09.12.2023, 14:00
100. Länderspiel:
Emily Bölk zählt zu den größten Hoffnungen der deutschen Handball-Nationalmannschaft. Heute bestreitet die 25-Jährige bereits ihr 100. Länderspiel, es könnte ein richtungsweisendes hinsichtlich des Traums von der Medaille werden. Ein Sieg gegen Rumänien würde die Tür ins Viertelfinale weit aufstoßen.
Emily Bölk führt sowohl ihr Team Ferencváros Budapest wie auch die deutsche Handball-Nationalmannschaft aus dem Rückraum und ist die Spielerin für die wichtigen Tore. Das liegt zum einen an ihren Genen, zum anderen an einer klugen Karriereplanung. Nur der ganz große Wurf fehlt noch. Aber das soll sich ändern.
Bei der Handball-WM der Frauen liegt Deutschland dabei auf Kurs, das Viertelfinale könnte heute mit einem Sieg gegen Serbien bereits vor dem abschließenden Topspiel gegen Gastgeber Dänemark perfekt gemacht werden. Es ist das 100. Länderspiel für Emily Bölk und ein wichtiges für das Ziel Olympia und den Traum von einer Medaille.
"Beim Spaziergang durch die Apfelplantagen im Alten Land fällt uns auf einmal etwas auf. Emily pflückt einen Apfel vom Baum, jongliert mit ihm und beißt rein. Er sieht reif aus und scheint bestens zu schmecken, aber das ist es nicht, was auffällt. Stattdessen bemerken wir eine Parallele zu ihrer Handball-Karriere. Ob es jetzt nicht langsam Zeit sei, die Ernte einzufahren? Sie lacht. Aber ja, sagt sie nach wenigen Sekunden, der Vergleich gefalle ihr", berichtet das Print-Magazin Bock auf Handball.
Denn so langsam will Emily Bölk es tatsächlich wissen. Titel sollen eingefahren werden. Mit dem ungarischen Top-Club Ferencváros Budapest und mit der Nationalmannschaft.
"Jetzt wird es Zeit, die Ernte einzufahren!", betonte sie im Zusammenhang mit der Eingangsmetapher im Sommer und fügte mit Blick auf die mittlerweile laufende Spielzeit, die neben den Aufgaben im Verein und der WM zum Ende auch noch Olympia bringt, an: "Die nächste Saison wird super wichtig."
Und Emily Bölk ist mittendrin. Die 25-Jährige ist Kapitänin des Nationalteams und verpasste mit Ferencváros in der vergangenen Saison nur knapp den Champions-League-Titel. Im Finale gegen Vipers Kristiansand (24:28) war sie gemeinsam mit Andrea Lekic beste Torschützin ihres Teams, dennoch reichte es nicht für den ersten großen Titel ihrer Karriere.
Trotzdem hat sie sehr viel mitgenommen aus diesem Erlebnis. "Mit dieser Erfahrung im Champions-League-Final4, mit der Silbermedaille nach Hause zu gehen - das ist so krasser Ansporn, das nochmal zu erleben", sagt die Rückraumspielerin. Dann mit einer Goldmedaille um den Hals nach Hause zu gehen, wäre die Krönung für die Rückraumspielerin.
Dass sie es so weit nach oben geschafft hat, ist kein Zufall. Ihr handballerisches Talent bekam Emily Bölk gewissermaßen schon von ihren Eltern in die Wiege gelegt. Matthias und Andrea spielten beide auf professioneller Ebene Handball, den größten Einfluss hatte aber ihre Mutter.
1993 holte Andrea mit der deutschen Nationalmannschaft den WM-Titel und legte damit unbewusst die Grundlage für den enormen Ansporn ihrer künftigen Tochter. "Ich habe schon früher immer herumgespielt mit ihren Medaillen. Darum war das schon immer ein Traum von mir, das selbst mit der Nationalmannschaft zu erreichen", erzählt Emily Bölk.
Von klein-auf unterstützen ihre Eltern sie bei diesem Traum, stehen ihr mit Bedacht und Weitsicht bei der Karriereplanung zur Seite. Ihre ersten Schritte als Profi macht die Rechtshänderin in ihrer Heimat beim Buxtehuder SV. Doch schon 2012 wagt sie erstmals den Schritt heraus aus ihrer Komfortzone, wie sie es selbst nennt.
