23.01.2023, 00:40
Beide Teams stehen bei fünf WM-Siegen
Eine makellose Bilanz weist bei der Handball-WM 2023 bislang auch Norwegen auf. Die Skandinavier sehnen sich nach dem ersten großen Wurf, müssen aber erst einmal an Deutschland vorbei.
Fünf Spiele, fünf WM-Siege - das trifft auf Deutschland zu, aber auch auf Norwegen, Spanien und Frankreich. Den zwei direkten Duellen am Sonntag (21 Uhr) und Montag (20.30 Uhr) in der Hauptrunde folgen Viertelfinals, die es in sich haben dürften. Schon nach dem Sieg über die Niederlande (33:26) erklärte Kapitän Johannes Golla: "Jetzt kommen natürlich ganz andere Gegner auf uns zu."
Wie die DHB-Auswahl marschieren auch die Norweger bislang durch diese WM-Endrunde, wobei im Vorfeld eher mit den konstant starken Leistungen der Skandinavier zu rechnen war. Norwegen ist gespickt mit internationalen Topstars, über Jahre eingespielt und verfügt über ein funktionierendes System. Nur beim 27:26 gegen die Niederlande - nach deutlichem Halbzeitrückstand - wurde es für das Team von Trainer Jonas Wille bislang eng.
Die Bilanz zwischen Deutschland und Norwegen könnte ausgeglichener kaum sein: DHB-Niederlagen bei der WM 2019 und der EM 2022, deutsche Siege bei Olympia 2021 und der EM 2016 - in den letzten vier Pflichtspielen wogte das Pendel hin und her. Bei Weltmeisterschaften trafen die Kontrahenten bislang siebenmal aufeinander, wobei jeweils drei Siege gefeiert und einmal die Punkte geteilt wurden.
Beim Gedanken an Norwegen mischen sich auch gute mit schlechten Erinnerungen. Auf dem Weg zum EM-Titel 2016 in Polen gewann das DHB-Team ein spektakuläres Halbfinale in Krakau mit 34:33 nach doppelter Verlängerung. Noch immer schmerzt dagegen die letztlich deutliche Halbfinal-Niederlage bei der deutschen Heim-WM 2019 in Hamburg (25:31).
Wirklich viel geändert hat sich bei den Norwegern seitdem nicht. "Trotz des Trainerwechsels von Christian Berge auf Jonas Wille treffen wir auf etwas Vertrautes", sagt deswegen auch Deutschlands Co-Trainer Erik Wudtke in seiner Gegneranalyse für den kicker: "Norwegen hat auf die gleiche Art Erfolg: mit einer physisch starken, athletischen Spielweise, mit vielen Zweikämpfen, einer sehr robusten Abwehr und sehr gutem Umschaltspiel. Das hatte unter Christian Berge sehr gut funktioniert, und das ist nach dem Trainerwechsel nicht anders."
Nach dem Spiel gegen die kleinen, aber flinken Niederländer warnte Abwehrchef Golla: "Gegen Norwegen kommt mehr Wurfkraft aus dem Rückraum." Doch das Heraustreten aus der Abwehr muss gut abgestimmt sein. Zu präsent sind die Bilder, in denen Superstar Sander Sagosen im WM-Halbfinale 2019 gemeinsam mit dem Kreisläufer die deutsche Mannschaft in ihre Einzelteile zerlegte.
Acht Bundesliga-Profis stehen insgesamt im norwegischen Kader, wobei Kiels Rückraumspieler Sagosen aus dem Kollektiv doch heraussticht. Mit 24 WM-Treffern und 22 Assists ist er sowohl Norwegens bester Werfer als auch Vorbereiter. Doch die Generation um Sagosen & Co. darf durchaus als unvollendet bezeichnet werden. Oft waren die Skandinavier nah dran, hatten aber nie die Hand am Pott. 2017 und 2019 holte Norwegen WM-Silber, 2020 wurde es lediglich EM-Bronze.
Wudtke weiß, wie Norwegen zu knacken ist: "Sie sind ein unangenehmer Gegner, eine Topnation in Europa. aber wir haben uns durch unsere Spielweise auch erarbeitet, dass wir für niemanden ein Lieblingsgegner sind. Wir wissen, wie Norwegen spielt und müssen unsere Stärken zeigen."
Gislasons Assistent geht von einem "Kampfspiel" wie bei der EM 2022 aus. Leidenschaft wird wichtig sein. Den Schlüssel sieht Wudtke aber anderswo: "Wir müssen unsere spielerische Stärke einbringen, um als Sieger vom Feld zu gehen." Stabile Abwehr, kreativer Angriff - was in den letzten beiden WM-Spielen gegen Oranje und Argentinien hervorragend geklappt hat.
Sich nur auf Sagosen im Rückraum zu konzentrieren, wäre fatal: "Natürlich ist ein solch überragender Spieler im Fokus unserer Vorbereitung und unserer Abwehr, aber er hat auch Nebenleute wie Magdeburgs O'Sullivan, Flensburgs Röd oder Kiels Reinkind." Neben den "üblichen Verdächtigen" weist Wudtke nochmal gesondert auf Norwegens Linksaußen hin. "Wir haben ein besonderes Augenmerk auf Sebastian Barthold aus Aalborg - er ist ein robuster Außen und hat ein großes Repertoire aus der Ecke und beim Gegenstoß", so Wudtke. Barthold hat mit 23 WM-Treffern nur einen weniger als Sagosen erzielt. Erfolgreicher als jeder Norweger ist allerdings Deutschlands Top-Torschütze Juri Knorr mit 29 Toren.
Ein ausgeglichenes Duell, das die Tagesform entscheiden wird, gibt es auch auf der Torhüter-Position: 34 Prozent aller Würfe bei dieser WM haben Leipzigs Kristian Saeveras (27 Paraden) und Torbjörn Bergerud (früher Flensburg/32) bislang abgewehrt. Nach seinen 17 Paraden gegen die Niederlande steht Andreas Wolff bei 48 abgewehrten Würfen, Joel Birlehm bis dato bei 22.
Maximilian Schmidt