15.06.2024, 12:52
#Regelecke
Der Siebenmeter ist eine der typischen Entscheidungen für jeden Handball-Schiedsrichter: Wann gebe ich einen Siebenmeter - und wann nicht? In Bruchteilen von Sekunden müssen die Unparteiischen ebenso dynamische wie manchmal intensive Szenen beurteilen. Wir nehmen die Regel einmal unter die Lupe: Was ist das entscheidende Kriterium für einen Siebenmeter? Worauf ist bei der Ausführung zu achten? Und welche Fragen tauchen im Zusammenhang mit dem Siebenmeter immer wieder auf?
Die entscheidenden Kriterien für einen Siebenmeter aus dem Spiel heraus sind eigentlich relativ einfach: Nur, wenn es sich um eine klare Torgelegenheit handelt, die durch eine regelwidrige Abwehraktion gestoppt wird, kann es einen Siebenmeter geben. Das sind die beiden Kernpunkte einer jeden Siebenmeter-Entscheidung:
Eine Sache spielt für eine Siebenmeter-Entscheidung hingegen keine Rolle: Die Härte eines Fouls. "Einen Siebenmeter zu geben, hat mit Härte nichts zu tun", betont Kay Holm, Schiedsrichter-Lehrwart des Deutschen Handballbundes. "Denn ein Siebenmeter ist keine Bestrafung und hat entsprechend mit dem Strafmaß auch nichts tun."
Entsprechend unglücklich ist Holm, wenn wie beispielsweise in Fernsehübertragungen von einer "Doppel-Bestrafung" gesprochen wird, sobald es einen Siebenmeter und zwei Minuten gibt. "Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun", ärgert sich der ehemalige Bundesligaschiedsrichter.
"Der Siebenmeter stellt ja lediglich die Chance wieder her, die der Abwehrspieler dem Angreifer mit einem Foul oder einer Regelwidrigkeit genommen hat." Gibt es "zusätzlich" zum Siebenmeter eine Zeitstrafe oder eine Disqualifikation, ist das die separate Bestrafung für das Foul oder die Regelwidrigkeit.
Um aus dem Spiel heraus einen Siebenmeter geben zu können - und die Torgelegenheit so wiederherzustellen -, muss damit neben dem erkennbaren Willen zum Torwurf auch eine regelwidrige Abwehraktion vorliegen. "Nur, wenn beides gepaart auftritt, kann auf Siebenmeter entschieden werden", unterstreicht Holm. Zudem darf kein Abwehrspieler mehr in der Lage sein, vor dem Wurf regelgerecht vor der Sechs-Meter-Linie zwischen Angreifer und Tor zu kommen.
Der Verlust von Ball- und Körperkontrolle ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium. "Wenn ein Spieler der angreifenden Mannschaft trotz einer Regelwidrigkeit unter voller Ball- und Körperkontrolle bleibt, darf nicht auf 7-m-Wurf entschieden werden", heißt es dazu im Regelwerk (s.u.).
Diese Spezifikation führt zur unterschiedlichen Auslegung in verschiedenen Spielklassen. Holm: "Da muss man ehrlich sein: Im Bundesligahandball ist es etwas anderes, als wenn ich in der Kreisklasse jemanden aus dem Gleichgewicht bringe."
Gerade die Kreisläufer stehen oft im Fokus bei der Entscheidung, ob es einen Siebenmeter gibt oder nicht. Das klassische Beispiel: Der Kreisläufer steht mit dem Rücken zum Tor vor dem Abwehrspieler, beide schieben und ringen um den Raum, der Ball kommt, beide fallen nach hinten. Steht der Abwehrspieler dabei im Kreis, hat er die klare Torgelegenheit regelwidrig verhindert - Siebenmeter.
Findet das Ganze hingegen vor der Sechs-Meter-Linie statt, darf es keinen Siebenmeter geben. Der Kreisläufer stand mit dem Rücken zum Tor, der Abwehrspieler zwischen Werfer und Tor. "Das wäre grundsätzlich ein Freiwurf", ordnet Holm ein. "Das Niederringen des Kreisläufers kann eine Bestrafung nach sich ziehen, aber das hat nichts mit einem Siebenmeter zu tun, weil es keine klare Torgelegenheit gab, die wiederhergestellt werden müsste."
Kommt der Ball hingegen erreichbar in den freien Raum und der Abwehrspieler hindert den Kreisläufer, an den Ball zu kommen, indem er ihn festhält, kann man den Siebenmeter geben, denn: "Ohne das Festhalten wäre es zu einer klaren Wurfsituation gekommen."
Neben der Entscheidung für einen Siebenmeter gibt es auch bei der Ausführung einige Besonderheiten zu beachten - wie beispielsweise die Torwartposition.
Übertritt der Keeper die Torwartgrenzlinie (Vier-Meter-Linie) und pariert anschließend den Ball, wird der Siebenmeter wiederholt - auch, wenn der Torwart vor der Parade den Schritt zurück gemacht hat und scheinbar korrekt steht. Dies im Blick zu behalten, ist die Aufgabe des Tor-Schiedsrichters - ebenso wie die Entscheidung, ob der Ball hinter der Linie war oder nicht.
