27.01.2023, 09:10
Kuriose Parallele zum DHB-Team
Für die deutsche Nationalmannschaft geht es nach der Viertelfinal-Enttäuschung bei der Handball-WM mit Platzierungsspielen weiter. Die erste hohe Hürde ist Afrikameister Ägypten.
Die erste kuriose Parallele mit der deutschen Mannschaft fällt gleich ins Auge: Auch Ägypten marschierte durch die Handball-WM, träumte bereits von einer Medaille. Doch nach den fünf Siegen aus den ersten fünf Spielen kassierten die Ägypter wie die DHB-Auswahl zwei Niederlagen am Stück, die das Viertelfinal-Aus bedeuteten.
Besonders mit den Ergebnissen in einer freilich machbaren Gruppe ließ der amtierende Afrikameister aufhorchen: Die stolze Handball-Nation Kroatien wurde zum Start ins Turnier auseinandergenommen (31:22), auch Marokko (30:19) und die USA (35:16) räumte Ägypten problemlos aus dem Weg. In der Hauptrunde taten sich die Nordafrikaner deutlich schwerer und mussten sich gegen Belgien (33:28) sowie Bahrain (26:22) strecken.
Wie bei der deutschen Mannschaft war das Viertelfinale nach dem fünften WM-Auftritt eingetütet. Die beiden folgenden Spiele gegen die Schwergewichte Dänemark (25:30) und Schweden (22:26) stellten empfindliche Rückschläge dar. Nun soll es zumindest Platz fünf werden, den auch die DHB-Auswahl als klares neues Ziel ausgegeben hat.
Womöglich ein Vorteil für die Ägypter: Sie spielen die komplette WM ausschließlich in Schweden, der Reisestress hielt sich mit Jönköping (Vorrunde), Malmö (Hauptrunde) und Stockholm (Viertelfinale) in Grenzen. Das DHB-Team hatte bis zum Abschluss der Hauptrunde im polnischen Kattowitz verbringen dürfen, ehe es für die Runde der letzten Acht nach Danzig ging. Am Donnerstag folgte der nächste Flug nach Stockholm.
"Was einen ärgert, ist auch der Spielplan", erklärte Bundestrainer Alfred Gislason im SID-Interview nach dem verlorenen Viertelfinale gegen Frankreich: "Es ist ein Unterschied, ob man einen oder zwei Tage zwischen den Spielen Pause hat. Wir hatten noch den Reisetag in den Knochen, das ist ein großer Faktor. Wir konnten uns nicht richtig auf das Spiel vorbereiten. Es ist schade, so eine WM in zwei verschiedenen Ländern zu spielen." 2025 sind es mit Kroatien, Norwegen und Dänemark dann sogar drei.
Der Isländer wolle deswegen aber keinesfalls "rumjammern". Sein erstes Ziel steht fest: "Wir wollen unbedingt gegen Ägypten gewinnen. Wir müssen uns fokussieren." Gewarnt ist das DHB-Team nicht nur durch die Auftritte des 17-maligen WM-Teilnehmers (seit 1993 16-mal in Folge) bei diesem Turnier.
Das bis dato letzte Aufeinandertreffen bedeutete eine schmerzliche Erfahrung fürs deutsche Team: Im Olympia-Viertelfinale von Tokio am 3. August 2021 setzte sich Ägypten mit 31:26 durch, verlor anschließend aber das Halbfinale gegen Frankreich (23:27) sowie das Bronze-Match gegen die Spanier (31:33).
Womöglich ein weiterer Vorteil für Ägypten, das zwischen 1991 und 2022 achtmal die Afrikameisterschaft für sich beanspruchte, ist der Trainer: Roberto Garcia Parrondo trainiert seit Ende September 2021 parallel zur Nationalmannschaft den Bundesligisten MT Melsungen. Der einstige Weltklasse-Rechtsaußen (87 A-Länderspiele für Spanien) muss sich in seinem Berufsalltag regelmäßig auf einen Großteil des deutschen Kaders intensiv vorbereiten.
Der Weltmeister von 2013 ist mit allen Wassern gewaschen und weiß, wie Erfolg geht: Er ist neben Talant Dujshebaev und Filip Jicha der erst Dritte in der Historie des Handballs, der die Champions League als Spieler (2008, 2009 mit Ciudad Real) und als Trainer (2019 mit Vardar Skopje) gewann.
Vor Ägyptens Rekordtorschützen Ahmed El-Ahmar (1496 Länderspieltreffer, 38 Jahre alt, nicht im Kader), der 2015 für ein halbes Jahr in Flensburg spielte, braucht sich die DHB-Auswahl zwar nicht mehr fürchten. Doch der Generationenumbruch hat der Qualität keinen Abbruch getan - im Gegenteil.
Erst durch Spieler wie Ali Zein (2022 CL-Sieger mit Barcelona), Yehia Elderaa (seit Sommer in Veszprem) oder Mohamed Shebib (spielt in Bukarest auch CL) wurde der Abstand zur Weltspitze rasend schnell verkürzt. Bei der Heim-WM 2021 verlor Ägypten im Viertelfinale gegen den späteren Titelträger Dänemark dramatisch nach Siebenmeterwerfen.
Das wichtigste Puzzleteil der Ägypter fehlt allerdings wegen einer Knieverletzung: Die 1,95 Meter große Waffe im rechten Rückraum Omar Yahia (bereits seit 2019 in Veszprem) kann an der WM nicht teilnehmen. Dafür sprangen andere in die Bresche: Top-Torschützen sind die Rückraumspieler Elderaa (27 Treffer), Mohsen Mahmoud (26) und Ali Zein (22). Juri Knorr, Deutschlands bester Werfer, steht bereits bei 42 Turniertreffern.
Für die DHB-Auswahl wird es am Freitag (15.30 Uhr, LIVE! bei kicker) darum gehen, die bis dato makellose Bilanz bei Weltmeisterschaften aufrechtzuerhalten: Alle vier Duelle gingen an den Europameister von 2016, zuletzt im WM-Achtelfinale 2015 mit 23:16.
Maximilian Schmidt