19.05.2024, 10:00
Junges Engagement im Handball
Luis Pauli und Robin Kremp gehen seit der C-Jugend Seite an Seite: Sie haben zusammen den Sprung zum TSV Bayer Dormagen gewagt, und gehören inzwischen zum Kader in der 2. Handball Bundesliga. Seit Sommer leisten sie gemeinsam einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) bei ihrem Verein. Aber wie lässt sich das vereinbaren? Woraus besteht ihr Alltag? Und: Können das alle machen?
Es ist ein dunkler Dezembertag. Es hat geschneit und ist kalt, Bayer Dormagen befindet sich auf dem Rückweg aus Potsdam. Beim Bundesliga-Aufsteiger gab es eine 22:27-Niederlage, mitten in der Nacht kommen die Wiesel zuhause an. Ausschlafen? Ist nicht. Nicht für Luis Pauli (19) und Robin Kremp (19), die aktuell einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) beim TSV leisten.
Am nächsten Tag müssen die beiden Talente nämlich an der deutsch-niederländischen Grenze im Bildungszentrum auf der Matte stehen. Jeder Freiwilligendienstleistende muss an Seminaren teilnehmen, auch die beiden bleiben davon nicht verschont. Das Thema: Digitalisierung und Sport. Trotz Schlafmangel avancieren die fünf Tage zum Jahreshighlight in Sachen BFD.
"Die Seminare sind einer der größten Pluspunkte", bilanziert Luis Pauli Anfang Mai, sechs Monate nach dem Auswärtsspiel in Potsdam. Nun schloss sich der Kreis, am vergangenen Samstag trafen Dormagen und Potsdam das zweite Mal aufeinander, der Tabellenführer gewann erneut. Den Klassenerhalt machten die Wiesel dennoch am Montag auf den Couch fest.
Für Luis Pauli und Robin Kremp ist es das erste Jahr in der 2. Handball Bundesliga. Parallel leisten beide ihren Freiwilligendienst ab. "Wir wussten auch nicht, was wir nach dem Abitur machen möchten. Dann hat sich das natürlich angeboten. Die Wege sind kurz, ich lebe auch in Dormagen", so Pauli über die Entscheidungsfindung.
Aber was ist eigentlich ein Freiwilligendienst? Darunter fällt nicht nur der BFD, auch das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) oder etwa das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ). Es sind junge Engagierte, die zwölf Monate ehrenamtlich im sozialen Bereich tätig sind. Etwa im Krankenhaus, bei der Tafel, in der Schule - oder auch im Sportverein. Bundesweit leisten etwa 100.000 Menschen pro Jahr einen solchen Dienst.
Die Aufgabenbereiche sind dabei verschieden: allein in Dormagen. Kremp: "Ich bin im Trainerbüro tätig. Ich bereite Statistiken, Individual- und Videoschnitte für alle möglichen Mannschaften ab der C-Jugend bis zum Bundesliga-Team auf." Wie das geht? "Da gibt es ein Programm für. Dort gibt es vorgefertigte Analysetools, die man per Klick auswählen kann. Zum Beispiel, wenn ein bestimmter Spielzug gespielt wird, ein Spieler gegen oder zur Hand geht oder wie er wohin abschließt."
Beide arbeiten nur im offenen Ganztag (OGS) und bei der Betreuung von Jugendmannschaften zusammen. "Ich bin in der Geschäftsstelle eingesetzt", erklärt Pauli: "Ich habe Einblicke in Marketing, in die Vereinsführung, bin bei Sponsorenterminen dabei." Das funktioniere gut: "Ich kann auf Social Media selbstständig Sachen erstellen und meine Ideen wurden immer gehört", freut sich der Linksaußen.
Nicht nur in dieser Rolle hat Pauli in dieser Saison immer wieder glänzen können. Ebenso abseits des Freiwilligendienstes, im Trikot der Mannschaft in der 2. Handball Bundesliga. "Ich war zwar Anfang der Saison wegen einer Sprunggelenksverletzung etwa zwei Monate raus, bin dann aber gut zurückgekommen und habe immer wieder meine Spielanteile bekommen. In den letzten Spielen habe ich dann sehr viel gespielt und auch mal angefangen", so Pauli, der auch als Nachwuchsspieler der Saison nominiert wurde.
Auch Kremp hat mit Verletzungen zu kämpfen: "Eine schwere Schulterverletzung hat mich aber schon im Januar für das Ende der Saison gebremst. Ich muss mich dann zur Vorbereitung wieder rankämpfen." So ist es für den großgewachsenen Rückraumshooter mit der linken Klebe bisher bei einem Tor im deutschen Unterhaus geblieben. Bei Pauli stehen 23 zu Buche.
