13.12.2024, 23:30
Neue Unruhe in Eisenach
Mit der Pressemitteilung des ThSV Eisenach schien es bestätigt: Misha Kaufmann wird Eisenach vorzeitig verlassen - trotz eigentlich bis 2027 laufenden Vertrags zum Ende der aktuellen Saison im Sommer 2025. Der Berater des Trainers widersprach in einer Gegendarstellung allerdings. Die Unruhe vor dem Heimspiel gegen Stuttgart nimmt so weiter zu.
Fast genau ein Jahr nach der gemeinsamen Vertragsverlängerung des Trios um Geschäftsführer René Witte, den Sportlichen Leiter Maik Nowak und Trainer Misha Kaufmann gab es vor gut zehn Tagen erste Gerüchte über einen Abschied des Coaches, der mit dem Verein nach dem Aufstieg auch den Klassenverbleib schaffte und aktuell mit ausgeglichenem Punktekonto im Mittelfeld der Tabelle der Handball-Bundesliga liegt.
Die Unruhe nahm in den vergangenen Tagen zu, schien zur Zerreißprobe für den ThSV zu werden - sich nach dem Sieg in Potsdam dann aber zu legen. "Ich sehe keine Unruhe, sondern ein konzentriertes und abgezocktes Eisenach, das zuletzt gegen Kiel teils überragend gespielt hat. Da macht nichts nervös, im Gegenteil", so Misha Kaufmann am Mittwoch. Doch es war nur die Ruhe vor dem Sturm, der am Freitag - einen Tag vor dem richtungsweisenden Heimspiel gegen Tabellensechzehnten aus Stuttgart - losbrach.
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"Mit Rücksicht auf die voranstehenden sportlichen Herausforderungen im Dezember, die all unsere Konzentration fordern, wollten wir mit der folgenden Veröffentlichung so lange warten, bis die Dezemberspiele unseres Vereins überstanden und alle Vertragsdetails endgültig besprochen sind. Angesichts der Dynamik, die sich in den letzten Tagen im Verein und Umfeld zeigt, sehen wir heute allerdings die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit über den aktuellen Sachstand zu informieren", leitete der ThSV Eisenach eine Pressemeldung ein.
"Am 9. November 2024 ist Misha Kaufmann an den Verein herangetreten mit der Bitte, den bis zum 30.06.2027 bestehenden Vertrag zwischen ihm und dem ThSV Eisenach zum 30.06.2025 aufzulösen, da der Wechselwille von ihm unwiderruflich sei. Diese Information kam für alle Beteiligten überraschend. Am 26.11.2024, wurde die gesamte Mannschaft in Beisein des Trainers durch den Präsidenten des ThSV Eisenach, Herrn Shpetim Alaj, über die Absichten des Cheftrainers informiert", schildert der Verein den Ablauf aus seiner Sicht.
In der Pressemeldung heißt es weiter: "Nach Rücksprache mit allen relevanten Gremien und aufgrund der großen sportlichen Verdienste von Misha Kaufmann entspricht der Verein dem Wunsch. Misha Kaufmanns Berater wurde der gewünschte Auflösungsvertrag mit Vertragsende zum 30.06.2025 vorgelegt, in dem der Verein auf den vorvertraglichen Wechsel allumfassend eingeht und zustimmt. Wir sind davon überzeugt, dass Misha Kaufmann bis zum Ende seines Vertrages alles für den ThSV Eisenach geben wird und wir gemeinsam unsere sportlichen Ziele in der Saison 2024/25 erreichen werden."
Die Situation schien somit klar, der Abschied des Erfolgscoaches ausgemachte Sache. Doch Ates Oelke, Berater von Misha Kaufmann, der sich laut Oelke nicht selbst zu dem Thema äußern werde, übersandte handball-world eine Gegendarstellung.
"Mit Verwunderung und ohne vorherige Absprache haben wir die Pressemitteilung zu Misha Kaufmann vom heutigen Tage des ThSV Eisenach und deren Professionalität zur Kenntnis genommen, obwohl der Geschäftsführer am 12.12.24 sogar schriftlich angekündigt hatte, alle Veröffentlichungen und Pressemitteilungen mit uns abzustimmen und uns vorab zuzusenden", so Oelke.
Der Berater fügte in seiner Stellungnahme zudem an: "Hierzu ist Folgendes festzustellen: 1.) Misha Kaufmann löst de facto seinen Vertrag nicht wegen eines anderen Vereins auf und hat auch per dato bei keinem anderen Verein unterzeichnet. 2.) Es gibt keinen Auflösungsvertrag, der von Seiten der Geschäftsführung des ThSV Eisenach oder seitens Misha Kaufmann unterschrieben wurde. Misha Kaufmann hat per dato einen bindenden und gültigen Vertrag bei der ThSV Eisenach."
Die in der Pressemeldung des Vereins und der Gegendarstellung des Beraters von Misha Kaufmann getätigten und hier dokumentierten Aussagen sind schwer zu überprüfen - widersprechen sich dabei aber auch nicht unbedingt: Ein Aufhebungsvertrag könnte vorgelegt und zugleich noch nicht unterschrieben sein - somit könnte der eigentliche Vertrag weiter gültig ein. Ein "unwiderruflicher Wechselwille" könnte als grundsätzliche Entscheidung für einen Abschied verstanden werden, auch ohne einen bereits in Aussicht stehenden neuen Verein.
Während es um die Vorgänge viele Konjunktive und die Zukunft große Fragezeichen gibt, scheint sicher, dass die Unruhe beim morgigen Heimspiel gegen den TVB Stuttgart noch steigen wird. Dabei könnte Eisenach mit einem Erfolg das Polster auf die Abstiegsränge auf über zehn Punkte ausbauen und so mit Rückenwind zum Viertelfinale des DHB-Pokals nach Mannheim reisen, wo es gegen die Rhein-Neckar Löwen, die in dieser Saison bereits vom ThSV geschlagen wurden, um das Ticket zum Final4 nach Köln geht.
Der während des beeindruckenden Aufwärtstrends des ThSV Eisenach in den letzten Jahren immer wieder betonte Zusammenhalt scheint dem Verein aber ausgerechnet im Erfolg verloren zu gehen. Ob die viel zitierte Wagenburg auch am Samstag gegen Stuttgart angesichts des gemeinsamen Ziels weiter hält, oder ob sich der bestehende Riss zwischen Geschäftsführung und Trainer noch vergrößert oder sich auch neue Verwerfungen auftun, wird der Samstag zeigen. Nicht nur auf dem Parkett dürfte es für Eisenach ein richtungsweisender Tag werden.
cie, bec