04.01.2024, 18:42
Fünf Treffer beim Debüt
Martin Hanne war die große Überraschung im Kader von Alfred Gislason für die Handball-EM. Warum der Bundestrainer ihn im Kader von Deutschland haben wollte, zeigte der 22-Jährige gleich bei seinem Debüt - und das nicht nur aufgrund seiner fünf Treffer.
"Sie kommen rein, sie machen ihr erstes Länderspiel. Sie machen direkt ein Tor, wie kann man so cool sein?", wurde Martin Hanne im Interview bei der ARD direkt nach dem Spiel gefragt - und mit der Coolness, mit der er das erste seiner insgesamt fünf Tore erzielte, antwortete der Debütant im DHB-Team: "Ja, das ist auch das, was Alfred von mir verlangt hat. Dafür hat er mich auch in den Kader geholt."
Ein "sehr gutes Spiel" attestierte ihm Bundestrainer Alfred Gislason, der auch den "sehr guten Abwehrspieler" Hanne schätzt. Das führte auch zu einer ungewohnten Rolle: Für den geschonten Rune Dahmke begann Hanne auf Linksaußen.
Bei seinem ersten Treffer wurde er geholt und wies aus dem Rückraum seine Wurfstärke nach. "Natürlich haben wir das trainiert, ihn rumzubringen", gestand Gislason und schob hinterher: "Diese Idee haben wir uns von den Dänen geklaut, die machen das mit Kirkeløkke. Und Martin hat das gut gemacht."
"Zwischen Weihnachten und Neujahr beim ersten Lehrgang hatte Alfred das mit mir beschrieben und dann haben wir das eingeübt. Das hat dann zunächst im Training immer besser und dann auch im Spiel funktioniert. Das ist sicherlich eine Waffe, die wir haben", erklärt Hanne gegenüber handball-world.
"Da geht es einfach darum, sich keine Platte zu machen", so Martin Hanne, der mit Blick auf die Spielphilosophie anfügte: "Man kann Fehler machen im Handball, aber wenn man dann verschießt, dann soll man das mit 100 Prozent machen, voller Leidenschaft."
Der Recke gestand: "Heute hatte ich halt das Glück auch auf meiner Seite und habe die Dinger dann halt reingemacht zum größten Teil. Natürlich bin ich da sehr stolz drauf und werde sicher auch recht gut schlafen heute."
"Natürlich komplett neu" sei die Rolle erklärte Martin Hanne in der ARD nach seinem Debüt - auch mit Blick auf seine erste Berufung überhaupt in das Team. "Ich muss mich als der Neue hier auch erstmal reinfinden. Ich merke aber auch, dass es immer immer besser läuft: Die letzte Einheit gestern war schon ziemlich gut und das hat mir Selbstvertrauen gegeben. Und dass es heute im Spiel auch so läuft, gibt mir noch mal mehr Selbstvertrauen."
"Ich weiß: Okay, ich kann hier auf jeden Fall mitspielen und meinen Teil dazu beitragen", so Martin Hanne nach seinem grandiosen Einstand. Dazu habe auch die Mannschaft viel beigetragen, lobt der Rückraumspieler der TSV Hannover-Burgdorf. "Ich wurde sehr gut aufgenommen. Direkt jeder spricht mit mir, jeder hilft mir, ich kann jedem Fragen stellen. Es macht bisher super viel Spaß hier."
"Es ging los mit dem 35er Kader, wo ich natürlich auch noch keine richtigen Anzeichen vorher hatte", erinnerte sich Martin Hanne bei Dyn kurz vor Weihnachten an den ersten Schritt zu seiner Nominierung. Er habe mit Bundestrainer Alfred Gislason zuvor nur "leichte Gespräche" gehabt.
Im Sommer beim Test der TSV Hannover-Burgdorf gegen Barcelona oder beim Duell mit Magdeburg, als er mit einer Daumenverletzung nicht selbst auf dem Feld stehen konnte, habe er den Bundestrainer gesehen, so Hanne. "Er hat mir immer mal wieder gutes Feedback gegeben. Auch, dass er mich beobachtet und ihm die Entwicklung, die ich mache, gefällt."
"Und dann kam die Einladung in den 35er-Kader", so Martin Hanne. Nur Spieler, die auf dieser Liste stehen können für den Turnierstart berufen oder im EM-Verlauf nachnominiert werden. "Allein das schon ist Bestätigung für mich und hat mich noch mal ein bisschen beflügelt, muss ich sagen", berichtet der Rückraumspieler.
Zwei Tage vor der offiziellen Bekanntgabe des Kaders für die EM-Vorbereitung habe er dann einen Anruf verpasst und gut zehn Minuten später zurückgerufen. Es sei eine unbekannte Nummer gewesen, aber als sich Alfred Gislason dann am anderen Ende der Leitung meldete, sei er "schon fast komplett perplex" gewesen.
"Er hat mir dann gesagt, er hätte mich gern dabei", berichtet Martin Hanne bei Dyn unterdessen vom Verlauf des Gesprächs mit dem Bundestrainer. "Ich dachte mir dann so: Okay, das ist wirklich riesig. Ich habe auf der anderen Seite auch viel dafür gearbeitet. Habe versucht mich immer wieder zu verbessern und das hat er gesehen", so der 22-jährige Rückraumspieler.
