05.06.2024, 13:43
Robert Schulze und Tobias Tönnies
Sie sind das Top-Gespann des Deutschen Handballbundes: Robert Schulze und Tobias Tönnies wurden zum vierten Mal von der Handball Bundesliga als Schiedsrichter der Saison ausgezeichnet. Die beiden Magdeburger sind regelmäßig in der EHF Champions League unterwegs, sind bei Großereignissen bis hin zu Olympia im Einsatz und leiteten das EM-Finale 2022. Das Duo gibt zehn Tipps, wie man auf dem Spielfeld mehr Souveränität ausstrahlt.
Das Schiedsrichtergespann Robert Schulze und Tobias Tönnies hat seine Serie als "Schiedsrichter der Saison" weiter ausgebaut. Zum bereits vierten Mal in Folge und zum fünften Mal insgesamt haben die Cheftrainer sowie die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Handball-Bundesliga das Duo zum besten Schiedsrichtergespann gewählt.
Auf Platz 2 landete zum dritten Mal in Folge mit den Schwestern Tanja Kuttler und Maike Merz das aktuell einzige weibliche Gespann, das Spiele in der Handball-Bundesliga pfeift. Beide Eliteschiedsrichtergespanne wurden auch für die Olympischen Spiele im Sommer in Paris nominiert. Für Schulze/Tönnies sind es nach Tokio 2021 bereits die zweiten Olympischen Spiele, bei denen sie den DHB vertreten.
» Olympia-Traum wird wahr: Zwei deutsche Schiedsrichter-Teams für Paris 2024 nominiert
Die beiden Magdeburger stehen seit über 20 Jahren zusammen auf der Platte und sind bereits seit 2007 als Schiedsrichter in der Handball-Bundesliga aktiv. In dieser Zeit haben sie über 600 DHB-Einsätze absolviert und leiten regelmäßig nationale und internationale Topspiele. Ihre zehn Tipps für ein souveränes Auftreten auf dem Parkett.
Für den "Tag des Schiedsrichters 2022" bei handball-world gaben Robert Schulze und Tobias Tönnies zehn Tipps für ein souveränes Auftreten auf dem Spielfeld.
Ob für die Arbeit, ein Date oder eine Party: Ein gepflegtes Aussehen und Auftreten gehört im Alltag dazu. Auch als Schiedsrichter sollte das selbstverständlich sein, denn sobald ihr die Halle betretet, steht ihr unter Beobachtung. Die Spieler und Trainer sollen - und es sei nur unterbewusst - denken: "Den nehmen wir ernst." Außerdem, so geht es uns zumindest: Wir fühlen uns in unserer Haut selbst wohler, wenn wir wissen, dass wir (einigermaßen) gepflegt aussehen - und sich wohlzufühlen, ist notwendig, um souverän auftreten zu können.
Die Körpersprache ist der Schlüssel zu einem souveränen Auftreten. Um daran zu arbeiten, muss man erst einmal wissen, wie man eigentlich auf dem Spielfeld wirkt. Auch, wenn es euch unangenehm ist: Habt keine Angst, euch die eigenen Spiele anzuschauen. Für uns war es anfangs auch unangenehm, weil es nicht zu dem Bild passte, was wir selbst von unserem Auftreten im Kopf hatten. Eine gute Hilfe kann es dabei sein, sich die Spiele mit einer Person anzuschauen, die eigentlich keine Ahnung vom Handball hat. Sie kann nicht auf die Regeln achten, sondern nur auf euer Auftreten.
Als Schiedsrichter steht ihr immer wieder im Scheinwerferlicht - umso wichtiger ist ein guter Auftritt. Mit einer bewussten und passenden Körpersprache könnt ihr unglaublich viel erreichen. Dabei gibt es so viele Nuancen, die ihr immer weiter schärfen könnt - angefangen vom Üben der Handzeichen vor dem heimischen Spiegel (siehe auch » 10 Tipps, um eure Entscheidungen als Schiedsrichter (besser) zu verkaufen) bis hin zu eurem Verhalten auf dem Spielfeld.
Es ist immens wichtig, über die Wirkung eurer Bewegungen auf dem Spielfeld nachzudenken: Entscheidet beispielsweise ganz bewusst, wann ihr zu dem Punkt hingeht, an dem ein Freiwurf ausgeführt werden soll und wann nicht. Es wäre für uns zu viel des Guten, sich bei jedem Freiwurf an den Ausführungspunkt zu stellen, denn so geht die Aussagekraft verloren.
Dass man als Schiedsrichter auf dem Spielfeld lächelt, kommt immer wieder intuitiv vor. Doch gerade, wenn man lächelt, während man eine Entscheidung trifft bzw. anzeigt, kann es gefährlich sein. Es besteht das Risiko, dass ein Lächeln unsicher wirkt - oder im Gegenteil arrogant rüberkommt.
