21.09.2024, 13:00
"Im Endeffekt auch das, was Kretzsche angesprochen hat"
Nach der Heimniederlage gegen den ThSV Eisenach geriet der HC Erlangen früh in der Saison in die Diskussionen, auch weil Johannes Sellin im Interview nach der Begegnung offen Fehler ansprach. Stefan Kretzschmar zeigte sich darüber erstaunt, warnte vor den Auswirkungen. Das Problem sieht Rene Selke aber nicht. "Da passt kein Blatt zwischen Mannschaft und Trainer", so der Geschäftsführer des HC Erlangen, der im Halbzeitgespräch der Partie des HCE gegen Stuttgart bei Dyn ein Plädoyer für den Trainer hielt.
"Wenn ich mir die ersten fünfzehn Minuten im Vergleich zu Eisenach angucke, dann auf jeden Fall: Da lagen wir 1:6 zurück", sah Rene Selke auf die Frage von Markus Götz im Halbzeitgespräch von Dyn im ersten Abschnitt des Heimspiels eine Steigerung im Vergleich zu dem vor einer Woche. Nach der Niederlage gegen Eisenach kamen Diskussionen auf, auch weil Trainer Johannes Sellin sein Team offen kritisierte.
"Grundsätzlich sage ich: Du kannst deine Mannschaft nicht so zusammenfalten nach dem Spiel. Das machst du intern", hatte Stefan Kretzschmar unter der Woche im Dyn-Format "Kretzsche & Schmiso" erklärt. Rene Selke hingegen verteidigte den Trainer: "Wer Sellin kennt, der weiß, was das für ein unfassbar emotionaler Mensch und auch unfassbar ehrgeiziger Mensch ist. Das ist ein junger Trainer, der sagt, was er denkt und der auch Probleme offen anspricht - generell, egal ob jetzt im Interview nach dem Spiel, in der Kabine oder in der Trainingshalle."
"Wir stehen voll hinter Johannes und seiner Art", unterstrich Selke. "Das ist ehrlich gesagt ja auch der Grund, warum wir ihn zum Cheftrainer gemacht haben: Weil wir jemanden wollen, der die Mannschaft anzündet, der Feuer hat. Und genau das haben wir gesehen. Meine persönliche Meinung ist, ich arbeite lieber mit solchen Menschen zusammen, wo ich genau weiß, woran ich bin, das finde ich auch eher sympathisch als andersrum. Und ich kann sagen: Das sieht die Mannschaft zu einhundert Prozent genau so. Da passt kein Blatt zwischen Mannschaft und Trainer", so der Geschäftsführer des HC Erlangen.
"Wir sind hier im Profi-Geschäft und da muss man sich auch mal die Meinung sagen dürfen. Es kommt ja auf das Verhältnis an. Das ist ja im Endeffekt auch das, was Kretzsche angesprochen hat", so Selke. "Du darfst die Mannschaft auf gar keinen Fall verlieren. Wenn dir das als Trainer passiert, dann ist es vorbei", hatte Stefan Kretzschmar erklärt. "Da geb ich Wort und Siegel drauf, das ist nicht der Fall", betonte Rene Selke.
"Da kannst Du jeden Spieler von uns fragen, das ist ne unfassbare Vertrauensarbeit zwischen Sellin und seinen Jungs und dementsprechend war und ist das für uns kein Thema", so Selke weiter. Nikolai Link hatte das bereits vor dem Anwurf bestätigt: "Der Jo ist bei uns in der Mannschaft derart angesehen, das ist alles gut", so einer der erfahrenen Spieler, der angefügte, dass das Interview in der Mannschaft "0,0 Thema" gewesen sei. "Ich kann nur sagen, dass der Jo bei uns die 1000-prozentige Rückendeckung der Mannschaft hat und dass er uns auch mal kritisieren darf."
Die Diskussionen konnte die Mannschaft des HC Erlangen im Heimspiel gegen den TVB Stuttgart aber nicht ersticken. Dabei hatte der HCE Mitte des zweiten Abschnitts das Momentum auf seiner Seite, ging mit einem 24:20 in die Schlussphase. "Es wird auf die Crunchtime in der zweiten Halbzeit ankommen", hatte Selke zur Halbzeit bereits angesichts des Spiels auf Augenhöhe erwartet und gehofft, dass der HCE "die Ruhe und die Nerven bewahren" und "es ein bisschen besser machen" werde als gegen Eisenach.
Doch genau diese Crunchtime wurde dem HC Erlangen erneut zum Verhängnis. Der TVB verlor den Faden in der Offensive, der TVB Stuttgart schaffte beim 25:25 den Ausgleich und setzte im Nachwurf durch Lenny Rubin dann den entscheidenden Treffer. Der HCE hatte zwar noch einen letzten Angriff, doch dieser brachte nicht mehr den Ausgleich. Während die Gäste über die ersten Punkte der Saison jubelten, sitzt der HC Erlangen mit 0:6 Punkten im Keller der Tabelle der Handball Bundesliga fest.
"Wenn du das Heimspiel nicht gewinnst, dann ... Was ist die Steigerung von ‘es brennt der Baum‘? Dann brennt der Wald", hatte Stefan Kretzschmar unter der Woche gesagt - und nun setzte es nach der Heimniederlage gegen Eisenach eine weitere gegen Stuttgart. Der nächste Gegner sind Kretzschmars Füchse, dann geht es gegen Gummersbach und Aufsteiger Potsdam.
» Spielplan Handball Bundesliga
Von Feuer unter dem Dach wollte Rene Selke aber in der Halbzeit des Spiels gegen Stuttgart bei Dyn nichts wissen. "Dass natürlich von außen viel interpretiert wird, das ist ja klar. Aber, sind wir mal ehrlich: Wenn man gewinnt, dann ist alles super was man sagt und macht, und wenn man verliert, wird es kritisiert und in Frage gestellt. So ist das nun mal im Sport", so der Geschäftsführer des HC Erlangen.
"Die Kunst ist dementsprechend darauf zu reagieren und nicht die Ruhe zu verlieren, sondern in Ruhe weiterzuarbeiten, die richtigen Rückschlüsse daraus zu ziehen und sich davon nicht irritieren zu lassen. Das ist, worum es geht. Und genau das machen wir", hatte Selke in der Pause erklärt und betont: "Die Saison ist noch jung, wir sind am dritten Spieltag, also machen wir es nicht größer als es ist."
"Trotzdem wollen wir die Heimspiele gerade gegen Mannschaft auf Augenhöhe gewinnen und dementsprechend ist natürlich Feuer drin bei den Jungs und beim Trainerteam. Aber mal ganz ehrlich, jetzt von außen noch mehr reinzugießen, ist völliger Quatsch. Ich bin nicht davon überzeugt, dass das uns näher zum Erfolg bringt, als jetzt von außen die Ruhe zu bewahren, mit allen in Ruhe die Spiele zu besprechen und gemeinsam auf den Erfolg hinzuarbeiten", so Selke.
Das Interview von Sellin führte Selke dabei auch als Beleg ins Feld: "Wie man sieht: Johannes brennt und die Mannschaft auch. Denen kann man keinen Vorwurf machen, dass sie nicht alles, und zwar wirklich alles in jedem Training und in jedem Spiel reinwerfen."
cie