Sieben davon stammen aus einer haarscharfen Niederlage gegen den TV Großwallstadt. "Aus individueller Sicht war das natürlich das absolute Saisonhighlight. Aber wir haben leider mit einem verloren, da hätte ich lieber den Sieg genommen", konstatiert der Außen - mit einem Punkt wäre der Klassenerhalt schon früher gesichert gewesen. "Das ist das Wichtigste", unterstreichen beide.
Die Profimannschaft ist nicht das einzige Team, zu dem beide in dieser Spielzeit gehören. Als Trainer betreuen sie den Vereinsnachwuchs bei Training und Spielen. "Für mich ist es auch ein ganz klar ein Highlight, eine Jugendmannschaft über eine ganze Saison hinweg zu begleiten und die Entwicklung zu beobachten", so Kremp, der ausführt: "Zu vergleichen, wie sich die Ergebnisse von der Hin- zur Rückrunde positiv entwickelt haben, das macht schon Spaß."
In der nächsten Saison macht er dennoch nicht weiter - das Engagement über den im Sommer endenden BFD auszudehnen, ist zeitlich nicht drin. "In näherer Zukunft würde ich aber wirklich gerne nochmal als Jugendtrainer einsteigen", unterstreicht der Rückraumspieler. Sein Teamkollege bleibt in der E-Jugend an Bord.
Parallel zur nächsten Spielzeit geht es dann auch in Richtung Berufsleben. Pauli strebt eine Ausbildung im Finanzbereich an, auch Kremp interessiert dieses Feld. Aber: "Ein reines Präsenzstudium ist allein aufgrund der morgendlichen Trainingseinheiten quasi unmöglich." Also läuft es auf eine Hybridvariante hinaus.
Es ist dann auch das erste Mal, das beide nicht zusammen den gleichen Schritt tätigen. Seit der D-Jugend kennen sich beide, seit der C-Jugend spielen sie zusammen. Es folgte der Wechsel ins Sportinternat. "Wir hatten Glück, dass Dormagen uns beide wollte", weiß Pauli, der erzählt: "Wir haben uns also das Internat angeschaut und sind beide gewechselt, was die absolut richtige Entscheidung war." Kremp fügt hinzu: "Ohne Luis wäre ich auch nicht auf das Internat gegangen. Allein hätte ich das nicht gemacht."
Im Berufsalltag sollen dann auch die Erfahrungen aus den Seminaren helfen. "Unsere festen Seminare haben ja den Schwerpunkt Digitalisierung", erzählt Kremp, und führt aus: "Da habe ich auch einiges mitnehmen können und zum Beispiel viel über Marketing gelernt. Im Gedächtnis geblieben ist mir auch ein Workshop mit einem Fotografen, der gezeigt hat, wie man ein gutes Foto schießt. Das hat mich deutlich weitergebracht."
Pauli stimmt zu: "Bei diesem Coaching für das Fotografieren habe ich ganz viele Details gelernt, die man vorher nicht auf dem Schirm hatte, und die man total einfach umsetzen kann." Einen weiteren Pluspunkt am Seminaralltag nennt dann der Rückraumhüne: "Außerdem habe ich viele neue Freunde kennengelernt und Kontakte geknüpft."
Im Sommer endet das Kapitel Freiwilligendienst dann für die beiden, bei Dormagen werden neue Engagierte ihren Platz finden. Den Schritt zum BFD oder FSJ zu wagen, können beide allen ans Herz legen. Pauli dazu: "Ich kann es allen empfehlen, egal, in welchem Bereich: Sport oder Nicht-Sport."
Sportlich soll das Abenteuer Profihandball dann für beide weitergehen. "Mein Ziel ist es erstmal, langfristig gesund zu bleiben", stellt der immer noch verletzte Kremp klar: "Dann würde ich mich freuen, wenn ich mich bei Dormagen in der 2. Handball Bundesliga etablieren könnte." Pauli stimmt zu, und schließt: "Und dann kann man immer noch schauen, was geht." Inzwischen ist bei beiden klar, wie es weitergeht: Kremp wird an den Longericher SC ausgeliehen, Pauli an den TuS Opladen.
Ihr absolviert aktuell einen Bundesfreiwilligendienst beim TSV Bayer Dormagen. Wie ist es dazu gekommen?
Luis Pauli:
Ganz einfach eigentlich: Wir stehen nicht nur bei Dormagen unter Vertrag, wir wussten auch nicht, was wir nach dem Abitur machen möchten. Dann hat sich das natürlich angeboten. Die Wege sind kurz, ich lebe auch in Dormagen.
