14.05.2024, 09:14
Italien erstmals seit 27 Jahren bei einer WM dabei
Die italienische Nationalmannschaft hat sich nach zwei Erfolgen über Montenegro erstmals seit 1997 wieder für eine Weltmeisterschaft qualifiziert. Mit Interview mit handball-world spricht Domenico Ebner über den historischen Erfolg, die Effekte für den Sport in seinem Land und seinen Wunschgegner für die WM.
Hallo Herr Ebner, Glückwunsch zur WM-Qualifikation. Sie haben es als erste italienische Mannschaft seit 27 Jahren geschafft, wieder bei einer WM dabei zu sein. Was bedeutet das für Sie?
Domenico Ebner:
Ich kann das gar nicht so richtig in Worte fassen, weil ich jetzt seit sechs, sieben Jahren bei der Nationalmannschaft dabei bin und es war immer das Ziel, sich für ein Großturnier zu qualifizieren. Letztes Jahr haben wir die EM-Qualifikation knapp verpasst, daher dachte ich eigentlich, dass die Qualifikation für die WM schwieriger wird.
Im ersten Spiel gegen die Türkei haben wir mit neun Toren verloren, es aber dann im Rückspiel noch gedreht. Dann haben wir zweimal gegen Belgien gewonnen. Und jetzt zweimal gegen Montenegro zu gewinnen, ist für uns als kleine Handball-Nation ein Riesenschritt nach vorne. Diese WM-Quali ist jetzt etwas, was den Sport wieder nach vorne bringen kann.
Deswegen ist es für uns fast so wie ein WM-Sieg für Deutschland. Vielleicht passt der Vergleich nicht so ganz, aber wer die Emotionen gesehen hat, dass die Spieler eine Minute vor Schluss angefangen haben zu heulen, weil niemand von uns das erwartet hat, wird erkennen, dass es eine unbeschreibliche und historische Sache für uns ist.
Sie haben den Weg gerade beschrieben. Dabei war Montenegro als EM-Teilnehmer wohl die größte Herausforderung für Sie. Wie sind Sie an diese Partien herangegangen?
Ebner:
Man darf nicht vergessen, dass wir schon einige Ausrufezeichen wie die knappen Niederlagen gegen Slowenien und Polen gesetzt haben. Wir wussten daher, dass nicht viel fehlt, um so einen großen Gegner auch mal schlagen zu können. Wir haben dabei auf unsere Heimstärke gehofft und hatten mit unserem ersten Spiel in Apulien seit langer Zeit ein volles Haus. Da war es natürlich super, dass wir einen Vorsprung mit sechs Toren mitgenommen haben. Das war so ein bisschen der Augenöffner, dass wir es schaffen können.
Dann gehst du ins Rückspiel und hast schon ein bisschen Bammel vor der Halle, denn du weißt, wenn es eng wird, wird die Halle komplett gegen dich sein. Das haben wir aber trotz der Verletzung unseres erfahrensten Mittelspielers in der vierten Minute hinbekommen. Es war dann die jungen Spieler wie Simone Mengon, Marco Mengon, Jack Savini oder Davide Bulzamini, die in die Bresche gesprungen sind.
Sie haben gerade die Atmosphäre in Montenegro angesprochen. Wie haben Sie es geschafft, dort kühlen Kopf zu bewahren? Schließlich ist das Team noch sehr jung.
Ebner:
Wir wollten einfach unser Spiel wieder durchziehen und wussten aus dem ersten Spiel, welche Dinge gut funktioniert haben. Wir wussten aber, dass wir sie in den ersten Minuten nicht mit zwei, drei Toren wegziehen lassen durften, denn sonst kommt die Halle und dann wird es richtig schwer. Das haben wir sehr gut geschafft, denn Montenegro war nur ein Tor vorne.
Dementsprechend war es für uns klar, dass wir unser Spiel durchziehen. Dass wir dennoch einen kühlen Kopf bewahren, obwohl mehr als die Hälfte unserer Spieler noch nie vor so einer Kulisse gespielt hat, ist eine Wahnsinnssache.
Da hilft es bestimmt auch, einen guten Rückhalt im Tor zu haben. Mit zehn Paraden und einer Quote von fast 30 Prozent haben Sie auch Ihren Teil zum Erfolg beigetragen.
Ebner:
Ich denke, dass es auch ein Grundstein für den Erfolg war. Ich sehe dabei die Szenen vor Augen, bei der Montenegro auf zwei davonziehen kann, aber ich zum Beispiel zwei Würfe von Außen gehalten habe. Ich sehe es aber auch so, dass ich meine Erfahrung aus Deutschland an die jungen Spieler weitergebe und ihnen zeige, was sie sich noch verbessern können, um den nächsten Schritt zu machen.
Ich denke, dass uns das in dem Spiel sehr gut gelungen ist. Es ist aber auch so, dass ich mittlerweile kein Problem mehr damit habe, mich auszuwechseln zu lassen, denn ich weiß, dass Andrea Colleluori auch schon Spiele für uns gewonnen hat. Das finde ich auch megageil, weil in diesen jungen Spielern, die fast alle unter 23 Jahren sind, noch ein Riesenpotenzial schlummert.
Was kann jetzt von so einem Erfolg ausgehen? Sehen wir jetzt mehr Spieler in höheren Ligen und mehr Aufmerksamkeit für den Sport in Italien?
Ebner:
Der Handball ist in den letzten 20 Jahren relativ unter dem Radar gelaufen. Der neue Verband, der ja auch auf mich zugegangen ist, hat sich vor sieben, acht Jahren aber das Ziel gesetzt, dass sie den Sport wieder mehr fördern und sich für eine EM oder WM qualifizieren wollen. Deswegen habe ich mich auch damals für das Projekt entschieden. Mittlerweile muss ich sagen, dass mir die Zeit in Italien immer sehr, sehr guttat, auch für die Bundesliga.
Aber was heißt das jetzt für unsere Sportart? Wir sind diese Woche bei Sky Italia und der Gazzetta dello Sport - die Sportart bekommt also jetzt eine riesige Aufmerksamkeit. Selbst das nationale olympische Komitee ist jetzt wieder auf den Handball aufmerksam geworden. Das sind jetzt die richtigen Schritte, um junge Kinder vom Handball wieder zu begeistern und den italienischen Handball auf der europäischen Landkarte wieder populärer zu machen.
Wenn wir jetzt auf die Auslosung vorausschauen, haben Sie einen Wunschgegner für die WM?
Ebner:
Ich würde mich natürlich über ein Spiel gegen Deutschland freuen. Das wäre ein absolutes Highlight für mich. Ich hatte eigentlich darauf gehofft, dass ich bei der EM vor meiner Haustür dabei bin. Es wäre einfach eine coole Sache. Zudem hoffe ich, dass wir vielleicht einen schwächeren Gegner in der Gruppe haben, den wir schlagen können, um in die Hauptrunde einziehen zu können.
Sebastian Mühlenhof