01.01.2025, 15:05
Eine Spurensuche ...
2016 wurde die blaue Karte im Handball eingeführt. Doch wie kam es eigentlich dazu? Ein Blick auf die Entstehung der neuen Farbkarte - und ihre Erfinder.
Wer sich auf die Suche nach dem Erfinder der blauen Karte macht, landet schnell bei einem Mann: Der frühere deutsche Schiedsrichter Jürgen Scharoff war national wie international ein gefragter Regelexperte und saß lange in der Regelarbeitsgruppe des Weltverbands IHF. Auch 2016, als die Einführung der blauen Karte beschlossen wurde, gehörte er dem entscheidenden Gremium an.
"In der Vergangenheit war es den am Spiel beteiligten Mannschaften, den anwesenden Medienvertreten, aber auch den Zuschauern nicht klar, ob die Schiedsrichter eine Disqualifikation mit Bericht (also mit zusätzlichen Disziplinarmaßnahmen) oder eine Disqualifikation ohne Bericht (landläufig Matchstrafe) ausgesprochen hatten", erläuterte Scharoff die Hintergründe der Einführung 2016 im Fachblatt "der handball-schiedsrichter". "Die neu eingeführte blaue Karte soll für mehr Klarheit in diesem Bereich sorgen."
Der vierte Farbkarton - neben Gelb, Rot und der Grün für die Auszeit - hatte von Anfang an vor allem eine Signalwirkung.
"Ist eine Regelwidrigkeit gemäß Regel 8:6 bzw. 8:10a oder 8:10b zu ahnden, zeigen die Schiedsrichter nach der roten Karte auch noch die blaue Karte und verfassen, wie bisher auch üblich, nach Spielschluss einen schriftlichen Bericht für die zuständige Instanz, die für weitere Maßnahmen verantwortlich ist", hieß es erklärend in der Zeitschrift. "Die eigentliche Disqualifikation wird also weiterhin durch die rote Karte angezeigt; die blaue Karte stellt lediglich eine zusätzliche Information dar."
Klarheit sei ein ganz entscheidender Faktor für die blaue Karte gewesen, die heute zu jeder Schiedsrichter-Ausstattung gehört. "Wir haben uns gefragt: Wie zeigen wir den Vereinen und der Öffentlichkeit, das ein Bericht folgt?", sagt Scharoff. "Es gab vorher Vereine, die überrascht von einem Bericht waren - oder es durch Überredung der Schiedsrichter geschafft haben, einen verbal angekündigten Bericht noch zu verhindern. Es war nicht transparent, bis die blaue Karte eingeführt wurde."
Die Ehre, die blaue Karte erfunden zu haben, gehört jedoch nicht Scharoff - der Regelexperte verweist stattdessen auf zwei seiner damaligen Kollegen in der Regelarbeitsgruppe der IHF:
Im Februar 2014 entwickelten der damalige IHF-Schiedsrichterwart Manfred Prause und sein designierter Nachfolger Ramon Gallego erstmals die Idee, für Vergehen gemäß Regel 8:6 und 8:10a zusätzlich eine "Blaue Karte" zu verwenden; im März 2014 wurde diese Idee in der fünfköpfigen Regelarbeitsgruppe aufgegriffen und besprochen.
Teilnehmer dieses Treffens der Regelarbeitsgruppe waren neben Scharoff, Prause und Gallego die damaligen weiteren Mitglieder Heiner Brand sowie der Schweizer Hanspeter Knabenhans.
"Die seinerzeitige Ausgestaltung der Handhabungsregelungen für die Schiedsrichter war allerdings noch sehr rudimentär und der Zeitrahmen bis zur anstehenden neuen Saison sehr kurz, sodass eine ursprüngliche Überlegung, diese Ergänzung der Schiedsrichterhandzeichen bereits 2014 einzuführen am Ende fallengelassen wurde", erinnert sich Scharoff heute.
Zwei Jahre später wurde die blaue Karte dann auf Empfehlung der Regelarbeitsgruppe gemeinsam mit vier anderen Regeländerungen - der Passanzahl beim passiven Spiel, der Drei-Angriffs-Pause für verletzte Spieler, der Neuregelung des 7. Feldspielers sowie der Sonderregel für die letzten 30 Sekunden - in das Regelwerk aufgenommen.
Doch wer hat die blaue Karte jetzt genau erfunden: Manfred Prause und Ramon Gallego?
"Das kann leider nicht mehr zweifelsfrei geklärt werden", bedauert Scharoff. Manfred Prause verstarb 2021 im Alter von 81 Jahren. "Der noch lebende Beteiligte Ramon Gallego kann sich nach eigenen Angaben nicht mehr erinnern", sagt Scharoff, der sich für handball-world bei dem Spanier erkundigt hatte. "Das ist aus meiner Sicht aber auch nicht schlimm, da der Erfolg bekanntlich immer viele Väter hat."
Julia Nikoleit