11.11.2024, 16:00
TVB Stuttgart vs. SC Magdeburg unter der Lupe
Spieler und Trainer, Schiedsrichter und Delegierter, Heim- und Gästefans: Die 60 Minuten desselben Handballspiels werden aus den unterschiedlichsten Perspektiven verfolgt, gestaltet und bewertet. Für den "Tag des Schiedsrichters" war handball-world beim Erstliga-Spiel zwischen dem TVB Stuttgart und dem SC Magdeburg - und hat die verschiedenen Parteien gebeten, ihre Eindrücke vom Spiel zu schildern.
Die Perspektiven: Trainer Bennet Wiegert feierte mit dem SC Magdeburg einen souveränen 36:25-Sieg über den TVB Stuttgart um Kapitän Patrick Zieker. Die beiden Schiedsrichter waren Martin Thöne und Marijo Zupanovic, als Delegierter am Tisch saß der frühere Bundesligareferee Lutz Pittner. Die Fanstimmen kommen von Andrea (TVB Stuttgart) sowie Lutz und Bianka (SC Magdeburg), die durch Zufall in der Halle "ausgesucht" wurden.
Die Ausgangslage vor dem Spiel war klar: Double-Sieger SC Magdeburg reiste als klarer Favorit nach Süddeutschland, der krisengeschüttelte TVB Stuttgart konnte lediglich auf eine Überraschung hoffen (Anmerkung: Sechs Tage und eine weitere Niederlage nach diesem Spiel trennte sich der Verein von Trainer Michael Schweikardt). Für Thöne/Zupanovic war es der fünfte Einsatz im Oktober. Andrea ist aus Bittenfeld, dem Heimatort des TVB, mit dem Fanbus nach Stuttgart gereist; Lutz und Bianka sind aus Rheinland-Pfalz in die schwäbische Hauptstadt gekommen.
Lutz Pittner:
Ich möchte einleitend sagen, dass die Schiedsrichter und ich in der Sache selbstverständlich überhaupt kein Interesse daran haben, wer gewinnt und wer verliert. Wir wollen das Spiel ordnungsgemäß über die Bühne bringen. Insoweit ist unsere Perspektive schon "von Natur" aus anders, als diejenige der sonstigen Beteiligten.
Andrea (Fan TVB Stuttgart):
Die erste Halbzeit war aus unsere Sicht überraschend gut, sehr kämpferisch. Dass wir gegen den großen SC Magdeburg so gut mithalten konnten, hatte ich vorher nicht erwartet. Der SC Magdeburg ist eigentlich eine Klasse für sich.
Martin Thöne:
Wir versuchen immer, etwas kleinlicher anzufangen - auf saubere Ausführung der schnellen Mitte achten -, damit der Rahmen klar ist. Bei der Progression muss man immer schauen, wie sich das Spiel in der Anfangsphase entwickelt. Nach den ersten zwei Zeitstrafen war den Spielern klar, was wir nicht wollen. Sie haben es uns aber auch nicht schwer gemacht.
Patrick Zieker (Spieler TVB Stuttgart):
Wir hatten nicht den optimalen Start, aber kommen doch wieder rein in das Spiel. Dass es gegen Magdeburg schwer wird, über 60 Minuten diese Zweikampfqualität wegzunehmen, wussten wir. Phasenweise haben wir das geschafft, phasenweise standen wir zu löchrig. Im Angriff haben wir uns schwer getan, aber trotzdem Lösungen gefunden. Das reicht aber nicht, die einfachen Tore haben uns gefehlt.
Bennet Wiegert (Trainer SC Magdeburg):
Wir hatten eine lange Reise in den Beinen und am Spieltag klopft es morgens um sieben Uhr in der Früh an meine Tür, zwei Spieler melden sich mit Fieber ab. Da haben wir taktisch ganz schön rotiert. Ich finde, dass wir dennoch in der ersten Halbzeit höher führen müssten. Mit den drei Toren Unterschied war das bessere Gefühl fast in der Stuttgart-Kabine, weil sie gefinished haben und noch einmal rangekommen sind.