Martin Hanne war die große Überraschung im Kader von Alfred Gislason für die Handball-EM. Unter dem ehemaligen Bundestrainer Christian Prokop hat der Rückraumspieler den Durchbruch geschafft.
Martin Hanne wurde am 12. Mai 2001 im niedersächsischen Peine geboren und spielte in der Jugend zunächst für die SG Nord Edemissen. In der B-Jugend folgte der Wechsel zu den "Recken".
Als 17-Jähriger debütierte er für die TSV Hannover-Burgdorf in der Spielzeit 2018/19 unter dem damaligen Coach Antonio Carlos Ortega (nun beim FC Barcelona) in der stärksten Liga der Welt. Auch der aktuell in Bietigheim tätige Iker Romero hatte den Youngster in der Jugend-Bundesliga unter seinen Fittichen.
"In der A-Jugend hatte ich Iker Romero als Trainer und er hat mich mit dem spanischen Stil rieisg geformt. Da erfährst du eine ganz andere Form von Handball gegenüber dem, was du vorher kennst. Gemeinsam mit Carlos wurde sehr individuell mit mir gearbeitet und meine Qualitäten geschult. Von daher habe ich beiden sehr viel zu verdanken", erklärte Hanne im Gespräch mit handball-world vor dem Turnierstart.
"Martin hat in mehreren Spielen gezeigt, dass er bereit für die Bundesliga ist und sein komplettes Leistungspotenzial noch lange nicht ausgeschöpft hat", war Sven-Sören Christophersen im Jahr 2021 überzeugt, als er sich mit dem Rückraumshooter auf einen Vierjahresvertrag geeinigt hatte (wir berichteten).
"Bereits in seinen jungen Jahren beweist er eine Durchschlagskraft und Wurfgewalt im Angriff, die in dem Alter bemerkenswert ist und uns noch häufiger erfreuen wird. Er zählt zu den Top-Talenten in Deutschland und wir wollen seine Entwicklung weiterhin fördern", verwies der Sportliche Leiter auf Hannes Fähigkeiten.
"Er ist ein riesiges Talent und entwickelt sich jeden Tag weiter. Martin besitzt einen tollen Wurf, den er durch viele verschiedene Varianten oft unter Beweis stellt. Verbessern muss er sich noch in der Abwehr und das Entscheidungsverhalten im Angriff", hatte Ortega seinerzeit ins Zwischenzeugnis geschrieben.
Im Jahr 2022 folgte aber der Rückschlag: Martin Hanne hatte mit schwerwiegenden Rückenproblemen zu kämpfen, musste elf Monate pausieren. "Dem Rücken geht es sehr gut. Ich habe jetzt aktuell gar keine Beschwerden. Ich arbeite aber auch an meiner Statik. Jetzt haben wir den Punkt getroffen, wo es wirklich gut ist", so Hanne gegenüber handball-world.
"Wir haben sehr viel gemacht, auch mit Spritzen und Einlagen und einer Zahnschiene. Viele Arten von Therapien sollen dafür sorgen, dass das Becken wieder gerade wird und damit sich die Wirbelsäulen-Struktur wieder verbessert", sagte Hanne im Dezember des vergangenen Jahres gegenüber handball-world mit Blick auf seine Leidenszeit und betonte: "Das Gefühl, nicht fit zu sein, war für mich sehr frustrierend."
Nur 13 Spiele konnte er in der vergangenen Spielzeit für die Niedersachsen absolvieren, dabei 19 Tore erzielen. In dieser Saison stehen schon 16 Erstligaeinsätze mit 28 Toren zu Buche. Auch in der Abwehr sammelt der Shooter mittlerweile seine Spielminuten. Insgesamt hat Hanne in Bundesliga und Pokal bislang 101 Partien (94/7) für die Recken bestritten und dabei 164 Tore (146/18) erzielt und 22 Zeitstrafen (19/3) kassiert.
"Er ist ein sehr junger Spieler, der sich in Burgdorf sehr gut entwickelt hat. Ich habe die letzten zwei Jahre alle Spiele von ihm gesehen", erklärte Bundestrainer Alfred Gislason am heutigen Donnerstag. "Er ist extrem explosiv, sehr gut Mann gegen Mann und hat sich gut entwickelt in der Abwehr. Nachdem wir auf Rückraum Links einige angeschlagene Spieler hatten, hat er die Chance verdient."
Auch sein Vereinstrainer Christian Prokop lobt den Rückraumspieler. "Er hat ein bisschen mehr Geduld gelernt, die Abwehr richtig lesen zu können und zu wissen, wann er angreift. Er hat sich immer wieder nach dem Training angeboten für kleine Extraschichten", erklärte der frühere Bundestrainer gegenüber der Bild.
"Als Christian Prokop kam, konnte ich nur das erste halbe Jahr spielen und war dann verletzt. Auch Christian hat mich persönlich weiter gebracht. In der Zeit bin ich geduldiger geworden und auch mannschaftstaktisch weiter gekommen. Da hat jeder seinen Anteil an meiner Karriere. Aber diese individuelle Schulung in der Jugend war Gold wert", bilanziert Hanne.
cfl, chs, cie, red