising and Competition. Man habe die Rekordzahlen dreimal in Folge gebrochen, freuten sich auch die schwedischen Ausrichter, die für das Finale zwischen Dänemark und Frankreich - trotz sichtbar leerer Plätze und der Möglichkeit, am Finaltag bis zuletzt online noch Karten zu erwerben - eine Zuschauerzahl von 23.050 Fans vermeldeten.
Dabei ist es - neben den Sorgen aufgrund Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg - zumindest teilweise ein hausgemachtes Problem, dass in der Finalrunde zahlreiche Plätze leer blieben. Das Spielplan-Chaos schreckte Fans ab. So stand 48 Stunden vor dem Halbfinale nicht fest, welche Mannschaft wo spielen würde; hinzu kam ein absurder Trip von Titelverteidiger Dänemark, der nach dem Viertelfinale in Stockholm für das Halbfinale über die Ostsee nach Danzig reisen musste und unmittelbar nach dem Spiel ins Flugzeug stieg, um für das Endspiel zurück in die schwedische Hauptstadt zu fliegen.
"Wir haben einfach versucht, nicht so viel Energie darauf zu verschwenden, sondern den Fokus auf uns zu legen", winkte der frisch gebackene dänische Weltmeister Magnus Landin (THW Kiel) nach dem gewonnenen Finale ab. DHB-Sportvorstand Axel Kromer bezeichnete die Situation als "katastrophal". Nach lautstarker Kritik zeigte sich auch der Weltverband einsichtig. "Wir müssen in diesem Punkt im Interesse aller besser werden", sagte Bertelsen.
Für das nächste Großturnier im Männer-Handball, die EHF EURO 2024 in Deutschland, ist eine ähnliche Irritation ausgeschlossen; der Spielplan gesetzt. Zudem will der DHB die Tribünen bei der Europameisterschaft im eigenen Land (10. bis 28. Januar 2024) nicht nur möglichst gut füllen, er muss das auch. Um die Kosten des Großturniers zu decken, muss der DHB 70 bis 75 Prozent der Tagestickets absetzen.
Der erste Ansatz ist die frühzeitige Setzung von Teams, um den Fans Planungssicherheit zu geben. Norwegen (Qualifikation vorausgesetzt) und Deutschland sollen ihre Vorrunde in Berlin spielen, Kroatien (Qualifikation vorausgesetzt) und Schweden in Mannheim, Dänemark und Island (Qualifikation vorausgesetzt) in München.
"Wir stehen in engem Kontakt mit den Isländern, es gibt eine Direktverbindung von Reykjavik nach München", erläuterte Schober am Sonntag in Stockholm. Man rechne aktuell mit rund 3000 isländischen Anhängern. Außerdem seien "umfangreiche Maßnahmen" zur Bewerbung des Turniers in den kommenden Monaten geplant.
Mit dem Zwischenstand des Ticketverkaufs ist der DHB aktuell zufrieden. Für das Eröffnungsspiel der Heim-EM 2024 in der Düsseldorfer Fußball-Arena wurden bis zum Sonntag bereits 40.000 Tickets verkauft. Auch für Spiele ohne deutsche Beteiligung seien bereits jeweils über 1000 Karten verkauft. "Das ist überraschend und freut uns", sagte Schober. Neben Berlin, Düsseldorf, Mannheim und München wird in Köln und Hamburg gespielt.
Julia Nikoleit