Lutz und Bianka (Fans SC Magdeburg):
In der ersten Halbzeit können wir nicht zufrieden sein, es waren viele technische Fehler. Wir hätten früher mit fünf, sechs, sieben Toren führen können. Sie können eigentlich besser Handball spielen.
Omar Ingi Magnusson machte auf der auf der Außenposition in der Abwehr einen Ausfallschritt, Dani Fernandez trat ihm beim Absprung auf den Fuß und blieb im Torraum der Porsche-Arena liegen. Die Schiedsrichter zeigen die Zeitstrafe an, entscheiden sich dann für den Check im Videobeweis. Nach Ansicht der Bilder bleibt die Hinausstellung bestehen.
Andrea (Fan TVB Stuttgart):
Dass Dani liegengeblieben ist, war natürlich eine Schrecksekunde. Da ist uns das Herz stehen geblieben, weil wir doch ohnehin schon so viele Verletzte haben.
Lutz und Bianka (Fans SC Magdeburg):
Kurz zuvor hatte der SC Magdeburg auch so eine Szene, da gab es keine Zeitstrafe, aber der SCM hat auch ein Tor geworden. Und drüben gibt es für dieselbe Aktion eine Zeitstrafe und Siebenmeter.
Marijo Zupanovic:
Aus Schiedsrichter-Sicht war es für uns keine vergleichbare Situation.
Lutz Pittner (Delegierter):
Kai Häfner und Philipp Weber waren nacheinander bei mir; fragend, aber nicht meckernd.
Andrea (Fan TVB Stuttgart):
Aus unserem Fanblock haben welche die rote Karte gefordert, aber mehr als die Zeitstrafe war es nicht. Das wäre auch nicht fair gewesen; es war klar, dass es keine rote Karte ist.
Marijo Zupanovic:
Wir hätten diese Szene nach Außen besser lösen können. Wir haben die Hinausstellung zu schnell angezeigt, die Reaktion war zu stark für eine Zeitstrafe. Wir hätten erst einmal zusammenkommen müssen und dann die Hinausstellung ruhig anzeigen sollen.
Martin Thöne:
Am Ende der ersten Halbzeit war Stuttgart dran, das ist gut. Ein Spiel, das enger ist, pfeifen wir lieber, weil es gefühlt eine höhere Akzeptanz für die Entscheidungen gibt.
Marijo Zupanovic:
Das klingt zwar vielleicht erst einmal komisch, aber wenn das Spiel enger ist, ist der Kontakt zu den Spielern besser. Bei deutlichen Spielen hat man auf der einen Seite das Gefühl, dass die Entscheidungen egaler sind, aber für die Teams kann es trotzdem wichtig sein - es kann ja auf jedes Tor ankommen. Das ist ein schmaler Grad.
Lutz und Bianka (Fans SC Magdeburg):
Nikola Portner hat das Spiel gedreht. Man passt sich ja auch immer ein bisschen der Sträke des Gegners an, das gute Pferd springt eben nicht höher. Die vielen Wechsel am Ende verstehen wir, aber sie waren auch ein bisschen anstrengend beim Zuschauen.
Andrea (Fan TVB Stuttgart):
Die Halbzeitpause hätten wir besser überspringen und direkt weiterspielen sollen. Es hat gar nichts mehr funktioniert, der Anfang in die 2. Halbzeit war wirklich übel. Dass sich die Mannschaft dann nicht mehr rausboxen kann, ist klar - erst recht nicht gegen Magdeburg. Dass wir keinen Punkt holen, war dann auch relativ schnell klar.
Bennet Wiegert (Trainer SC Magdeburg):
Rauszukommen und einen 7:1-Lauf zu haben: Sehr, sehr gut! Wir machen - glaube ich - die ersten elf Angriffe immer ein Tor, das war eine überragende Angriffseffektivität. Wir kriegen auch eine richtig gute Torwartleistung. Portner war bei 56 Prozent, das sind nicht alles Paraden, die er haben muss, sondern auch frei vom Kreis und Siebenmeter. So kommt das Ergebnis am Ende zustande.