Wir wollen natürlich niemandem verbieten, auf dem Spielfeld zu lächeln - wenn es zur Situation passt -, aber wir würden empfehlen: Lächelt lieber einmal zu wenig als einmal zu viel. Und, ganz wichtig: Wenn ihr ein Schiedsrichter-Typ seid, bei dem das Lächeln nicht intuitiv kommt, lasst es einfach.
Wenn ihr eine Entscheidung trefft, sollte jeder in der Halle ohne Hinzuschauen an der Melodie der Pfiffe erkennen können, was ihr gerade pfeift - einen Freiwurf oder Siebenmeter, ein Offensivfoul oder eine Zeitstrafe. Es strahlt eine große Souveränität aus, weil ihr vermittelt, dass ihr euch absolut sicher seid und die Stimmung auf dem Spielfeld versteht. Vermeidet daher auch viel Lärm um nichts - zum Beispiel einen extrem lauten, starken Pfiff, wenn es nur einen harmlosen Freiwurf gibt.
Tragt eure Karten - gelb, rot, blau - so, dass sie griffbereit sind. Wir haben die gelbe Karte daher in der Hosentasche; so müssen wir nicht an der Brusttasche nesteln. Andere Kollegen entfernen genau deswegen das Klettband der Brusttasche. Und tragt dieselbe Karte immer in derselben Tasche, um nicht aus Versehen rot statt gelb (oder umgekehrt) zu zeigen.
Eine Entscheidung bewusst nicht zu treffen, ist das Schwerste, was man auf dem Feld machen kann. Es liegt in der Natur des Schiedsrichters, dass er eine Entscheidung treffen will - gerade, wenn eine Situation viel Theatralik beinhaltet oder der Druck der Zuschauer dazukommt.
Wenn alle auf dich - wir sagen ganz bewusst: Auf dich, denn manchmal ist man schrecklich einsam auf dem Feld - schauen, darfst du die Erwartungen nicht ins Leere laufen lassen. Wenn du dir sicher bist, dass es nichts war, mach das mit deiner Körpersprache und einer kleinen Geste deutlich. Allerdings musst du dir zu hundert Prozent sicher sein, sonst geht es nach hinten los.
Mit den Spielern und Trainern zu kommunizieren, gehört zu jedem Spiel dazu. Ihr müsst jedoch zugleich klare Grenzen aufzeigen. Wenn nur ein oder zwei Spieler merken, dass sie jede Entscheidung mit euch diskutieren können, gleitet euch das Spiel schnell aus der Hand.
Daher dürft ihr keine Angst vor einer klaren Kommunikation haben. Wenn es euch zu viel wird, sagt deutlich: "Es reicht jetzt" oder "Jetzt ist Schluss", untermalt von einer entsprechenden Geste. Als ein Spieler nach unserer Erklärung nicht aufhören wollte, zu diskutieren, haben wir auch schon mal gesagt: "Wenn du meine Meinung ohnehin nicht akzeptierst, brauchst du auch nicht fragen."
Dass das nicht einfach ist, wissen wir - vor 15 Jahren hätten wir das auch noch nicht gemacht. Damals haben wir die Spieler aus Selbstschutz oft ignoriert - und dann hieß es: Mit denen kann man nicht reden. Daher: Lasst die Kommunikation zu - aber wenn eure Grenze überschritten ist, greift zur Bestrafung.
Nicht zu früh und nicht zu spät: Den richtigen Zeitpunkt für einen Pfiff zu erwischen, ist ein Balanceakt, der euch bis in den Zenit eurer Schiedsrichterkarriere begleiten wird. Auch wir erleben immer wieder Szenen, bei denen wir im Nachhinein denken: Eine Sekunde früher oder später wäre besser gewesen.
Um nicht zu hastig zu pfeifen, empfehlen wir dringend, die Pfeife in der Hand zu halten - so habt ihr eine Armlänge Verzögerung und erkennt den Vorteil vielleicht noch rechtzeitig. Die Pfeife dauerhaft im Mund zu haben, ist nicht nur deshalb keine gute Lösung; es macht auch die Kommunikation unmöglich.
Umgekehrt, wenn ihr mit einem Pfiff ohnehin schon gezögert habt, wartet kurz ab, denn wenn keiner was will, braucht ihr nicht pfeifen. Laufen die Angreifer von sich aus schon zurück, hütet euch davor, doch noch einen Freiwurf zu geben. Auch, wenn ihr euch bei einem Einwurf nicht sicher seid, könnt ihr erst einmal abwarten, welcher Spieler in der ersten Reaktion zum Ball geht oder welcher Spieler abdreht - das hilft oft bei der Entscheidung.
Machen wir es kurz: Je mehr Entscheidungen du in deinem Schiedsrichterleben getroffen hast, desto souveräner wirkst du. Daher gilt gerade für junge Schiedsrichter: Pfeifen, pfeifen, pfeifen!
red