07.08.2024, 15:39
Der U21-Weltmeister spielt groß auf
Renars Uscins ist zum ersten Mal bei Olympischen Spielen dabei. Beim Handball-Turnier der Männer in Paris spielt sich der Rückraumspieler der TSV Hannover-Burgdorf in den Fokus. Gegen Frankreich krönte er seine bisherige Turnierleistung.
Vierzehn Tore in einem Olympia-Viertelfinale, davon vier in der Verlängerung. Darunter der Ausgleichstreffer zur Verlängerung mit der Sirene und der Siegtreffer vier Sekunden vor Schluss: Renars Uscins war nach Thriller gegen Frankreich der umjubelte Held im deutschen Team.
Seine Mitspieler blickten verwundert auf die Show der "Rückraum-Rakete" zurück. "Surreal" nannte Juri Knorr den Endspurt des deutschen Teams, "Wahnsinn, einfach überwältigend. Das passiert einmal in der Karriere. Irgendwie sollte es so sein." Rune Dahmke schwärmte, dass Uscins "das Spiel für uns alleine gewann" und das Ticket für das Halbfinale gegen Spanien sicherte.
"Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte, dass ich auf einmal in so einen Flow gerate", sagte Uscins: "Aber ich glaube, ich habe gefühlt alles vergessen drumherum, was passiert, was ist. Ich habe vergessen, wie wichtig die Würfe sind." Einfach, weil er "überzeugt davon war", dass alle auf wundersame Weise schon reingehen. "Solche Tage hat man nicht immer. Das versuche ich jetzt einfach zu genießen", sagte Uscins.
Auch bei den Siebenmetern übernahm Uscins Verantwortung, dabei sind die in der Nationalmannschaft eigentlich gar nicht seine Aufgabe. "Ich war selbstbewusst, und wir haben ja vorher drei Siebenmeter verworfen. Da habe ich gesagt, ich nehme jetzt den Ball, weil ich auch gesehen habe, dass die anderen vielleicht ein wenig verunsichert sind", erzählte Uscins.
Bundestrainer Alfred Gislason war beeindruckt: "Renars hat ein phänomenales Spiel gemacht. Er macht momentan eins nach dem anderen. Obwohl er auch ziemlich viel Härte mitgekriegt, ist er ruhig geblieben und hat weiter gemacht", sagte der Isländer. Der Shooting-Star bleibt aber demütig: "Ich glaube, das ist einfach diese disziplinierte Arbeit."
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Renars Uscins gilt als eines der größten Talente im deutschen Handball. Sein Talent hat er von seinem Vater Armands Uscins, ehemaliger Nationalspieler für Lettland. Auch wenn er schon lange in Deutschland lebt, hat der Olympia-Debütant noch heute eine Vorliebe für gefüllte Teigtaschen, eine typische lettische Spezialität.
Mit dem Handball begann Renars Uscins bereits in früher Kindheit in Kühnau bei Dessau-Roßlau. Ab seinem 13. Lebensjahr lief er für den SC Magdeburg auf. Bereits als B-Jugendlicher war er Teil des A-Jugend-Kaders der Jugend-Bundesliga.
Nach ersten Einsätzen in der zweiten Herren-Mannschaft des SCM in der 3. Liga, wurde der Rückraumspieler im Februar 2021 vom Handball-Bundesligisten Bergischer HC ausgeliehen. In 23 Ligaspielen kam Uscins in der Folge auf 22 Tore.
Nach dem Ende seiner Leihe kehrte er in die zweite Mannschaft des SC Magdeburg zurück. Im Februar 2022 erfolgte dann der Wechsel zur TSV Hannover-Burgdorf, wo er in der zweiten Mannschaft eingesetzt wurde und seit der Saison 2022/23 dem Bundesliga-Kader angehört.
Mit den "Recken" erreichte er in der Saison 2022/23 den sechsten Platz in der Bundesliga und nahm in der folgenden Saison erstmals an einem europäischen Wettbewerb (EHF European League) teil.