Robin Kremp:
Da kann ich mich nur anschließen. Die Zeiten konnten auch so angepasst werden, dass wir morgens und nachmittags trainieren können, und trotzdem auf unsere Stunden kommen.
Was sind eure Aufgabenbereiche?
Luis Pauli:
Ich bin in der Geschäftsstelle eingesetzt. Ich habe Einblicke in Marketing, in die Vereinsführung, bin bei Sponsorenterminen dabei und arbeite zudem noch im offenen Ganztag. Außerdem betreue ich Handball-AGs und Jugendmannschaften des TSV Bayer Dormagen.
Robin Kremp:
Ich bin im Trainerbüro tätig. Ich bereite Statistiken, Individual- und Videoschnitte für alle möglichen Mannschaften ab der C-Jugend bis zum Bundesliga-Team auf. In der offenen Ganztagsschule (OGS) bin ich auch zwei Tage in der Woche eingesetzt und kümmere mich dort um AGs und die Hausaufgabenbetreuung.
Robin, wie erstellt man so einen Videoschnitt?
Robin Kremp:
Da gibt es ein Programm für. Dort gibt es vorgefertigte Analysetools, die man per Klick auswählen kann. Zum Beispiel, wenn ein bestimmter Spielzug gespielt wird, ein Spieler gegen oder zur Hand geht oder wie er wohin abschließt. Für die C-Jugend habe ich beispielsweise eine Saisonanalyse erstellt, wo ausgewertet wurde, wer wie oft geworfen hat und aus welcher Situation. So hat man am Ende der Saison ein Resümee und kann die Spieler so gezielt verbessern.
Was macht euch besonders viel Spaß bei eurem Freiwilligendienst?
Luis Pauli:
Was besonders viel Spaß macht, sind die Schul-AGs. Am besten finde ich aber das Trainieren der Jugendmannschaften und die Betreuung dieser bei Spielen. Auch die Einblicke in die Vereinsführung sind besonders spannend.
Robin Kremp:
Für mich ist es auch ein ganz klar ein Highlight, eine Jugendmannschaft über eine ganze Saison hinweg zu begleiten und die Entwicklung zu beobachten. Zu vergleichen, wie sich die Ergebnisse von der Hin- zur Rückrunde positiv entwickelt haben, das macht schon Spaß.
Beim Freiwilligendienst muss man eine gewisse Anzahl an Bildungstagen leisten, die sich beispielsweise auch Übungsleiterlehrgängen zusammensetzen. Was habt ihr aus diesen mitgenommen?
Luis Pauli:
18 Bildungstage haben wir bei der Sportjugend selbst geleistet. In diesen Seminaren ist man mit einer festen Gruppe mit anderen Freiwilligen über das ganze Jahr verteilt je eine Woche lang in einer Bildungseinrichtung untergebracht. Abseits davon habe ich zum Beispiel einen Erste-Hilfe-Kurs beim TSV Bayer Dormagen gemacht. Das schadet ja sowieso nie und hilft auch im Alltag.
Robin Kremp:
Unsere festen Seminare haben ja den Schwerpunkt Digitalisierung. Da habe ich auch einiges mitnehmen können und zum Beispiel viel über Marketing gelernt. Im Gedächtnis geblieben ist mir auch ein Workshop mit einem Fotografen, der gezeigt hat, wie man ein gutes Foto schießt. Das hat mich deutlich weitergebracht.
Luis Pauli:
Da kann ich auch zustimmen. Bei diesem Coaching für das Fotografieren habe ich ganz viele Details gelernt, die man vorher nicht auf dem Schirm hatte, und die man total einfach umsetzen kann.
Sprung zum Sportlichen: Wie läuft die aktuelle Saison in der 2. Handball Bundesliga für euch?
Luis Pauli:
Für mich persönlich läuft es - es ist ja auch unser erstes Profijahr - sehr gut. Ich war zwar Anfang der Saison wegen einer Sprunggelenksverletzung etwa zwei Monate raus, bin dann aber gut zurückgekommen und habe immer wieder meine Spielanteile bekommen. In den letzten Spielen habe ich dann sehr viel gespielt und auch mal angefangen. Wir sind jetzt auch kurz vorm Klassenerhalt, das ist das Wichtigste.
Robin Kremp:
Ich kann mich Luis da nur anschließen. Das Wichtigste ist es, die Klasse zu halten. Ich habe sehr viele Erfahrungen sammeln können. Eine schwere Schulterverletzung hat mich aber schon im Januar für das Ende der Saison gebremst. Ich muss mich dann zur Vorbereitung wieder rankämpfen.
