vor 22 Stunden
In 193 Sekunden zur Legende
Dieter Waltke, nicht zuletzt bekannt durch seinen Vier-Minuten-Einsatz im Finale der Handball-WM 1978, feiert am heutigen Dienstag, den 26. Dezember 2024, seinen 71. Geburtstag. Der Linksaußen bestritt 76 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft und erzielte dabei 118 Tore.
Die Handball-Karriere von Dieter Waltke, aufgrund der an Jimmy Hendrix erinnernden Haarpracht nur "Jimmy" gerufen, ist von einigen Kuriositäten geprägt. Den Weg zum Handball fand Waltke über die Leichtathletik, als der 16-Jährige sich dann der Handballabteilung des TV Hille anschloss.
Bei einem Trainingsspiel des B-Kaders der deutschen Nationalmannschaft in Lübbecke gegen eine Kreisauswahl erzielte Waltke 12 Treffer für den Gegner und wurde von damaligen Bundestrainer Vlado Stenzel prompt für das nächste Spiel des B-Kaders in Dänemark berufen.
Noch im selben Jahr wechselte der Linksaußen zum TSV Grün-Weiß Dankersen (heute GWD Minden), bevor er sich 1979 dem Rivalen TuS Nettelstedt (heute TuS N-Lübbecke) anschloss. Mit Dankersen feierte Waltke unter anderem die Deutsche Meisterschaft (1977) und krönte sich zweimal zum deutschen Pokalsieger (1976, 1979).
Während seiner Station in Nettelstedt führte Waltke sein Team als Kapitän zum Europapokalsieg und zum Pokalsieg (1981). Im Jahr 1985 erfolgte der Wechsel zurück zum TV Hille, dort gelang Waltke in den letzten fünf Jahren seiner Karriere der zweimalige Aufstieg aus der Verbandsliga in die damalige Regionalliga West.
Kopenhagen, 5. Februar 1978: In der Bröndby-Halle erwarten 7.000 Zuschauer das Finale der Handball-WM zwischen der deutschen und der sowjetischen Auswahl - mit dabei ist auch Dieter Waltke, der dem Finale mit seinem Vier-Minuten-Auftritt seinen Stempel aufdrückt.
Die Vorrunde hatte für die deutsche Auswahl, die mit 23,6 Jahren im Schnitt das jüngste Team im Wettbewerb stellte, einige Stolpersteine geborgen, trotzdem zog das Team von Bundestrainer Stenzel mit drei Siegen in die Hauptrunde ein. In der Hauptrunde wurde das Turnier dann zum ersten Mal kurios, nicht nur der deutsche Bruderkampf zwischen der BRD und der DDR, endete mit einem Unentschieden, auch das deutsche Duell mit Rumänien hatte keinen Sieger.
Doch auch ohne Sieg sollte es für die bundesdeutsche Auswahl für das Finale reichen. Dort wartete die sowjetische Auswahl, die als der klare Favorit in das Turnier gegangen war. Die deutsche Auswahl ging zwar mit 1:0 in Führung, doch beim 1:3 und 5:7 schienen die Sowjets ihrer Favoritenstellung gerecht werden zu können. Deutschland kam dann wieder auf und konnte zum Seitenwechsel zum 11:11 ausgleichen.
In der zweiten Hälfte sollte die Stunde von Dieter Waltke schlagen. Bundestrainer Vlado Stenzel hatte Waltke zuvor in keinem Spiel eingesetzt. Im WM-Finale stand der Linksaußen zumindest erstmals auf dem Spielbericht, doch er durfte in der ersten Halbzeit noch nicht auf das Parkett. In der 39. Spielminute war es dann aber soweit, Stenzel war unzufrieden mit der Deckungsleistung von Arno Ehret und wollte dem Außen eine kurze Auszeit und neue Anweisungen geben.
13:12 stand es zu diesem Augenblick, das Spiel stand auf des Messers Schneide, beide Teams agierten zögerlich. Doch nicht Waltke, der sich von Außen einen Wurf nahm und verwandelte. Damit nicht genug, Deutschland gewinnt in der Deckung den Ball, Brand schickt Waltke auf die Reise und dieser erhöhte auf 15:12. Aber Waltke legte sogar noch nach, er hatte Selbstvertrauen getankt. Der Außenspieler fasste sich im nächsten deutschen Angriff ein Herz und versuchte es gegen die großgewachsenen Sowjets aus dem Rückraum - erfolgreich, Deutschland führte 16:12.
193 Sekunden hatte Waltke dem Vernehmen nach auf dem Parkett gestanden, danach durfte er wieder auf der Bank Platz nehmen. Spötter sprachen später davon, dass Stenzel die drei Tore Waltkes gar nicht mitbekommen habe, da er Ehret instruiert habe. Stenzel selbst hatte im Nachgang betont: "Dass ich Waltkes Tore nicht mitbekommen habe, da ich mich mit Ehret befasst hätte, ist nicht korrekt."
Bis zum 20:16 verteidigte die deutsche Auswahl die Führung, doch die Sowjets warfen alles in den Schlussspurt und kamen noch einmal auf. Doch die deutsche Auswahl hielt stand und so bezwang der Außenseiter den großen Favoriten mit 20:19 und war erstmals nach 1938 wieder Weltmeister im Hallen-Handball.
"Was wäre wohl passiert, wenn ich mehr als vier Minuten gespielt hätte? Hätten wir dann auch gewonnen?", erinnert sich Waltke im Beitrag auf der DHB-Homepage mit einem nachdenklichen Schmunzeln zurück an das WM-Finale 1978. Noch mit über 65 spielte der pensionierte Oberstudienrat übrigens in der Traditionsmannschaft von GWD, er wohnt weiter in Hille und hält sich unter anderem mit Radfahren und Tennis fit.
red