Der Linkshänder, der auf Rückraum Rechts eingesetzt wird, erhielt bereits als 19-Jähriger seine erste Einladung zum Lehrgang der Handball-Nationalmannschaft. Außerdem wurde er 2021 Europameister mit der Junioren-Nationalmannschaft und platzierte sich bei diesem Turnier im All-Star-Team.
Im April 2023 gab er aufgrund starker Leistungen in der Bundesliga sein Länderspiel-Debüt im DHB-Dress. Auch beim Abschluss des EHF Euro Cups stand Uscins im Kader von Alfred Gislason. Bei der U-21-Nationalmannschaft ging er als Kapitän voran und führte die deutsche Mannschaft 2023 zum WM-Titel.
Bei seinem Debüt in der A-Mannschaft überzeugte der Linkshänder direkt und traf gegen Schweden fünfmal, gegen Spanien erzielte Uscins einen Treffer. Nach dem Schlusspfiff verriet Uscins: "Ich träume ein wenig von der Europameisterschaft 2024."
Dieser Traum ging für den U-21-Weltmeister dann in diesem Januar auch in Erfüllung. Vor allem im Halbfinale gegen Dänemark spielte sich der Debütant - auch nach dem Ausfall von Kai Häfner - in das Rampenlicht. Mit fünf Treffern war er der erfolgreichste Werfer des Teams und wurde nach dem Schlusspfiff als Spieler des Spiels ausgezeichnet.
Bei den Olympischen Spielen 2024 knüpft Renars Uscins bisher nicht nur an seine EM-Leistungen an, er übertrifft sie sogar noch. Beim Auftaktsieg von Deutschlands Handballern überzeugte der 22-jährige Rückraumspieler und war mit seinen acht Treffern gegen Schweden der erfolgreichste Werfer seines Teams. Im Japan-Spiel erzielte Uscins seine sieben Tore bereits in der ersten Hälfte.
Spätestens bei Olympia ist also aus dem Rookie eine feste Größe im rechten Rückraum geworden. "Renars hat beide Spiele bis jetzt super gespielt und hat kaum Fehler gemacht", lobte Bundestrainer Alfred Gislason. "Die Entwicklung ist so, wie wir uns das erhofft haben", sagte Gislason. Der U-21-Weltmeister von 2023 steuerte in der Folge zum 33:31-Erfolg gegen Spanien acht Treffer bei.
Seine große Nervenstärke bewies er eindrucksvoll im Olympia-Viertelfinale gegen Frankreich. Im Duell mit dem Gastgeber verwandelte Uscins in der Schlussphase der regulären Spielzeit zwei wichtige Siebenmeter - und rettete mit seinem Tor kurz vor dem Ende der 60 Minuten Deutschland in die Verlängerung. Er war es auch, der schließlich den Siegtreffer erzielte.
Gegen den amtierenden Europameister und Olympiasieger zeigte Renars Uscins generell eine phänomenale Leistung, traf 14 Mal (bei 67 Prozent Trefferquote) - und verhalf dem DHB-Team in einem absoluten Handball-Krimi zum Halbfinal-Einzug.
Neben dem Handball träumt Kaffee-Fan Uscins davon, ein eigenes Café zu eröffnen. "Mit lettischen Spezialitäten", verriet er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Inspiriert wird er von seiner Mutter Aija, die in einem Onlineshop Tee aus Lettland, dem Geburtsland der Familie, verkauft.
Der Wunsch nach einem eigenen Cafe kann allerdings noch etwas warten. Dieser Tage lebt Uscins erstmal seinen sportlichen Traum. Der Sohn des früheren lettischen Handball-Nationaltrainers Armands Uscins hätte es "nicht erwartet", überhaupt bei den Olympischen Spielen dabei zu sein. "Jetzt bin ich sehr dankbar und aufgeregt, hier zu sein", sagt er.
lmk, SID, bec