11.09.2024, 06:00
Zweite Welle - Deine Handball-Kolumne
Kolstad IL erwartet zum Champions-League-Start heute direkt den FC Barcelona. Einige Stars haben den Klub aus Norwegen bereits verlassen. Viel übrig ist vom einstigen Leuchtturmprojekt schon längst nicht mehr. Ist der Klub um Superstar Sander Sagosen schon gescheitert?
Bis 2021 war Kolstad nur ein kleiner Punkt auf der norwegischen Landkarte, auf der internationalen Handball-Landkarte sogar ein ganz kleiner. Und der dort ansässige Verein Mittelmaß in einer mittelmäßigen Liga. Bis Jostein Sivertsen seinerzeit diese gewaltige Ansage machte:
"Kolstad Handball wird das Ziel erreichen, bis 2024 der beste Handballverein Norwegens zu werden. Sowohl der Verein als auch die Spieler haben den Ehrgeiz, dass Kolstad Handball ein internationales Spitzenteam wird, das sich an der Spitze der Champions League behauptet."
So kündigte Kolstads Manager das neue Großprojekt im internationalen Handball an. Startschuss: Sommer 2022. Ziel: Nicht weniger als der Gewinn der Champions League nach drei Jahren im Sommer 2026. Kurzum: Der kleine Stadtteil im Trondheimer Süden wollte sich zu den Barcelonas, Paris, Veszpréms und Magdeburgs gesellen.
Möglich machte diese Vision eine im Vereinshandball in der Konzentration immer noch außergewöhnliche Finanzspritze. Mit sehr viel Geld aus einem Pool finanzstarker Sponsoren, mittendrin der Lebensmittelkonzern Rema 1000 als Hauptsponsor, sollte das Leuchtturmprojekt möglichst schnell anfangen zu leuchten.
Im Sommer 2022 folgten die ersten Stars wie geplant dem Ruf aus ihrer Heimat, dem Ruf des großen Geldes oder beidem. Torbjörn Bergerud kam von GOG, Magnus Gullerud aus Magdeburg, Janus Smarason von Frisch Auf Göppingen und Sigvaldi Gudjonsson aus Kielce.
Und vergangenen Sommer folgten Magnus Rød aus Flensburg und Sander Sagosen vom THW Kiel. Damit hatte Trainer Christian Berge, der für dieses Projekt die norwegische Nationalmannschaft abgab, sein Fundament an absoluten Top-Spielern.
Die erste Saison verlief entsprechend der großen Namen wie im Bilderbuch. Auf Anhieb feierte Kolstad die erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte und holte sich dazu den norwegischen Pokal.
Im Juli 2023 störte dann eine erste Hiobsbotschaft das Handball-Märchen vom Reißbrett: Wie der Verein damals mitteilte, mussten aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtlage die Gehälter für Spieler, Trainer und andere Angestellte gekürzt werden. Sagosen und Co. sollten auf 30 Prozent Gehalt verzichten.
Danach sollten dann noch einmal 20 Prozent weniger bezahlt werden. Spieler und Vereinsführung verhandelten. Smarason suchte das Weite und landete beim SC Magdeburg, der Rest blieb. Vorerst. Die Spieler akzeptierten die empfindlichen Einbußen und dürfen laut Club auf Teilkompensation im Fall sportlicher Erfolge und damit einhergehender Prämien hoffen.
Der Freude über Sagosens vorzeitige Verlängerung bis 2027 folgte dann kurz darauf die Ankündigung, dass Magnus Rød nach nur einer Saison wieder geht. Er spielt seit diesem Sommer für Pick Szeged. In der Champions League war schon in der Gruppenphase Schluss - ein Tiefschlag für die eigenen Ansprüche.
Direkt zum Beginn der neuen Champions-League-Saison spielt Kolstad am heutigen Abend erst gegen den FC Barcelona und dann eine Woche später gegen den SC Magdeburg. Einer, der ein ganz großer Verein werden will, muss sich also mit zweien messen, die schon ganz große Vereine sind. Vielleicht gehen im Anschluss beim selbst ernannten Leuchtturmprojekt dann langsam die Lichter aus.
In Zweite Welle schreibt Bestseller-Autor Daniel Duhr regelmäßig über aktuelle Handballthemen auf und neben der Platte. Und lädt Euch damit zur Diskussion ein. Welchen Standpunkt vertretet Ihr? Wir freuen uns auf Eure Meinungen!