31.05.2024, 11:11
Einzug ins Champions-League-Final4
Nach Klub-Weltmeisterschaft, DHB-Pokal und deutscher Meisterschaft kann Sergey Hernandez mit dem SC Magdeburg nun auch noch den Champions-League-Titel gewinnen und damit das Quadruple perfekt machen. Doch allein der Einzug ins Champions-League-Final4 war für den 28-Jährigen schon etwas ganz Besonderes.
Für den SC Magdeburg war es ein dramatischer Weg bis zum Einzug in das Champions League Final4. Nach der 26:27-Niederlage im Viertelfinalhinspiel in Kielce, konnte sich der Titelverteidiger im Rückspiel erst im Siebenmeter-Werfen gegen das polnische Spitzenteam durchsetzen und so das erneute Ticket nach Köln buchen.
"Ich wusste, dass das Spiel vorbei ist, wenn Alex trifft - die ganze Saison gipfelte in diesem Siebenmeter. Ich wollte nicht verlieren. Ich wollte nach Köln fahren. Ich wollte meinen Traum verwirklichen. Dieser Siebenmeter stand zwischen uns und dem Final4 und vielleicht sogar der Trophäe. Es war meine Aufgabe, uns im Rennen zu halten. Die Mannschaft hat sich auf mich verlassen. Wenn Alex 10 Zentimeter näher an den Boden geworfen hätte, wären wir raus gewesen", schildert Sergey Hernandez der EHF seine Eindrücke beim entscheidenden fünften Wurf von Alex Dujshebaev.
Mit der Parade brachte Hernandez den SCM ins Shoot-Out, parierte auch den Wurf von Dylan Nahi und konnte nach dem Siegtreffer von Omar Ingi Magnusson mit dem SC Magdeburg über den Einzug ins Final4 jubeln.
"Man kann nicht glauben, was in diesem magischen Spiel passiert ist, es gab so viele Höhen und Tiefen. Jetzt habe ich mein erstes Final4 vor mir. Mein Traum ist wahr geworden. Nach dieser Serie von Siegen in allen Wettbewerben sind wir voller Selbstvertrauen, aber wir haben gesehen, wie knapp es war, auf dem Weg nach Köln zu scheitern. Unser Trainer Bennet Wiegert hat diese Zuversicht und das Vertrauen in alle Spieler aufgebaut und hat uns dieses Sieger-Gen, diese 100-prozentige Motivation mitgegeben, egal gegen welchen Gegner man antritt. Aber letztlich sind wir auf uns selbst angewiesen. Wir haben das Schicksal selbst in der Hand", so Hernandez, der betont: "Wenn man erfolgreich sein will, braucht man dieses Selbstvertrauen."
Für den 28-Jährigen ist der Einzug ins Champions League Final4 etwas ganz Besonderes: "Es nach Köln zu schaffen, war ein Versprechen an meinen Vater". Sergej Hernandez wurde 1995 in der russischen Stadt Kropotkin geboren und im Alter von drei Jahren von José Luis Hernández und Gregoria Ferrer, zwei Leichtathleten aus der spanischen Region Navarra, adoptiert.
Sein Vater war Leichtathletiktrainer in Spanien, engagierte sich dann aber für den Handball und schaffte es als Leichtathletikcoach zum dänischen Verein KIF Kolding. Dort fing Sergey 2008 im Alter von 12 Jahren mit dem Handballspielen an. "Ohne meinen Vater hätte ich nie Handball gespielt. Er hat mich zu diesem Sport gebracht".
2013 kehrte seine Familie nach Spanien zurück, ein Jahr später starb José Luis Hernández. "Ich habe ihm versprochen, im Handball erfolgreich zu sein, und wir haben darüber gesprochen, wie toll es wäre, beim EHF Final4 in Köln zu spielen oder die Champions League zu gewinnen. Jetzt habe ich es geschafft - auch für meinen Vater", so Hernandez.