Patrick Zieker (Spieler TVB Stuttgart):
In der zweiten Halbzeit schenken wir das Spiel zu schnell ab. Es sind Kleinigkeiten gewesen, da mal ein Fehlwurf, dort ein verlorener Zweikampf und auch die Passgenauigkeit war ein Problem. Auch mir unterläuft da zweimal ein Fehlpass, es führt jeweils sofort zum Gegentor. In unserem Sport geht es darum, Fehler zu minimieren und im Moment machen wir phasenweise immer zu viele.
Kurz vor dem Ende der Partie prallten Lukas Mertens und Samuel Röthlisberger mit den Köpfen zusammen und blieben beide auf dem Boden liegen.
Lutz und Bianka (Fans SC Magdeburg):
Lutz: Sie sind mit den Köpfen zusammengeprallt. Warum nimmt man da einen Videobeweis? Bianka: Ich fand das gut, dass sie es genauso gemacht haben. So konnte sich keiner beschweren.
Martin Thöne:
Die Spieler selbst haben sofort gesagt: War nur Kopf, ein Zusammenstoß! Wir wollten uns die Szene zur Sicherheit dennoch angucken, um sicherzugehen, dass sich am Ende nicht doch einer benachteiligt fühlt.
Bennet Wiegert (Trainer SC Magdeburg):
Der Sieg tut gut, weil wir jede Woche nicht so richtig wissen, wo wir stehen. Es tut gut, um Sicherheit reinzubekommen. Ich bin wirklich erleichtert und glücklich, dass der Auftrifft über 60 Minuten so lief und freue mich für das Team, dass wir jetzt endlich nach Hause kommen.
Andrea (Fan TVB Stuttgart):
Ich fand die Stimmung extrem gut und habe mich gefreut, wie die Fans hinter der Mannschaft gestanden haben. Es war viel los, das war auch schön und die Leute sind bis zum Schluss geblieben. Wir kommen natürlich auch zum nächsten Spiel wieder und unterstützen.
Lutz Pittner:
Die beiden Bänke waren heute wirklich diszipliniert, das hat es natürlich leichter für mich gemacht. Wir wollen diese Saison einen besonderen Fokus auf das Bankverhalten legen und die Kommunikation während des laufenden Spiels unterbinden, auch das war heute alles im Rahmen
Bennet Wiegert (Trainer SC Magdeburg):
Heute war es einfach, ruhig zu blieben, ruhig zu coachen. Die unparteiische Perspektive der Schiedsrichter habe ich aber nicht, das darf man mir aber bitte auch nicht übel nehmen. Meine Perspektive ist immer den Interessen des SC Magdeburg, meinem Team, geltend.
Lutz und Bianka (Fans SC Magdeburg):
Die Location war gut und es war gute Musik, um das Publikum anzufeuern, für Stimmung zu sorgen.
Martin Thöne:
Insgesamt war das Spiel sehr angenehm zu pfeifen. Wir haben es geschafft, die Konzentration hochzuhalten, das ist wichtig. Wenn ein Spiel deutlich wird, gibt es häufig noch blöde Verletzungen, weil die komplette Spannung fehlt, oder auch Frustfouls.
Bennet Wiegert (Trainer SC Magdeburg):
Aufgrund des Ergebnisses gibt es wenig zu sagen. Sie haben das gut gemanagt, es sind zwei erfahrene Schiedsrichter.
Patrick Zieker (Spieler TVB Stuttgart):
Es war heute eine Schiedsrichterleistung, mit der man absolut leben kann. Es hat beidseitig Dinge gegeben, die abgepfiffen wurden, aber mit der Linie konnte man sich anfreunden. Ich habe nicht das Gefühl, dass etwas groß etwas gegen uns lief oder wir groß profitieren konnte. Das ist das Gefühl, was man haben sollte.