Der Feld-Schiedsrichter pfeift den Siebenmeter hingegen an - und steht dabei im Normalfall auf der Wurfarmseite des Schützen. So kann er zusätzlich zum Pfiff ein optisches Signal geben, dass der Ball freigegeben ist - gerade in lauten Arenen hilfreich, damit der Pfiff nicht überhört wird.
Da der Feld-Schiedsrichter auch für die Beurteilung eines Kopftreffers verantwortlich ist, sollte er jedoch nicht auf Höhe des Siebenmeterlinie stehen, sondern leicht versetzt in Richtung Neun-Meter-Kreis. So hat er einen besseren Winkel, um zu beurteilen, ob es beim Keeper eine seitliche Bewegung in der Körperachse gab.
In den Hallen der Basis gibt es zudem immer wieder klassische Irritationen beim Siebenmeter. "An der Basis hört man als Schiedsrichter oft: Der hat einen Schritt gemacht, das musst du abpfeifen", schmunzelt Holm. "Dabei besagt die Regel nur, dass ich ein Körperteil an der Erde haben muss, bis der Ball die Hand verlassen hat - danach ist das egal." Auch das Abheben des vorderen Fußes ist daher erlaubt (wenn auch ungewöhnlich), solange der hintere Fuß stehenbleibt.
Ebenfalls beliebt: Das Rutschen des Fußes. Schiebt sich der Fuß des Werfers leicht nach vorne, kommt von Bank und Tribüne immer wieder der Ruf: "Schiri, der hat doch den Fuß bewegt." Solange der Fuß den Boden allerdings nicht verlässt und auch die Siebenmeterlinie nicht berührt, ist ein Rutschen kein Grund, einen Siebenmeter abzupfeifen.
Interessant wird es bei Siebenmetern zum Ende einer Halbzeit - egal, ob nach 30 oder 60 Minuten. Der Schütze hat - so legt es das Regelwerk fest - drei Sekunden Zeit, den Wurf auszuführen. Ist die Uhr bei 29:58 oder 59:59 angehalten, bliebe dieser Zeitraum nicht. Muss die Uhr heruntergelaufen lassen werden oder nicht?
"Dazu gibt es keine Regelanweisung", erklärt Holm. "Es ist allerdings das Recht des Spielers, die Uhr herunterlaufen zu lassen, sobald nur noch ein oder zwei Sekunden angezeigt sind." Bei 29:57 oder 59:57 muss der Wurf hingegen ausgeführt werden. Wichtig: Fällt die Entscheidung, die Uhr herunterlaufen zu lassen, sollte neben dem Schützen unbedingt der Torwart informiert werden!
Wie sollte man als Schiedsrichter mit so einer Situation am besten umgehen? "Wenn der Spieler fragt, ob die Uhr heruntergelaufen lassen werden kann, sollte man diesem Wunsch folgen", betont Holm - und rät mit einem Schmunzeln: "Ich sollte als Schiedsrichter - gerade an der Basis - immer die Spielzeit im Blick haben - und vor dem Handzeichen zum Timeout noch einmal auf die Uhr gucken, ob ich das Timeout wirklich sofort anzeigen muss oder nicht doch nicht zwei Sekunden mit dem Handzeichen warten kann..."
14:1 Auf 7-m-Wurf wird entschieden bei:
a) regelwidrigem Vereiteln einer klaren Torgelegenheit auf der gesamten Spielfläche durch einen Spieler oder Mannschaftsoffiziellen der gegnerischen Mannschaft;
b) unberechtigtem Pfiff während einer klaren Torgelegenheit;
c) Vereiteln einer klaren Torgelegenheit durch das Eingreifen einer nicht am Spiel beteiligten Person, z.B. durch das Betreten der Spielfläche durch einen Zuschauer oder einen Pfiff aus dem Zuschauerbereich, der den Spieler stoppt (Ausnahme: s. den Kommentar zu Regel 9:1 ).
d) Vergehen gemäß Regel 8:10c oder 8:10d (s. jedoch Regel 8:10 letzter Abschnitt). Bei "höherer Gewalt" wie Stromausfall ist diese Regel analog anzuwenden, wenn das Spiel im Moment einer klaren Torgelegenheit unterbrochen wird. Für Definition einer "klaren Torgelegenheit" s. Erläuterung 6.
14:2 Wenn ein Spieler der angreifenden Mannschaft trotz einer Regelwidrigkeit (14:1a) unter voller Ball- und Körperkontrolle bleibt, darf nicht auf 7- m-Wurf entschieden werden, auch wenn der Spieler anschließend die klare Torgelegenheit vergibt.
In allen Situationen, in denen eine Entscheidung auf 7-m-Wurf in Betracht kommen könnte, sollten die Schiedsrichter erst dann eingreifen, wenn sie sicher sind, dass diese Entscheidung tatsächlich angezeigt ist.