Emily Bölk ist gerade mal 14 Jahre alt, als es sie ins Ausland zieht. Für ein Jahr lang wechselt sie in die Nachwuchsakademie im dänischen Viborg. Ein ganz bewusster Schritt. "Da stehst Du dann auf einmal alleine da und entwickelst Dich in Deiner Persönlichkeit enorm weiter", berichtet ihre Mutter Andrea. "Nach einem Jahr kam sie wieder zurück, total selbstbewusst."
Danach macht Emily Bölk in Buxtehude ihre ersten Schritte in der Bundesliga. Zweimal gewinnt sie mit dem BSV den DHB-Pokal. 2018 folgt der Wechsel zum Thüringer HC, "weil es der richtige Zeitpunkt war, den nächsten Schritt zu wagen", wie Mutter Andrea sagt.
Beim THC sammelt Emily Bölk erste Erfahrungen in der Königsklasse und gewinnt unter dem erfahrenen Trainer Herbert Müller erneut den DHB-Pokal. 2020 schließlich geht es nach Ungarn. Auch mit Ferencváros gewinnt sie zwei Mal den Pokal und erstmals auch einen Meistertitel, zudem zählt sie zu den besten Torschützinnen ihrer Mannschaft.
Nur eins fehlt ihr in Bezug auf ihren Sport derzeit noch mehr als alles andere: ein großer, internationaler Titel. Und vor allem eine Medaille mit der deutschen Nationalmannschaft. "Das spornt mich sehr an, dass Mama in der Medaillenwertung mit der Nationalmannschaft vorne liegt", sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. "Ich glaube, es ist mein größter Traum, mit der Nationalmannschaft einmal eine Medaille mit nach Hause zu bringen."
Zuletzt allerdings war die DHB-Auswahl davon immer ein Stück weit entfernt. Das soll sich in diesem Jahr mit einer guten Platzierung bei der gerade laufenden Handball-Weltmeisterschaft unbedingt ändern. "Es ist für mich nach wie vor eine Ehre, den Adler auf der Brust zu tragen. Wir haben mega viel Potenzial", sagt Emily Bölk und betont: "Wir haben alle das Ziel, das Olympia-Ticket zu ziehen."
Es wäre auch für sie persönlich und ihre Karriere ein weiterer Schritt nach vorn. Bislang gilt Emily Bölk unbestritten als eine der Führungsspielerinnen und Anführerinnen der Nationalmannschaft. Zu einem Titel oder außergewöhnlichen Erfolg konnte die 25-Jährige das Team des aktuellen Bundestrainers Markus Gaugisch aber (noch) nicht führen.
Daran, dass sie gemeinsam mit Alina Grijseels eine ideale Kapitänin dieser Mannschaft ist, zweifelt aber niemand. "Sie hat immer ein offenes Ohr für ihre Mitspielerinnen und bemüht sich, dass sich jeder wohlfühlt", sagt ihre Mutter. Emily Bölk lernt schon im jungen Alter, ihre Führungsqualitäten zu entwickeln. Die Karriereplanung hilft ihr dabei.
Der Wechsel nach Budapest vor drei Jahren markiert gewissermaßen den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung, weil sie sich mit den Besten der Welt und auf internationalem Top-Niveau messen will. "Ich wollte schon immer mutig sein, aus der Komfortzone heraustreten. Darum habe ich auch immer den Weg zu noch stärkeren Vereinen gewählt", sagt Emily Bölk selbst.
"Ich will mich einfach mit den Besten Europas und der Welt messen und daran wachsen", betont Emily Bölk. Und die Rückraumspielerin wächst. Dass sie vom damaligen Bundestrainer Henk Groener schon im Alter von 23 Jahren zur Kapitänin der DHB-Auswahl berufen wurde, ist kein Zufall - und sie ist auch jetzt, zwei Jahre später, unter Markus Gaugisch bei der WM, Kapitänin und Führungsspielerin.
Mit 25 Jahren darf Emily Bölk bereits auf Erfahrungen zurückblicken, die andere Spielerinnen während ihrer gesamten Laufbahn nicht machen werden. Doch in dieser Saison sollen im Verein, bei der WM und bei Olympia noch weitere hinzukommen - und vielleicht der Traum von der Medaille sowie der Olympia-Teilnahme mit dem DHB-Team in Erfüllung gehen.
Hinweis:
In der Nummer 12 Bock auf Handball, die in Deutschland versandkostenfrei direkt nach Hause geliefert wird, finden sich neben dem Stück mit Emily Bölk zahlreiche weitere interessante Einblicke in die Handball-Welt. Mittlerweile ist bereits die 13. Ausgabe erschienen.
Bock auf Handball, red