11.06.2024, 11:02
"Der Moment ist gekommen."
Nach 442 Spielen für den Deutschen Handballbund und 23 gemeinsamen Jahren an der Pfeife ist jetzt Schluss: Die Bundesliga-Schiedsrichter Sebastian Grobe (41) und Adrian Kinzel (39) beenden ihre Karriere.
Der letzte Pfiff des Schiedsrichter-Teams Grobe/Kinzel ging auf das Konto von Sebastian Grobe. Nach dem Ehrentreffer von Uwe Gensheimer in seinem letzten Heimspiel für die Rhein-Neckar Löwen nahm Bennet Wiegert die Auszeit, damit sich der ehemalige Nationalspieler von seinem Publikum verabschieden konnte. "Matthias Musche kam zu uns und hat gefragt, ob wir die Zeit nicht einfach herunterlaufen lassen können", erinnert sich Grobe. "Ich habe also nur noch einmal angepfiffen, damit die Uhr nach der Auszeit wieder läuft."
Mit der Schlusssirene endete am 30. Mai dann eben nicht nur das letzte Heimspiel von Löwen-Legende Gensheimer, sondern zugleich auch die Schiedsrichter-Karriere von Grobe/Kinzel. Auf dem Spielfeld in Mannheim umarmten sich die beiden Freunde, in der Kabine wurde mit den Familien angestoßen. "Es war ein hochemotionaler Abend", sagt Kinzel. "Wir wollten alles ganz bewusst genießen. Ich bin ganz ehrlich: Als wir in der Schiedsrichter-Kabine angekommen sind, hat es nicht lange gedauert, bis das erste Mal Tränen geflossen sind."
Es ist für die beiden Freunde das Ende einer Ära: 23 Jahre waren die Niedersachsen gemeinsam unterwegs, davon die letzten 15 Jahre im Deutschen Handballbund. Am 25. August 2012 gaben Grobe/Kinzel bei der Partie SG Flensburg-Handewitt gegen TuSEM Essen ihr Debüt in der 1. Männer-Bundesliga, im darauffolgenden Sommer stiegen sie in den Elitekader des Deutschen Handballbundes auf. Seitdem gehörten sie zu den besten Schiedsrichter-Teams in Deutschland und erfüllten sich mit der Nominierung für das REWE Final4 2022 den großen Traum ihrer Karriere.
Die Entscheidung, nach der Spielzeit 2023/24 ihre Karriere zu beenden, trafen sie Anfang des Jahres. "Wir sind einfach nur dankbar, der Handball hat uns jetzt schon so viel gegeben und uns geprägt wie kaum etwas anderes", beschreibt Grobe. "Und irgendwann stellt sich dann die Frage: Wie viel mehr kann es einem noch geben?"
Es sei einfach "der richtige Moment" gekommen, betont auch Kinzel. "Wir hätten sicherlich noch weitermachen können, aber zwei anspruchsvolle Jobs, unsere Familien und das Pfeifen nicht nur unter einen Hut zu bringen, sondern auch allen Seiten gerecht zu werden, ist extrem komplex - und kräftezehrend." Der promovierte Neurochirurg Kinzel ist Generaldirektor in einem weltweit tätigen Unternehmen; Grobe arbeitet als Führungskraft in der Immobilienwirtschaft.
Die beiden Spitzenschiedsrichter wollten jedoch unbedingt selbstbestimmt gehen, "bevor es eines Tages nicht mehr funktioniert und wir abtreten müssen, weil wir die Dinge nicht mehr miteinander vereinbaren können", wie Kinzel es formuliert. Nach so manchem Topspiel und "einer unserer besten Serien" nehmen sie jetzt Abschied: "Wir haben immer gesagt, dass wir von Jahr zu Jahr schauen und jetzt wussten wir, dass der Zeitpunkt gekommen ist."
Ganz bewusst hielten Grobe/Kinzel den Entschluss jedoch lange für sich. "Uns war es sehr wichtig, dass wir die Einsätze bis zum Schluss mit Hochspannung und der notwendigen Professionalität absolvieren", betont Grobe. "Wir wollten keine Abschiedstournee. Deswegen haben wir unser Karriereende im Vorfeld auch nur mit ganz wenigen Menschen besprochen."
So war, neben den Familien, zunächst nur Jutta Ehrmann-Wolf eingeweiht. Die Leiterin Schiedsrichterwesen im Deutschen Handballbund bedauert die Entscheidung von Grobe/Kinzel: "Das ist sportlich und menschlich ein sehr großer Verlust. Adrian und Sebastian haben viele Spiele im Spitzenbereich gepfiffen. Wir hoffen sehr, dass wir in Zukunft von ihrer Erfahrung in anderer Funktion profitieren können."
Für die Kolleg:innen im Elitekader kam die Entscheidung des etablierten Schiedsrichter-Teams ebenso überraschend wie es für Ehrmann-Wolf Anfang des Jahres gewesen war. Dennoch sind sich Grobe/Kinzel sicher, dass es der richtige Schritt ist. "Wir haben das Pfeifen mit ganz viel Liebe und Leidenschaft zum Sport und all seinen Beteiligten getan, aber ich freue mich jetzt riesig auf die Zeit mit der Familie", betont Kinzel.
Von "einem lachenden und einem weinenden Auge" spricht auch Grobe. "Die Entscheidung war unfassbar schwer, denn es ist immer schmerzhaft, etwas so Besonderes zu beenden und in gewissen Momenten - beim Saisonstart oder dem Lehrgang - wird es einen Stich geben, aber es ist auch eine gewisse Erleichterung da. Der Moment ist gekommen und es fühlt sich rund an."
jun