Nach sieben Jahren in Spanien, in denen Sergey Hernandez fünf Jahre für BM Helvetia Anaitasuna und zwei Jahre für BM Logroño La Rioja spielte, folgte 2020 der Wechsel zu Benfica Lissabon. Mit dem portugiesischen Topclub konnte er 2022 im Finale gegen den SC Magdeburg 40:39 nach Verlängerung die EHF European League gewinnen.
„Der Gewinn des EHF-Finals 2022 war ein großartiger Moment in meiner Karriere, denn es war die erste große Trophäe, die ich gewonnen habe. Benfica war ein großartiges Projekt, und es war für alle im Verein unglaublich, die Trophäe zu Hause zu gewinnen, unterstützt von unseren großartigen Fans. Wir waren die Außenseiter im Finale gegen den mächtigen SC Magdeburg, aber wir haben mit Herz und Leidenschaft gespielt", so der Hernandez, der auch zum MVP des Turniers gewählt wurde.
2023 wechselte er dann zum SC Magdeburg - wenn auch nur über Umwege. Eigentlich wollte er zum weißrussischen Team Meshkov Brest, doch da dieses nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen wurde, begann Hernandez mit der Suche nach einem neuen Verein: „Es war ein bisschen verrückt und es waren wilde Zeiten. Ich erhielt viele Anrufe - und schließlich war es der SC Magdeburg. Mein Traum ist wahr geworden, denn der SCM ist der beste Verein der Welt. Ich bin so glücklich, dass ich diese Chance bekommen habe", erzählt der Torhüter.
Der Wechsel nach Magdeburg war für ihn jedoch auch mit viel Druck und Aufregung verbunden: "Sie waren an der Spitze Europas, sie waren Klubweltmeister, und man geht nicht nur hin, um für Magdeburg zu spielen, sondern man kommt an, um zu gewinnen - jedes Spiel und jeden Pokal. Das ist eine Verpflichtung, wenn du das Trikot dieses Vereins trägst. Man muss in jedem Spiel 100 Prozent geben, wenn man in dieser Weltklasse-Mannschaft spielt. Die Fans und der Verein spielen um alle Trophäen. Das war für mich vorher unmöglich", so Hernandez.
Drei Titel konnte er seit seiner Ankunft in Magdeburg schon gewinnen. Neben der Klubweltmeisterschaft und der vorzeitig gesicherten Deutschen Meisterschaft holte er mit dem SCM bereits den DHB-Pokal und wurde mit 31 Paraden zum MVP des Turniers gewählt.
"Den Pokal zu gewinnen war für die Spieler und den Verein so wichtig, da dies die einzige Trophäe war, die in der Vitrine fehlte. Und nach allem, was in der Woche vor diesem Turnier passiert war, wusste ich, dass ich außergewöhnlich gut spielen musste. Sie vertrauten mir, und ich wusste, dass ich sie in diesen entscheidenden Wochen nie enttäuscht hatte. Ich war bereit, und ich war voller Zuversicht. Und wir haben es geschafft", freut sich der 28-Jährige.
Nun könnte Hernandez mit dem SCM beim Champions League Final4 in Köln den Schritt zum Quadruple machen. Im Halbfinale treffen die Elbstädter dabei auf Aalborg. "Egal, auf welchen Verein wir treffen würden, sie sind alle stark, und wir kennen sie alle. Wir haben vor der Saison ein Testspiel gegen Aalborg bestritten. Sie haben große Qualität und haben Veszprém im Viertelfinale ausgeschaltet. Jede Mannschaft ist gleichzeitig Favorit und Außenseiter. Wenn es um Köln geht, haben rechnerisch alle Teams eine Chance von 25 Prozent, den Pokal zu gewinnen. Vielleicht war Magdeburg im letzten Jahr der Außenseiter, aber ein Jahr später ist die Situation eine andere."
kli