01.11.2024, 07:00
Zweite Welle - Deine Handball-Kolumne
Schauspielerei im Fußball? Standard, leider. Aber im Handball? Timo Kastening hat mit seiner Kritik die Spieler selbst in die Pflicht genommen, nach dem Motto: "Wehret den Anfängen". Richtig so, denn der Handball bietet genug Show - und hat überhaupt keine Schau nötig.
Eine Kolumne von Daniel Duhr
Ob der Handball ein Problem mit Schauspielerei hat, ist eine gute Frage. Melsungens Nationalspieler Timo Kastening sagt ja und hat die Spieler selbst in die Pflicht genommen, entsprechende Theatereinlagen zu unterlassen. Alfred Gislason unterstützt Kastenings Appell und macht sich gleichzeitig aber keine Sorgen, dass Schauspielerei zur Gewohnheit werden könnte. "Das regeln Handballer unter sich, wenn es zu viel wird", sagte der Bundestrainer gegenüber handball-world.
Gemessen am Maßstab Fußball hat der Handball ganz sicher kein Problem mit Schauspielerei. Gemessen am Maßstab Handball - so, wie sich der Sport über die Jahre von seinem Selbstverständnis her definiert - vielleicht ein kleines. Es ist ja nicht so, dass sich Handballer neuerdings bei Alltagsfouls mit Anlauf auf den Boden werfen und bis zur Mittellinie rollen. Dass aber Abwehr-Treffer, die zwar nicht den Kopf, wohl aber die Nähe des Kopfes getroffen haben, mittlerweile immer häufiger dankend angenommen werden und damit Zeitstrafen und Rote Karten provoziert werden, ist schon zu beobachten.
Timo Kastening hat absolut Recht, dass er diese Anfänge von Schauspielerei, von denen kein Handballer und kein Handballfan möchte, dass sie sich auf Fußballer-Format auswachsen, anmahnt. Stichwort: Wehret den Anfängen! Der Handball hat derartige Theater-Einlagen auch überhaupt nicht nötig. Zu gut ist die Show, die die stärkste Liga der Welt ihren Zuschauern rein sportlich bietet. Da braucht es nicht noch Schau.
Wie gut, dass auch Alfred Gislason Recht hat mit seiner Einschätzung, dass Handballer überbordende Schauspielerei schon mit der Zeit untereinander regeln werden. Wer selbst schon mal Handball gespielt hat, weiß, was der Bundestrainer meint. Denn klar, die Verlockung, durch eine kleine Schauspieleinlage einen Vorteil zu erlangen, ist groß. Die Scham, wenn mein eigener Mitspieler theatralisch und ohne echten Wirkungstreffer zu Boden sinkt, ist aber noch viel größer. Genau an dieses Ehrgefühl hat Kastening erinnert und appelliert.
Wer Handballer ist und sich auch über die Härte seines Sports definiert, sollte den Verlockungen eines kurzzeitigen Vorteils nicht erliegen. Langfristig hätte der Einzug von Schauspielerei in den Handball nämlich nur Nachteile. Und weil das Grundsätzlich auch alle wissen und niemand möchte, bleibt Gislasons Worten nichts mehr hinzuzufügen, als sie noch einmal zu wiederholen: "Handballer regeln das unter sich!"
In Zweite Welle schreibt Bestseller-Autor Daniel Duhr regelmäßig über aktuelle Handballthemen auf und neben der Platte. Und lädt Euch damit zur Diskussion ein. Welchen Standpunkt vertretet Ihr? Wir freuen uns auf Eure Meinungen!