01.06.2024, 16:36
Lokalmatadorinnen im Finale der Champions League
Györi ETO KC hat bisher alle Spiele gegen Team Esbjerg gewonnen, auch das "kleine Finale" der Königinnenklasse des Vorjahres - hauchdünn. Im heutigen vierten Vergleich konnte sich der fünfmalige Champions League-Sieger erneut auf die große Erfahrung verlassen, musste aber bis zur 13. Parade von Sandra Toft um den Finaleinzug bangen.
Beim EHF Final4 2023 war Team Esbjerg die Unglücksraben des Abschlussturniers der Champions League gewesen. Zwei Ein-Tor-Niederlagen erlebten sie nacheinander, im Kampf um die Bronzemedaille unterlag das seit 2017 von Jesper Jensen trainierte Team Esbjerg dem Lokalmatador Györi ETO KC. Am Samstag kam es nun im ersten Halbfinale zum Re-Match beider Teams.
Die Arena in Budapest war fest in Händen der ungarischen Fans, die ihre "Heimmannschaft" von Beginn an unterstützten. Nur bevor Esbjergs Nora Mørk zum ersten Siebenmeter antrat, herrschte kurzzeitig Stille, dann meldeten sich die Fans aus Dänemark erstmals zu Wort. Team Esbjerg rührte danach mit Rikke Iversen und Kristine Breistøl Beton an. Anne Petersen konterte zum 3:0 (4.).
Per Johansson, der Trainer von Györi ETO KC buzzerte daher frühzeitig zum ersten Time-out. Esbjerg hätte in diesem Moment bereits mit fünf Toren führen können, denn erst vergab Rikke Iversen, und das folgende Anspiel von Anna Kristensen war zu lang und landete in den Armen von Eun Hee Ryu. Die Ansprache wirkte: Estelle Nze Minko sorgte binnen sechs Minuten für den 4:5-Anschluss (10.).
Der Underdog aus Dänemark funktionierte nicht mehr und manövrierte sich mit einigen Halbchancen, aus denen nichts wurde, beinahe aus dem Spiel. Überdies kassierte Spielmacherin Henny Reistad alsbald die erste Hinausstellung, sodass Nze Minko genügend Platz für den 5:5-Ausgleich hatte. Und Györ gelang auch der Führungswechsel, durch Victoria Györi-Lukacs.
Über zehn Minuten hatte Esbjerg nicht getroffen und blieb bei Mørks 6:7 (15.) doch auf Tuchfühlung. Den abermaligen Ausgleich verhinderte allerdings Sandra Toft zunächst gegen Linksaußen Sanna Solberg, obwohl die Norwegerin in Überzahl jede Menge Platz hatte. Dann egalisierte Michala Møller. Bei Györ stemmte sich in dieser neuerlichen Schwächephase nur Toft gegen den Trend.
Trotz Györs Problemen nahm Esbjergs Trainer Jesper Jensen neun Minuten vor der Pause die Auszeit. Das Duell war ruppig geworden, als Sanna Solberg die Esbjerger 8:7-Führung (23.) besorgte. Den nächsten Führungstreffer vermasselte die Norwegerin jedoch, und im Gegenzug traf Györs Kapitänin Kari Dale für den Lokalmatador zum 8:9. Esbjerg wirkte zu nervös, um das Momentum zu nutzen.
Der ungarische Vizemeister setzte dann durch Estelle Nze Minko und Paula de Bruna vor der Pause die Wirkungstreffer zum 8:11. Die folgende siebte Parade von Sandra Toft (54 Prozent) wurde frenetisch gefeiert, ebenso Stine Oftedals erster Treffer. Dass Györs Nadine Szöllösi-Schatzl mit der Sirene zum 9:13 einnetzte und die Vier-Tore-Führung festigte, zeugte von der gefestigten Routine der Favoritinnen.
Man war gespannt, in welcher Verfassung Team Esbjerg aus der Kabine kommen würde: Tatsächlich zeigte sich der dänische Erstligist weiter kämpferisch, scheiterte nach 37 Minuten aber schon zum zehnten Mal an Toft. Die dänische Torhüterin war die große Stütze des ungarischen Vizemeisters. Sie hatte unter anderem Møller das 13:15 verboten. Nach Ryus 12:18 (39.) war somit die nächste Esbjerger Auszeit fällig.
Team Esbjerg zeigte danach nochmals Flagge: In Deila Rushgeldt hatten sie eine neue Torschützin, die sich von sechs Metern durchgesetzt hatte. Møller konnte beim 15:18 (43.) nachsetzen und Reistad spielte sich beim 16:19 (45.) zum zweiten Mal frei. Und Mørk versenkte beim 18:20 (48.) gegen Landsfrau Silje Solberg den nächsten Siebenmeter. Zum ersten Mal seit dem 12:14 (32.) war der Unterschied so gering.
Auf einmal schien Esbjerg den Respekt vor Toft und ihren Vorderleuten abgelegt zu haben, schrammte aber wegen eines der inzwischen sehr wenigen technischen Fehler, mit sieben Feldspielern, zunächst am Anschlusstreffer vorbei. Györ versuchte mit offensivem Heraustreten neue Aufgaben zu stellen, doch Reistad wurde im Sieben-gegen-sechs stärker. Die Spielmacherin setzte auch den 20:21-Anschlusstreffer (52.).
Sandra Tofts Paraden-Quote war fünf Minuten vor Schluss auf unter 40 Prozent gefallen, die Spannung näherte sich auch dieswegen dem Siedepunkt. Nze Minko scheiterte dann beim Kempa an Milling. Breistøl traf bei ihrem Fernwurf nur die Latte, statt den 23:23-Ausgleich zu erzielen - doch Györ schienen die Ideen auszugehen. Kristiansens Turnover folgte die nächste Chance für Esbjerg, doch Toft parierte mit dem Kopf.
Esbjerg schien in der Schlussminute den notwenigen Schritt mehr zu investieren, dennoch stach Dale im passiven Spiel zum 22:24 durch - 49 Sekunden verblieben. Im Angriff war bei Györ nur Nze Minko fehlerfrei geblieben, mit sechs Treffern trug sie maßgeblich zum Finaleinzug bei. Man verstand sein eigenes Wort nicht mehr, so laut war es in der Arena, als Toft mit ihrem 13. Reflex gegen Solberg den 23:24-Sieg festhielt.
Team Esbjerg: Kristensen (5 Paraden), Milling (3 Paraden); Kamp Nielsen, Elsberg Möller 4, Resende Rebello, Rushfeldt Deila 1, Mörk 6/5, Heindahl, Iversen, Breistöl, Tranborg, Rosberg Jacobsen, Solberg-Isaksen 4, Reistad 5, Tolstrup Petersen 3, Böe Jacobsen
Györ Audi ETO KC: Toft (13 Paraden), Solberg-Oesthassel, Duijndam; Haugsted, Blohm, Szollosi-Schatzl 4, Brattset Dale 3, Gros 3/1, Almeida de Paula 1, Ryu 1, Bredal Oftedal 3, Eggebakken Kristiansen 1, Gyori-Lukacs 2, Fodor, Nze Minko 6, Broch
Zuschauer: 13.330 (MVM Dome, Budapest, HUN)
Schiedsrichter: Eskil Braseth, Leif Andre Sundet (NOR)
Strafminuten: 6 / 8
Felix Buß