Wenn der Angreifer trotz regelwidrigen Eingreifens der Abwehrspieler ein Tor erzielt, darf nicht auf 7-m-Wurf entschieden werden. Ist hin- gegen klar erkennbar, dass der Spieler aufgrund der Regelwidrigkeit so eindeutig die Ball- oder Körperkontrolle verloren hat, dass die klare Torgelegenheit nicht mehr besteht, ist auf 7-m-Wurf zu entscheiden.
Regel 14.2 gilt nicht im Falle von Verstößen gegen die Regeln 4:2-3 oder 4:5-6, bei denen das Spiel sofort durch ein Signal des Zeitnehmers, des Delegierten oder der Schiedsrichter unterbrochen werden muss.
14:3 Wenn auf 7-m-Wurf entschieden wurde, sollte nur bei erkennbarer Verzögerung (z.B. Wechsel des Torwarts oder des Werfers) Time-out gegeben werden. Die Entscheidung, Time out zu geben, sollte den Kriterien der Erläuterung 2 genügen.
14:4 Der 7-m-Wurf ist nach Pfiff des Feldschiedsrichters innerhalb 3 Sekunden als Torwurf auszuführen (13:1a, 15:7 Abs. 3).
14:5 Der Werfer darf bei der Ausführung des 7-m-Wurfes bis zu einem Meter hinter der Linie stehen (15:1, 15:6). Nach dem Anpfiff darf der Werfer die 7-m-Linie weder berühren noch überschreiten, bevor der Ball seine Hand verlassen hat (13:1a, 15:7 Abs. 3).
14:6 Nach Ausführung des 7-m-Wurfs darf der Ball erst dann wieder vom Werfer oder einem seiner Mitspieler gespielt werden, wenn er einen gegnerischen Spieler oder das Tor berührt hat (13:1a, 15:7 Abs. 3).
14:7 Bei der Ausführung eines 7-m-Wurfs müssen sich die Mitspieler des Werfers außerhalb der Freiwurflinie befinden, bis der Ball die Hand des Werfers verlassen hat (15:3; 15:6). Ansonsten ist auf Freiwurf gegen die Mannschaft, die den 7-m-Wurf ausführt, zu entscheiden (13:1a, 15:7 Abs. 3).
14:8 Bei der Ausführung eines 7-m-Wurfs müssen sich die Spieler der gegnerischen Mannschaft außerhalb der Freiwurflinie befinden und mindestens 3 m von der 7-m-Linie entfernt sein, bis der Ball die Hand des Werfers verlassen hat. Ansonsten ist der 7-m-Wurf zu wiederholen, wenn der Ball nicht in das Tor gelangt; eine persönliche Bestrafung erfolgt jedoch nicht.
14:9 Überschreitet der Torwart die Torwartgrenzlinie, d.h. die 4-m-Linie (1:7, 5:11), bevor der Ball die Hand des Werfers verlassen hat, ist der 7-m- Wurf zu wiederholen, sofern kein Tor erzielt wird; eine persönliche Bestrafung des Torwarts erfolgt jedoch nicht.
14:10 Es ist nicht erlaubt, einen Torwartwechsel vorzunehmen, sobald sich der Werfer mit dem Ball in der Hand in korrekter Wurfposition befindet und bereit ist, den 7-m-Wurf auszuführen. Jeder Versuch, in dieser Situation eine Auswechselung vorzunehmen, ist als unsportliches Verhalten zu bestrafen (8:7c; 16:1b; 16:3d).
Nach Regel 14:1 handelt es sich um eine "klare Torgelegenheit", wenn:
a) ein Spieler, der bereits Ball- und Körperkontrolle an der Torraumlinie der gegnerischen Mannschaft hat, die Gelegenheit zum Torwurf bekommt, ohne dass ein Gegenspieler in der Lage wäre, den Wurf mit zulässigen Mitteln zu verhindern.
Dies gilt auch, falls der Spieler noch nicht in Ballbesitz ist, aber für eine unmittelbare Ballannahme bereit ist. Es darf kein Gegenspieler in der Lage sein, die Ballannahme mit zulässigen Mitteln zu verhindern.
b) ein Spieler, der Ball- und Körperkontrolle hat, bei einem Gegenstoß alleine auf den Torwart zuläuft (oder -dribbelt), ohne dass ein Gegenspieler in der Lage wäre, vor ihn zu kommen und den Gegenstoß zu stoppen. Dies gilt auch, falls der Spieler noch nicht in Ballbesitz ist, aber für eine unmittelbare Ballannahme bereit ist, und der Torwart durch einen Zusammenprall laut 8:5 Kommentar die Ballannahme verhindert. In diesem Sonderfall sind die Positionen von Abwehrspielern ohne Bedeutung.
c) ein Torwart seinen Torraum verlassen hat und ein Gegenspieler mit Ball- und Körperkontrolle eine klare und ungehinderte Gelegenheit zum Wurf des Balls ins leere Tor hat.
jun