30.06.2024, 15:19
Wolff über das Sieben-gegen-Sechs
Das Austauschen des Torwarts gegen einen Feldspieler gewinnt im Handball immer weiter an Bedeutung: nicht nur als Ausgleich in Unterzahl, sondern auch zur Erzeugung einer Überzahl. Andreas Wolff fühlt sich davon "manchmal so ein bisschen auf den Arm genommen".
Es ist ein bekanntes Phänomen im Handballsport. Offensiv stockt der Zug zum Tor, immer wieder gelingt der Abwehr ein Stoppfoul. Das Mittel der Wahl: der siebte Feldspieler. So sollen Überzahlsituationen entstehen und vielversprechende Torchancen herausgespielt werden.
Was dabei oft unter den Tisch fällt, ist die Umstellung für das Torwartspiel. Die Schlussmänner müssen seit einigen Jahren über einen pfeilschnellen Antritt verfügen, um im Temposport Handball nach dem eigenen Abschluss rechtzeitig zwischen den Pfosten zu stehen - sonst sorgt die schnelle Mitte des Gegners trotz aller offensiven Qualitäten für andauernde Topchancen.
Meist kommt der Tausch des Torwarts zugunsten eines Feldspielers in Unterzahlsituationen vor, um im Angriff für eine Gleichzahl zu sorgen - und alle Komponenten des Angriffsspiels auf der Platte zu haben. Diese Sprints seien laut Andreas Wolff, welcher bei Dyn Overtime zu Gast war, "wirklich anstrengend".
"Vor allem wenn die Trainer dann auf einmal meinen, lass uns doch von Anfang des Spiels Sieben-gegen-Sechs machen und dann bist du da 30 bis 40 Minuten des Spiels damit beschäftigt, zum Wechseln zu laufen, dann zu sehen, dass sie ein Tor schießen, und dann darfst du wieder ins Tor zurücksprinten", erklärte Wolff, und witzelte: "Da hast du manchmal echt das Gefühl, dass du ein richtiger Sportler bist."
Rechnet man mit etwa 60 Ballbesitzphasen pro Mannschaft pro Spiel, von denen 50 im Positionsangriff landen und 50 % der Zeit mit einem Torwartwechsel ausgespielt werden, würde das insgesamt 25 Sprints über etwa 15 bis 20 Meter bedeuten. Das würde untergehen, wie Wolff erklärte.
"Bei mir schreiben die nicht mal die Sprints, die ich da von Bank zu Sechsmeter vollführe, auf", so der Nationaltorwart bei Dyn: "Die bewundernswerte Art und Weise fällt gar nicht auf, weil die Sprintdistanz zu kurz sei. Und am Ende steht da, der Torhüter hat gar nichts gemacht, der hat nur Bälle gehalten."
Er schloss: "Wir haben ja so einen Chip hinten drin; da fühle ich mich manchmal so ein bisschen auf den Arm genommen." Sollte man also die statistische Erfassung des Torwartspiels erweitern? Möglicherweise ja. Die Position des Torwarts wird oft als belastungsarm verspottet. Aber die moderne Entwicklung des Handballs zu einem Temposport macht auch vor den Keepern nicht halt.
So geht der Trend auch seit Jahren in die Richtung, die Torhüter als erste Aufbauspieler zu nutzen: nicht nur als Ausführer des Abwurfs, sondern auch der Ein- oder Freiwürfe. Das erlaubt der zweiten Welle einen früheren Start, erfordert von den Torhütern aber Spielverständnis und schnelle Beine.
mao, ank