01.11.2024, 16:10
Über Melsungens Erfolgswelle und die Nationalmannschaft
Dienstags in der European League bei Valur Reykjavik, am Samstag wieder Bundesliga gegen den HC Erlangen. Für die MT Melsungen ist der Spielplan aktuell dicht gepackt. Timo Kastening konnte sich den Trip auf die Vulkaninsel sparen, der Rechtsaußen erklärt nun, warum das von Vorteil für ihn war und wie man es schafft "weiter auf der Erfolgswelle" zu surfen. Aber auch die Nationalmannschaft ist ein Thema.
Timo, tat es gut, mal ein Spiel auf dem Sofa zu verfolgen?
Timo Kastening: Ja, absolut. Mein Körper war dankbar (lacht). Es geht ja nicht nur um den eng getakteten Spielrhythmus, damit kommst du klar. Die Reisen und Flüge mit kurzen Nächten machen einem zu schaffen. Wer einmal die ganze Warterei auf Flughäfen erlebt hat, weiß, wovon ich spreche. Von daher tat es ganz gut, dass ich nicht mit nach Island musste.
Die MT schwimmt auf einer Erfolgswelle: Neun Siege in Folge, Tabellenerster, vorzeitiger Einzug in die Hauptrunde der European League - wie ist euer Lauf zu erklären?
Die Qualität der Mannschaft ist in dieser Saison noch einmal gewachsen. Der Kader ist breiter, und wir haben als Team schnell zusammengefunden. Und abgesehen von Amine, sind wir von heftigeren Verletzungen verschont geblieben. Außerdem kennen wir das System unseres Trainers immer besser. Jeder weiß, was Roberto möchte. Deshalb treten wir stabiler auf.
Bleibt angesichts der Terminhatz eigentlich Zeit, über die aktuelle Situation zu sprechen? Oder steckt ihr in einer Art Tunnel?
Auf jeden Fall genießen wir die aktuelle Situation, und wir wollen weiter auf der Erfolgswelle surfen. Es ist eine Floskel, aber wir denken wirklich nur von Spiel zu Spiel. Also ja, wir stecken in einer Art Tunnel. Jedes gewonnene Spiel ist zugleich Anreiz für das nächste. Daraus ziehen wir unsere Motivation und daraus wächst der Glaube an uns selbst. Deshalb haben wir zum Beispiel auch auf der Zielgeraden in Leipzig gewonnen.
Leipzig ist ein gutes Stichwort. Nach der Partie hast du vor zunehmender Schauspielerei im Handball gewarnt. Das Interview erregte viel Aufmerksamkeit.
Und ich stehe weiterhin zu meinen Aussagen. Ich habe recht viele Rückmeldungen bekommen - allesamt positiv. Von daher denke ich schon, dass ich in die richtige Kerbe gehauen habe. Mir geht es nicht darum, einzelne Spieler an den Pranger zu stellen. Mir geht es um unseren schönen Sport. Insgesamt bewegt sich der Handball in eine falsche Richtung. Und darüber sollten wir offen und ehrlich eine Diskussion führen können. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
In der zurückliegenden Woche standest du mit einer weiteren Nachricht in den Schlagzeilen: deine Nachnominierung für die Nationalmannschaft. Wie groß ist die Freude?
Ich freue mich sehr, dabei zu sein und wieder zwei Länderspiele zu bestreiten. Und es spielt keine Rolle, dass ich erst nachgerutscht bin. Ich freue mich auf die Jungs, auf Rune Dahmke, Joel Birlehm, auf Johannes Golla, um nur ein paar zu nennen. Und ganz nebenbei kann ich die 60 vollmachen, was die Anzahl meiner Länderspiele betrifft.
Blicken wir wieder auf die MT: Der Oktober verlief extrem erfolgreich. Mit sieben Spielen wird der November ähnlich stressig, oder?
Davon gehe ich aus. Mit dem Achtelfinale im DHB-Pokal kommt ein dritter Wettbewerb hinzu - und ein nächstes Highlight. Dann müssen wir uns abermals pushen. Die Aufgabe in Essen werden wir nicht mal eben im Vorbeigehen lösen können. Insgesamt wird die Qualität der Spiele im November steigen.
Du sagst es. Mit Magdeburg und Flensburg sind zwei Hochkaräter zu Gast in Kassel. Wissen wir in gut 30 Tagen, wohin die Reise der MT in dieser Saison tatsächlich geht?
Ich tue mich wirklich schwer damit, solche Aussagen zu treffen. Ja, wir sind reifer geworden, und ja, unser Grundniveau liegt höher als vor einem Jahr. Aber eine Siegesserie, so klasse sie auch sein mag, macht aus uns noch keine Spitzenmannschaft. Wir sind herangerückt an die Topteams.
Trotzdem stand vor dem Spieltag die MT auf Platz eins in der stärksten Liga der Welt.
Keine Frage, das ist eine wunderbare Momentaufnahme. Nimm aber mal die Vorsaison. Der THW Kiel hat von allen Seiten auf die Mütze bekommen, wie schlecht doch die Spielzeit gelaufen sei. Wir wurden für unser Abschneiden gelobt. In der Abschlusstabelle stand der THW mit drei Punkten mehr einen Rang vor uns. Ich will damit nicht sagen, dass wir für einen vierten Platz kritisiert werden sollen. Für die MT ist das ein Erfolg, für den THW eben nicht. Von dieser Anspruchshaltung einer Spitzenmannschaft sind wir noch entfernt.
Aber erst einmal steht am Samstag das Heimspiel gegen den HC Erlangen auf dem Programm. In eurer derzeitigen Verfassung rechnen natürlich alle mit einer klaren Angelegenheit. Besteht darin auch eine Gefahr?
Na klar. Der HCE hat nichts zu verlieren und ist seit jeher eine unangenehme Mannschaft, die mit viel Körperkontakt spielt. Sie hat erfahrene Spieler in ihren Reihen, die die Bundesliga aus dem Effeff kennen. Die werden am Samstag alles reinwerfen, und wir müssen uns strecken, um die Punkte in Nordhessen zu behalten.
In der Vorsaison gab es nach fulminantem Start einen kleinen Durchhänger im Herbst. Warum passiert das bislang in diesem Jahr nicht?
Ich hab es ja eingangs schon erwähnt: Wir sind stabiler geworden. Es passt einfach viel zusammen momentan. Uns ist dennoch bewusst, dass wir irgendwann wieder verlieren werden und womöglich durch eine Schwächephase müssen. Aber natürlich haben wir nichts dagegen, wenn wir vorerst unseren Lauf fortsetzen.
chs