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Personaldecke immer dünner
Aus Barcelona nach Stuttgart: Hinter dem SC Magdeburg liegt eine mehrtägige Auswärtsreise. Nach dem Pflichtsieg in der Daikin Handball-Bundesliga atmete Trainer Bennet Wiegert erst einmal durch - und kämpft vor dem nächsten Spiel gegen Zagreb mit der Belastung.
Das Spiel gegen Stuttgart war keine halbe Stunde beendet, da war Bennet Wiegert mit dem Kopf schon wieder bei den kommenden Aufgaben. "Wir bereiten uns ab Montag auf Zagreb vor, weil wir endlich Punkte in der Champions League benötigten", erklärte der Trainer des SC Magdeburg am Sonntagabend. Um 11 Uhr hat er sein Team heute Morgen schon zum Training gebeten: "Mit welchem Kader? Das weiß ich noch nicht."
Neben den längerfristig Verletzten wie Tim Hornke und Felix Claar fehlte in Stuttgart unter anderem Rechtsaußen Isak Persson (Fieber) kurzfristig; Rückraumspieler Albin Lagergren musste einspringen. "Wir spielen schon am Mittwoch gegen Zagreb und ich brauche zwei Trainingseinheiten, um das so vorzubereiten, dass die Chance auf Erfolg steigt", erklärte Wiegert die fehlende Atempause nach der strapaziösen Auswärtstour. "Danach haben wir endlich einen Ruhetag."
Er sei "erleichtert und glücklich", so Wiegert, dass seine Mannschaft trotz der kurzfristigen Ausfälle einen solchen Sieg feiern könne. "Das tut gut, weil wir jede Woche nicht so richtig wissen, wo wir stehen. Es tut gut, um Sicherheit reinzubekommen", hielt der Trainer fest und lobte neben der Angriffseffektivität nach der Pause, als Magdeburg mit einem 7:1-Lauf die Weichen auf Sieg stellte, auch explizit Torwart Nikola Portner.
Während der SC Magdeburg sich mit 12:2 Punkten in der Bundesliga-Spitzengruppe wiederfindet (3. Platz) ist man in der Gruppenphase der Champions League aktuell Vorletzter. "Wir könnten schon ein paar Punkte mehr haben, das müssen wir stabilisiert bekommen", forderte Wiegert vor dem Heimspiel gegen den Gruppenletzten HC Zagreb.
Abseits der reinen Punkteausbeute beschäftigte den Trainer jedoch auch ein anderes Thema: Die Belastung seiner Spieler. "Die Belastung ist, auch mit den ganzen Reisen, nicht wegzureden", betonte er. "Das kann man in der Bundesliga beobachten und das sollte man beobachten."
Dass das Thema Wiegert am Herzen liegt, war in Stuttgart spürbar. "Alleine an diesem Spieltag, wenn ich sehe, dass wieder zwei Kreuzbandrisse passiert sind: Das kann man nicht alles auf eine Kontaktsportart schieben", führte der SCM-Trainer aus und ergänzte emotional: "Das tut mir für jeden Spieler einfach weh, weil da schwierige Verletzungen sind, wo es um Karrieren gehen kann."
Er wolle nicht nur "rummuffeln", aber Lösungsansätze habe er leider nicht. "Die Spiele bringen den Kommerz, den wir benötigen, wir brauchen die wirtschaftliche Power. Dennoch, wenn ich als Handballfan draufgucke, kann man es mir bitte nicht übel nehmen, wenn ich sage: Es ist auffällig", so Wiegert.
Ein Punkt in der aktuellen Verletzungsmisere in der Bundesliga ist die noch einmal erhöhte Belastung durch die Olympischen Spiele, das ist auch Wiegert bewusst („Das trägt seinen Teil bei“). Auch Sportwissenschaftler Frowin Fasold hatte bereits vor dem Kreuzbandriss von Jerry Tollbring mit Blick auf die Verletztenliste konstatiert: "Der Zusammenhang zwischen Olympia und der Verletzungsserie - und die jüngsten Meldungen werden nicht die letzten Ausfälle gewesen sein - ist klar zu sehen."
Das Problem sei dabei nicht alleine die hohe Spielanzahl. "Die Spiele an sich haben an der Überbelastung nur einen kleinen Anteil", hatte Fasold gegenüber handball-world erklärt. "Das notwendige Training und gerade die Reisestrapazen summieren sich auf und sorgen zusammen mit den Spielen für eine Überbelastung."
"Mir tun aktuell die Magdeburger leid. Die drei Punkte, die sie bislang in der Champions League haben, sind das Ergebnis einer völligen Überbelastung. Viele unterschätzen dabei die Reisestrapazen, das ist das, was am meisten schlaucht. Das Warten auf einen Flug, die langen Anfahrtszeiten. Das nimmt dem Sportler viel Energie", hatte auch Herbert Müller, Chefcoach vom Frauen-Erstligisten Thüringer HC, zuletzt bei handball-world betont.
Auch für den SC Magdeburg wird die Belastung, trotz des Ruhetags nach dem Champions-League-Spiel am Mittwoch gegen Zagreb, in absehbarer Zeit nicht weniger. Vier Tage später geht es gegen Lemgo, dann reisen die Spieler zu ihren Nationalmannschaften - und anschließend erwartet sie mit dem Pokal-Kracher beim THW Kiel, den Auswärtsspielen gegen das aktuell in der Bundesligatabelle vor ihnen liegende Duo MT Melsungen und TSV Hannover-Burgdorf sowie dem Auswärtsspiel in Zagreb ein volles Programm - und anschließend gastiert auch noch der FC Barcelona in Magdeburg.
"Das gibt für mich als Trainer wenig mentale Ruhe in der Nationalmannschaftspause", frotzelte Wiegert bitter. Gerade die Spiele in der Bundesliga werden - bei aller Bedeutung der Königsklasse - entscheidend: "Ich kann ehrlichen Herzens sagen: Deine Hausaufgaben musst du in der Bundesliga machen, das ist die Grundlage, um auch in der nächsten Saison wieder Champions League spielen zu dürfen."
Julia Nikoleit