11.11.2024, 09:00
Dominik Klein pfeift an der Basis in Bayern
Als Spieler wurde Dominik Klein Weltmeister, als Schiedsrichter steht er seit 2023 in seiner bayrischen Heimat beim Kinderhandball auf dem Feld. Über einen Rollenwechsel und Autogrammanfragen an den Unparteiischen…
So gerne er sämtlichen Autogramm- und Selfiewünschen auch nachkommen will, als Schiedsrichter hat Dominik Klein eine eiserne Regel: Das Spiel hat Vorrang. "Wenn die Kinder erkennen, wer sie pfeift, fragen sie oft vor dem Spiel schon nach Autogrammkarten und auch Trainer bitten oft um ein Foto", schmunzelt der 40-Jährige. "Das ist natürlich total schön, aber ich sage dann immer: Lass uns erst einmal das Spiel machen, vorher geht das doch nicht."
Ein Nationalspieler an der Pfeife: Seit knapp anderthalb Jahren ist Klein stolzer Besitzer seiner Schiedsrichterlizenz und pfeift für seinen Heimatverein TSV Schleißheim im Kinderhandball. "Ich wollte einfach helfen", erklärt der frühere Linksaußen. "Unser Verein braucht jeden Schiedsrichter, um das vorgegebene Soll zu erfüllen. Und wenn ich im Kinderhandball Spiele übernehme, entlastet das auch unsere höheren Schiedsrichter, weil sie dort nicht mehr hinmüssen oder das Gespann nicht gesplittet werden muss."
Am 19. März 2023 absolvierte Klein sein Debüt als Schiedsrichter, bei einem Heimspiel der weiblichen D-Jugend des TSV Schleißheim. Sein Ziel ist es, pro Saison mindestens so viele Spiele zu übernehmen, dass er als Schiedsrichter für seinen Verein angerechnet werden kann. "Es macht mir viel Spaß und Freude", berichtet er und ergänzt verschmitzt: "Manchmal muss ich mich allerdings zurückhalten, dass ich das Spiel nicht zu sehr mit Traineraugen sehe - und die Spieler auffordere, sich freizulaufen."
Der Ex-Nationalspieler genießt die neue Perspektive auf seine Sportart - und lernt fleißig dazu. "Unser Bezirksschiedsrichterwart Robert Nemec hat mich beim ersten Spiel begleitet und mir coole Tipps gegeben", schildert er. "Er hat mir zum Beispiel empfohlen, den Arm mit der Pfeife lang zu lassen statt den Arm angewinkelt bereit zu halten. Durch die längere Reaktionszeit pfeift man nicht immer ad hoc, sondern hat eine Sekunde länger Zeit, zu beobachten und nachzudenken."
Sein größtes Problem: In der D-Jugend progressiv einzugreifen. "Robert hat mir gesagt, dass ich auch mal eine gelbe Karte geben darf, aber damit tue ich mich bei den Kindern schwer", verrät Klein. "Ich muss mir bewusster machen, dass es eine Erziehungsmaßnahme, keine Strafe ist - ich zeige den Kindern, dass wir ohne Klammern spielen wollen."
Inzwischen absolviert Klein bereits seine zweite Saison, in Kürze hat er seine erste Doppel-Ansetzung. "Ich freue mich sehr auf die beiden Spiele", sagt er. Mit seinen Fehlern als Schiedsrichter umzugehen, ist jedoch immer noch ein Lernprozess. "Ich bin als Leistungssportler perfektionistisch veranlagt, dass ich Fehler mache, ist schwierig für mich", schmunzelt er. "Ich habe mich bei Kauth/Kolb - unseren Bundesligaschiedsrichtern aus Bayern - erkundigt, wie man von diesem Denken wegkommt."
Wie hat sich durch das eigene Pfeifen der Blick auf das Schiedsrichterwesen verändert? "Im Nachgang ist das Ansehen der Schiedsrichter deutlich gestiegen", sagt er offen. "Wenn ich auf der Tribüne mitbekomme, dass gemeckert wird, versuche ich jetzt, die Schiedsrichtersicht entgegenzusetzen." Er habe, das betont Klein mehrfach, auch einen großen Respekt vor den Akteuren im Schiedsrichterwesen an der Basis.
"Die Leute, die sich in den Vereinen und Landesverbänden um die Schiedsrichter kümmern, machen einen grandiosen Job", lobt er und erwähnt als Beispiel seinen Schleißheimer Schiedsrichterwart Patrick Köbrich. "Die ganze Organisation, Koordination und Kommunikation ist immens und ich kann allen, die sich in diesem Bereich engagieren, nur ein großes Kompliment aussprechen." Auch bei der Neuausbildung habe er "unglaublich viel und differenzierte Motivation" bei seinen Lehrgangskollegen erlebt.
Dass frühere (Profi-)Spieler zur Pfeife greifen, ist aktuell noch eine Seltenheit. "Dabei wäre es so einfach, denn oft ist der Schiedsrichterschein Bestandteil der Trainerlizenz, die viele ehemalige Spieler ja absolvieren", sagt Klein. "Ich hoffe, dass sich vielleicht der ein oder andere findet, der auch zur Pfeife greifen will."
Bleibt eigentlich nur noch eine Frage: Hat es Klein leichter als ein 'normaler' Neueinsteiger, weil seine Entscheidungen auf dem Feld aufgrund seiner Prominenz widerspruchslos akzeptiert werden? "Das habe ich mich auch schon gefragt", lacht der Ex-Nationalspieler. "Sagen wir mal so: Große Einwände gab es bisher noch nicht."
jun