28.12.2020, 22:27
Kiel schlägt Veszprem nach Verlängerung
Der THW Kiel ist beim zweimal verschobenen Final Four der Champions League für die Saison 2019/20 ins Endspiel eingezogen: In Köln gewann der deutsche Rekordmeister in einem packenden Halbfinale nach Verlängerung mit 36:35 (29:29, 18:13) gegen Veszprem und trifft nun im Finale auf Top-Favorit Barcelona.
Einen klaren Favoriten - wie man ihn vor dem ersten Halbfinale zwischen Barcelona und PSG ausgemacht hatte - gab es im Kieler Halbfinale nicht. Der THW und Veszprem hatten jüngst im Rahmen der Gruppenphase der CL-Saison 2020/21 zweimal die Klingen gekreuzt: Im Hinspiel trennte man sich zum überhaupt ersten Mal unentschieden (31:31), das Rückspiel in Ungarn verloren die Zebras deutlich (33:41).
Weil bei Veszprem neben Rasmus Lauge (Kreuzbandriss) auch noch Linksaußen Manuel Strlek fehlte, musste Ex-Flensburger Kentin Mahé die Position auf Linksaußen einnehmen. Vom Start weg war Verlass auf die aggressive Kieler 6:0-Deckung, die erst nach 5:19 Minuten das erste Tor der Ungarn zuließ. Auch Keeper Niklas Landin fand gut ins Spiel, Gegenüber Rodrigo Corrales (wie Sagosen in der Gruppenphase 2019/20 noch für PSG aktiv) stand ihm allerdings in nichts nach. Beim Stand von 8:6 hatte der THW bereits dreimal ins leere Tor der Ungarn getroffen.
Nachdem Niclas Ekberg vom Siebenmeterpunkt auf 9:6 gestellt hatte, nahm Veszprem-Coach David Davis eine erste Auszeit. Bei den Zebras war aber auch in der Folge auf die Abwehr Verlass, die immer wieder einfache Tore ermöglichte. Zudem lief Sommer-Neuzugang Sander Sagosen - in einem seiner besten Spiele für den THW - so langsam heiß.
Beim Stand von 15:10 nahm Davis in der 21. Minute bereits seine zweite Auszeit. Auch davon ließ sich die Mannschaft von THW-Trainer Filip Jicha aber nicht aus der Ruhe bringen, Miha Zarabec feuerte den Ball zum ersten Sieben-Tore-Vorsprung in die Maschen (26.). Veszprem war da schon über (!) zehn Minuten ohne Tor. Die allerletzten Momente der ersten Hälfte verschlief der deutsche Rekordmeister dann allerdings ein wenig und nahm neben dem 18:13 auch zwei Zwei-Minuten-Strafen mit in die Kabine.
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Direkt nach dem Seitenwechsel kam Kiel gut durch die doppelte Unterzahl und baute die Führung durch das bereits sechste Tor von Kreisläufer Hendrik Pekeler aus (21:15, 34.). Veszprem aber gab sich nicht auf, fand besser in sein Spiel und verkürzte nach 40 Minuten durch einen tollen Hüftwurf von Spielmacher Mate Lekai auf 20:22 (41.).
Filip Jicha zückte seine Grüne Karte und stellte nach der Auszeit auf eine 3:2:1-Deckung um - dazu ersetzte Dario Quenstedt den eher glücklosen Landin. Veszprem war jetzt aber extrem heiß und glich durch den wurfgewaltigen Vuko Borozan aus, Rechtsaußen Gasper Marguc erzielte in Minute 47 die erste ungarische Führung überhaupt. Anschließend ging bei Veszprem alles, beim THW gar nichts mehr zusammen. Ein Borozan-Kempa stellte gar das 28:24 her.
Bei den Kielern hingen die Köpfe, doch sofort wurde deutlich, wie schnell es im Handball gehen kann: Durch leichte Fehler holte Veszprem den THW ins Spiel zurück, der durch Sagosens Doppelschlag sechs Minuten vor Schluss wieder in Führung gehen durfte (29:28). Mit noch 30 Sekunden auf der Uhr bekam Kiel beim 29:29 die letzte Chance, doch Sagosen scheiterte an Corrales.
Was dann passierte, hätte nach den neuen Regeln eine Rote Karte und einen Siebenmeter nach sich ziehen müssen: Kiel hatte nach Foul an Dahmke bei wenigen Sekunden auf der Uhr einen Freiwurf auf Linksaußen zugesprochen bekommen, Corrales sprintete aus seinem Tor und warf den Ball weg. Die Schiedsrichter Andreu Marin und Ignacio Garcia Serradilla aus Spanien berieten sich kurz, entschieden sich aber gegen eine persönliche Strafe für den Spanier.
In der ersten Hälfte der Verlängerung übernahm dann Europameister Steffen Weinhold vorne Verantwortung, auf der anderen Seite leisteten sich die Unparteiischen den nächsten Aussetzer: Abwehrchef Patrick Wiencek flog für ein vermeintlich überhartes Foul an Rechtsaußen Marguc vom Parkett - erneut eine krasse Fehlentscheidung, obwohl sich die Schiedsrichter die Szene sogar am TV angesehen hatten. Petar Nenadic erzielte mit Ablauf der Uhr das 34:32.
Der THW war an diesem Tag aber nicht kaputt zu kriegen, Pekeler blieb vorne cool, ehe Ekberg auf 35:34 stellte. Der Schwede war es auch, der den späteren 36:35-Endstand besorgte. Die letzte Aktion passte aber zu diesem Abend: Nach Ablauf der Zeit traf Nenadic Ekberg bei einem direkten Freiwurf voll im Gesicht und sah noch die Rote Karte.
Im lukrativen Finale am Dienstag (20.30 Uhr) - dem Sieger winken 500.000 Euro - hängen die Trauben allerdings wohl deutlich höher: Top-Favorit Barcelona zeigte PSG im ersten Halbfinale recht deutlich die Grenzen auf und schonte beim 37:32 am Ende schon Kräfte fürs Endspiel. Veszprem, das weiter auf den ersehnten Königsklassen-Triumph warten muss, spielt ab 18 Uhr im ungeliebten Spiel um Platz drei gegen PSG.
Tore für Kiel: Pekeler 8, Ekberg 7/4, Sagosen 5, Duvnjak 4, Dahmke 3, Weinhold 3, Zarabec 3, Wiencek 2, Reinkind 1
Tore für Veszprem: Borozan 7, Marguc 7, Fathy Omar 5, Lekai 4, Mahé 4/3, Manaskov 2, Nenadic 2, Nilsson 2, Ferreira Moraes 1, Maqueda 1
Schiedsrichter: Andreu Marin (Spanien)/Ignacio Garcia Serradilla (Spanien)
Strafminuten: 14 / 10
Disqualifikation: Wiencek (64.) / Nenadic (70.)
msc