11.01.2024, 13:45
Zweite Welle
Weltrekord! 53.586 Handball-Fans haben den Sieg der Deutschen gefeiert und dem Auftaktspiel erfolgreich ein Upgrade in die Eventklasse spendiert. Ein einmaliger Handball-Abend. Oder hat das XL-Menü aus Handball mit Stadionwurst Appetit auf mehr gemacht?
Kein Mick Jagger, der mit seiner Stimme den Ton angibt. Kein Keith Richards, der mit seiner E-Gitarre die Arena elektrisiert. Und auch keine Fortuna, die als Düsseldorfer Lokalmatador die Fans zu Zweitliga-Fußball einlädt.
Stattdessen Andi Wolff, der lautstark seine Abwehr orchestriert und nebenbei sein Tor vernagelt. Spielmacher Juri Knorr, der mit sechs Treffern die Tribüne anheizt. Und die deutsche Nationalmannschaft, die ihren Fans Handball auf Weltklasseniveau serviert. Vor 53.586 Zuschauern - Weltrekord. Das war einmalig. War es doch, oder?
Abgesehen vom Ergebnis - Spielbericht zum 27:14 - und dem sportlichen Schlagabtausch zwischen den Schweizern mit Ex-Löwen-Star Andy Schmid und den Deutschen um Schmids Nachfolger Knorr war der Zuschauer-Weltrekord das bestimmende Thema. Bereits im Vorfeld gab es auch kritische Stimmen. So sagte Schmid zum Beispiel vorab, er hätte gegen Deutschland lieber in einer Halle gespielt.
Und auch im Publikum gab es natürlich Diskussionsbedarf. Im Oberrang unter dem Arena-Dach zu sitzen und die Partie weitgehend auf der Videowand zu verfolgen, weil man aus 80 Metern Entfernung zum Spielfeld einfach nicht mehr erkennen kann, ob es drei, vier oder zehn Schritte waren, ist zumindest nichts für Zuschauer mit Trainerschein. Eher für solche mit Fernglas.
Überhaupt lässt sich die volksfestartige Stimmung in der Arena nicht mit der in der Handballhalle vergleichen, wo man riechen kann, welches Deo die Außen aufgelegt haben. Und so sehr mitfiebert, dass man sich aus Versehen schon mal fast selbst einwechselt.
Handball-Romantiker werden den Charme kleiner, enger Handballhallen vermisst haben. Zudem sind solche XXL-Events auch finanziell erstmal ein Griff in den Arm: 2,5 Millionen Euro soll das Spektakel laut ZDF gekostet haben.
Gleichzeitig war der Abend in der Merkur-Arena aber auch jede Menge Balsam auf die Handballer-Seele. Maximale mediale Präsenz, Hochglanz-Werbung für den DHB und endlich die Aufmerksamkeit, die der Handball verdient.
Die Kulisse war überwältigend, für Fans und Spieler gleichermaßen. Und auch die Einschaltquote im TV stimmte. Der Startschuss für die Heim-EM hätte nicht lauter ausfallen können.
Die Euphorie, die die über 53.000 Fans gemeinsam mit den 16 deutschen Spielern entfacht haben, kann die Mannschaft noch weit tragen. Mindestens bis nach Berlin, wahrscheinlich bis nach Köln. Und was in der Lanxess-Arena an Stimmung möglich ist, wenn die Handballfamilie die Mannschaft, sich selbst und den Handball feiert, wissen wir ja seit 2007.
Nüchtern betrachtet - und auch ganz ohne Guinness - bleibt unter dem Strich ein neuer Weltrekord vor einmaliger Kulisse. Einmalig. Oder?
In Zweite Welle schreibt Bestseller-Autor Daniel Duhr regelmäßig über aktuelle Handball-Themen auf und neben der Platte. Und lädt Euch damit zur Diskussion ein. Welchen Standpunkt vertretet Ihr? Wir freuen uns auf Eure Meinungen bei Facebook und Co.
Daniel Duhr ist Autor der Reihe "Handballhölle", die allesamt zu Bestsellern geworden sind. Ebenso wie das kurz vor der EM erschienene Buch "Bock auf Handball", in dem Persönlichkeiten aus dem Handball wie Silvio Heinevetter oder Bob Hanning interessante Geschichten aus dem Handball erzählen und Bennet Wiegert beispielsweise über eine Auswärtstour nach Sibirien berichtet.
Daniel Duhr