Du hast auch einmal sieben Tore geworfen, Luis…
Luis Pauli:
Ja, gegen Großwallstadt. Aus individueller Sicht war das natürlich das absolute Saisonhighlight. Aber wir haben leider mit einem verloren, da hätte ich lieber den Sieg genommen.
Ihr spielt beide seit der C-Jugend zusammen. Woher kennt ihr euch, und warum geht ihr euren Weg Seite an Seite?
Luis Pauli:
Kennen tun wir uns schon seit der D-Jugend. Dann ist Robin in seinem ersten C-Jugend-Jahr nach Rheinbach gegangen, ich habe noch in Badmünstereifel gespielt. Ich bin dann mal zum Probetraining gekommen und habe mich dann ein Jahr später ebenfalls zum Wechsel entschieden. Da haben wir dann immer zusammengespielt, und hatten Glück, dass Dormagen uns beide wollte. Wir haben uns also das Internat angeschaut und sind beide gewechselt, was die absolut richtige Entscheidung war.
Robin Kremp:
Wir haben uns auch auf Anhieb gut verstanden. Ohne Luis wäre ich auch nicht auf das Internat gegangen. Allein hätte ich das nicht gemacht.
Habt ihr sportliche Ziele, die ihr mal erreichen wollt?
Robin Kremp:
Mein Ziel ist es erstmal, langfristig gesund zu bleiben. Ich hatte jetzt schon die zweite schwere Schulterverletzung und hoffe, dass keine weitere dazukommt. Dann würde ich mich freuen, wenn ich mich bei Dormagen in der 2. Handball Bundesliga etablieren könnte.
Luis Pauli:
Mein oberstes Ziel ist es natürlich auch, gesund zu bleiben. Kurzfristig will ich immer mehr Spielpraxis sammeln und mich dann etablieren. Und dann kann man immer noch schauen, was geht.
Apropos kurzfristig. Euer Freiwilligendienst endet im Sommer. Was kommt für euch danach?
Luis Pauli:
Ich werde wahrscheinlich bei einem Sponsor von uns eine Ausbildung machen und in die Finanzbranche gehen. Das ist praktisch, weil man viel online machen kann. Es hat natürlich auch Nachteile, aber ich kann es mir halt viel freier einteilen. So möchte ich mir auf jeden Fall ein zweites Standbein aufbauen.
Robin Kremp:
Ich bin mir noch nicht sicher. Ich würde gerne BWL in Richtung Finanz- und Unternehmungsberatung studieren, weil es mich sehr interessiert. Es würde dann auf eine Mischung aus Präsenz und Online hinauslaufen - ein reines Präsenzstudium ist allein aufgrund der morgendlichen Trainingseinheiten quasi unmöglich. Auch das Einhalten der Regelstudienzeit wird schwierig.
Könnt ihr euch vorstellen, über euren Freiwilligendienst hinaus engagiert zu bleiben und beispielsweise weiter eine Jugendmannschaft zu betreuen?
Robin Kremp:
Ich würde gerne, aber es ist zeitlich einfach zu knapp. In näherer Zukunft würde ich aber wirklich gerne nochmal als Jugendtrainer einsteigen.
Luis Pauli:
Ich bleibe auch in der nächsten Saison dabei und trainiere mit drei anderen die E-Jugenden beim TSV Bayer Dormagen. Wir stecken auch schon mitten im Training. Es macht mir wirklich Spaß.
Zum Abschluss: Was habt ihr aus eurem Freiwilligendienst mitgenommen und würdet ihr ihn weiterempfehlen?
Luis Pauli:
Ich bin viel selbständiger geworden und habe viel mehr Verantwortung getragen. Zum Beispiel kann ich auf Social Media selbständig Sachen erstellen und meine Ideen wurden immer gehört. Das hat auch viel mit Wertschätzung zu tun. Außerdem habe ich in Sachen Zeitmanagement einiges dazugelernt, es ist der erste Einblick in einen geregelten Arbeitsalltag. Ich kann es allen empfehlen, egal, in welchem Bereich: Sport oder Nicht-Sport.
Robin Kremp:
Ich habe auch einiges mitgenommen. Natürlich Einblicke in die Arbeitswelt, über die Seminare aber auch ins Feld der Digitalisierung. Außerdem habe ich viele neue Freunde kennengelernt und Kontakte geknüpft. Ich kann es auch nur empfehlen.
Maximilian Otte