vor 1 Tag
Anders als im Fußball
In einem Handball-Talk wird wild über Tim Suton spekuliert und dass der Spielmacher des TBV Lemgo sich angeblich Einsätze für das Nationalteam Bosnien-Herzegowinas vorstellen könne. Aber ginge das überhaupt? Schließlich hat Suton schon einige Spiele für Deutschland gemacht. Ein kleiner Blick ins Regelwerk.
Mehr als zehn Länderspiele hat Tim Suton bereits für Deutschland absolviert, zuletzt war er in der EM-Qualifikation 2019 für die DHB-Auswahl zum Einsatz gekommen. Umso überraschender wirkte es daher, dass Stefan Kretzschmar, Mimi Kraus und Pascal Hens zuletzt im Dyn-Talk "Harzblut" über die Zukunft des Spielmachers vom TBV Lemgo spekulierten. Angeblich wolle dieser künftig für die Heimat seines Vaters, Bosnien-Herzegowina, auflaufen - das behaupteten zumindest die drei Ex-Nationalspieler.
Suton selbst wollte sich auf Anfrage von handball-world nicht zu dem Thema äußern. Anstatt also diese Spekulation zu vertiefen hat handball-world einen Blick ins Regelwerk geworfen. Könnte man also überhaupt für eine andere Nation auflaufen, wenn bereits Länderspiele für eine andere absolviert hat?
Im Regelwerk "Zulassungsbestimmungen für Spieler" des Weltverbandes IHF heißt es dabei in Artikel 6 zunächst, dass die Spieler "die Staatsbürgerschaft des betreffenden Landes besitzen" müssen und auch nicht "an einem Spiel in einem offiziellen Handball-Wettbewerb sämtlicher Kategorien für die Nationalmannschaft eines Landes teilgenommen haben."
Allerdings gibt es für die letzte Voraussetzung auch mehrere Ausnahmen. Der Artikel 6.2 regelt zum Beispiel, dass Spieler mit mehrfacher Staatsbürgerschaft frei wählen dürfen, für dessen Senioren-Nationalmannschaft sie spielen möchten. Der Spieler selbst oder seine Eltern bzw. Großeltern müssten im entsprechenden Land geboren sein. Sollte ein Spieler zwischen den Nachwuchsnationalteams zum Seniorenbereich einen Wechsel vornehmen, so gilt eine "Wartezeit von sechs Monaten".
Spieler mit mehreren Nationalitäten müssen entweder sei mehr als 36 Monate ununterbrochen auf dem Gebiet des betreffenden Verbandes gelebt haben oder die Staatsangehörigkeit des betreffenden Verbandes vor dem 21. Lebensjahr erhalten haben. Zudem darf man mindestens drei Jahre nicht in einem Pflichtspiel für die Nationalmannschaft eines anderen Landes gespielt haben.
Abgesehen von den Nationalverbänden, die die IHF als Teil ihres Projekts "New Markets" einstuft - unter anderem Italien, Großbritannien und die USA - dürfen Nationalmannschaften mittlerweile "nur zwei Spieler einsetzen, die ihre sportliche Nationalität gemäß Artikel 6.3.1 gewechselt haben." Auch hier gibt es Ausnahmen, wenn der Pass vor dem 21. Lebensjahr erhalten wurde.
Tim Suton absolvierte zwischen dem 2. November 2013 und dem 13. April 2019 insgesamt 14 A-Länderspiele für Deutschland und konnte für den DHB 19 Tore erzielen. Nur die Hälfte der Partien wird vom Weltverband als "offizielles Spiel" eingestuft, darunter aber auch Sutons letzter Einsatz im Rahmen der Qualifikation zur Handball-EM 2020.
Auch der Deutsche Handballbund hat schon mehrfach Spieler und Spielerinnen von anderen Nationen eingesetzt, allen voran Hans-Günther Schmidt seit 1965, der im Juniorenbereich noch für Rumänien aktiv war. Vigindas Petkevicius spielte im Nachwuchsbereich zunächst noch für die Sowjetunion und später dann für Litauen, ehe er ab 1994 für den DHB spielte.
1997 war Bogdan Wenta aus der polnischen Nationalmannschaft zurückgetreten, um dann im Jahr 2000 mit Deutschland an den Olympischen Spielen von Sidney teilnehmen zu können. Oleg Velyky war Starspieler der Ukraine, ehe er dann ab dem Januar 2005 spielberechtigt war.
Bei den Frauen absolvierten unter anderem die gebürtigen Ungarinnen Csilla Elekes und Eva Kiss-Györi oder auch die aus Litauen stammenden Ingrida Radzeviciute und Miroslava Ritskiavitchius sowie die gebürtige Rumänin Emilia Luca Länderspiele für den DHB. Die gebürtige Polin Agnieszka Tobiasz war die erste deutsche Spielerin in einem EM-All-Star-Team.
chs