Ein, zwei Aktionen hat man immer im Kopf, wo man unterschiedlicher Meinung ist, aber das darf man auch sein. Dass man dann in Austausch kommt, mag ich sehr - gerade, wenn man das auf einer Ebene macht, wo man sich danach die Hand geben kann. Ehrlich gesagt, interessiert mich die Schiedsrichterleistung heute aber eigentlich wenig.
Andrea (Fan TVB Stuttgart):
Es waren seit langem endlich mal wieder gute Schiedsrichter - nicht dieses Gespann speziell, sondern generell. In der 2. Halbzeit kriegen wir Zwei-Minuten-Strafen, die Magdeburg nicht bekommen hat, aber sie haben sich wieder gefangen.
Lutz und Bianka (Fans SC Magdeburg):
Lutz: Es war ein gutes Spiel von ihnen. In der 1. Halbzeit waren die Siebenmeter vielleicht etwas … einheimisch und sie haben generell schnell den Arm gehoben. Ansonsten war es ein faires Spiel. Bianka: Ich fand es gut, wie sie präventiv eingegriffen haben. In der zweiten Halbzeit gab es eine Szene, wo sie Lagergren nur mit Blicken aufgefordert haben, jetzt loszulassen und er hat losgelassen.
Marijo Zupanovic:
Das freut uns natürlich, dass das so wahrgenommen wird. Wir versuchen das öfter, um schlimme Sachen möglichst zu verhindern.
Andrea (Fan TVB Stuttgart):
Mein Highlight war Luca Tschentscher. Der Junge hat ein mega Spiel gemacht und positiv überrascht. Da waren wir uns im Fanblock einig.
Bennet Wiegert (Trainer SC Magdeburg):
Die schöne Phase, die direkt nach der Pause sehr gut lief und die letzten 20 Minuten einfacher gemacht hat. Wir hatten in der Halbzeit noch das Gefühl, dass das Ergebnis nicht gut genug ist und kommen dann mit einem 7:1-Lauf raus.
Lutz Pittner:
Nach der doppelten Hinausstellung gegen Stuttgart habe sehe ich erst kurz vor Wiederanpfiff , dass die Stuttgarter Spieler zu sechst auf der Platte stehen. Zum Glück konnte gerade noch rechtzeitig eingreifen. Ich freue mich, dass ich aufmerksam war und mir das noch aufgefallen ist, sonst wäre das eine schwierige Situation gewesen, denn die Schiedsrichter hätten noch einen weiteren Spieler hinausstellen müssen.
Lutz und Bianka (Fans SC Magdeburg):
Das Schönste war, als Damgaard reinkommt. Der ist eine Ikone. Und der Kempa von Zehnder und die gehaltenen Bälle von Portner.
Patrick Zieker (Spieler TVB Stuttgart):
Wenn ich ein Spiel mit zehn Toren verliere, konzentriere ich mich wenig auf Highlights. Wir müssen gucken, dass wir es die nächsten Spiele besser machen - die schlechten Phasen verkürzen und die guten Phasen verlängern, damit wir - egal, gegen welche Mannschaft - länger um zwei Punkte kämpfen.
Marijo Zupanovic:
Unser - negatives - Highlight war es, dass wir den Kopfzusammenprall nicht gesehen haben. Positiv war ein schöne Vorteilssituation in der 2. Halbzeit: Der Magdeburger lenkt den Ball mit dem Fuß ab, aber wir pfeifen nicht sofort und der Stuttgarter nimmer den Ball auf und trifft. Diesen Vorteil so zu entscheiden, habe ich über Headset gefeiert.
Martin Thöne:
Spielerisch war es der Kempa von Magdeburg und die Parade von Portner. Auch, als Laube in den Kreis springt und den Ball tippt, war eine tolle Aktion. Ich muss zugeben: Wenn es eine schöne Aktion ist, sagen wir uns über Headset schonmal: Geiler Pass! Krasser Wurf! Das freut uns auch - und wir haben die beste Plätze für solche Aktionen (lacht).
jun