07.12.2024, 15:05
Seitenblick: Potenzialanalysesystem des Deutschen Sports
Das Dressurreiten hat laut der umstrittenen Potenzialanalyse die größten Erfolgschancen im deutschen Sport. Düster sieht es den Experten zufolge für einige Randsportarten aus. Die Handball-Männer finden sich nach Olympia-Silber und EM-Halbfinale auf Platz 11, die Handball-Frauen trotz Olympia- und aktueller EM-Teilnahme auf Platz 34.
Von 99 Disziplingruppen im deutschen Sommersport ist das Dressurreiten laut einer Expertenkommission am besten für künftige Erfolge aufgestellt - und dürfte dementsprechend die größte Förderung erhalten. Keine große Überraschung angesichts der Olympiasiege im Einzel- und Teamwettbewerb. Die Hockey-Herren als Silbermedaillengewinner und die erfolgsverwöhnten Kanu-Männer im Kajak liegen auf den Plätzen zwei und drei.
Die schlechtesten Noten bekommt die Kampfsportart Taekwondo, wie aus dem Bericht zur sogenannten Potenzialanalyse hervorgeht. Zu den Schlusslichtern gehören diesmal auch Wasserball und Gewichtheben. "Dennoch können Athletinnen, Athleten oder auch Teams durchaus Erfolgschancen bei den Olympischen Spielen 2028 haben, welche zum Zeitpunkt der vorliegenden Analyse noch nicht abbildbar sind", heißt es im Bericht.
Die Handball Männer liegen mit 73,25 Punkten auf Platz 11, knapp hinter dem Freiwasserschwimmen Männer, das mit 74,71 die Top Ten abschließt. Die Handball-Frauen landen trotz der erfolgreichen Olympia-Qualifikation und regelmäßiger Teilnahme an EM und WM mit 58,75 auf Platz 34 - zwischen Judo Frauen und Bahnradsport Männer.
Das Potenzialanalysesystem (Potas) wurde 2016 vom Bundesinnenministerium und dem Deutschen Olympischen Sportbund entwickelt. Mit der Analyse sollen die Fördergelder des Bundes stärker anhand von Erfolgserwartungen und Medaillenchancen verteilt werden. In die Untersuchung fließen der Erfolg, das Kaderpotenzial und die Struktur der jeweiligen Verbände ein.
Potas war heftig in die Kritik geraten, nachdem die prognostizierten Erfolge aus dem letzten Bericht nicht mit der realen Medaillenausbeute übereingestimmt hatten. So war der Deutsche Leichtathletik-Verband am besten bewertet worden und kehrte ohne Edelmetall von der WM vor einem Jahr zurück. Die Basketball-Männer wurden hingegen Weltmeister und die 3x3-Frauen Olympiasiegerinnen, obwohl der Potas-Bericht der Sportart die geringsten Erfolgschancen eingeräumt hatte.
Kritik kam vom Chef-Bundestrainer der Volleyballer, Christian Dünnes. Der 40-Jährige sprach von Schwächen bei der Berechnung des Kaderpotenzials. "Wenn beispielsweise das zweite Team im Beach-Volleyball statt als zweite Medaillenchance als Verringerung der Medaillenchance des Topteams gewertet wird", nannte Dünnes als Beispiel. Kaum bewertet würden außerdem die Qualifikationswege und die internationale Konkurrenzsituation in den einzelnen Sportarten.
Das Potenzialanalysesystem war schon im Vorjahr heftig in die Kritik geraten, nachdem die prognostizierten Erfolge aus dem letzten Bericht nicht mit der realen Medaillenausbeute übereingestimmt hatten. So war der Deutsche Leichtathletik-Verband am besten bewertet worden und kehrte ohne Edelmetall von der WM vor einem Jahr zurück.
Die Basketball-Männer wurden hingegen Weltmeister und die 3x3-Frauen Olympiasiegerinnen, obwohl der Potas-Bericht der Sportart die geringsten Erfolgschancen eingeräumt hatte. Dieses Mal gab es nur eine Rangliste nach Disziplingruppen, nicht auch nach Sportarten. Die Basketball-Herren sprangen auf Platz 15, die 3x3-Frauen auf Platz 9. "Wieso wird der DBB, der so erfolgreich ist, mit Platz 15 bestraft?", fragte Weiss auf basketball-world.news.
Umstritten ist vor allem das angewandte Attributesystem. Hierbei müssen die Spitzensportverbände zu verschiedenen Aspekten des Sports einen Fragenkatalog ausfüllen. "Die Potas-Kommission war strukturell bisher nicht in der Lage, ein Umsetzungsmonitoring der angeforderten Nachweise, Maßnahmen und Konzeptionen in der Säule der Strukturattribute zu betreiben", teilte Athleten Deutschland mit. Die Grundidee, eine Grundlage für eine potenzialorientierte Förderung zu schaffen, halte man nach wie vor für sinnvoll.
Der DOSB hatte im Vorjahr eine Überarbeitung des Systems versprochen. Umfassende Veränderungen sind auf den ersten Blick allerdings nicht zu erkennen - werden im Bericht aber angekündigt. Es sei geplant, "dass die Verbandsstrukturen zukünftig aus dem Bewertungsverfahren der Potas-Kommission herausgelöst werden", heißt es. Grund sei unter anderem der erforderliche Bürokratieabbau.
Sowohl für den Sommersport als auch für den Wintersport wird die Potas-Rangliste jeweils alle vier Jahre nach Olympia erstellt. Ziel ist eine umfassende Reform des Leistungssports. Denn seit den Spielen 1992 in Barcelona geht es bergab mit den deutschen Erfolgen auf der Weltbühne des Sports. 82 Medaillen sammelten die Sportlerinnen und Sportler damals ein. Zwanzig Jahre später in London waren es nur noch 44, in Paris in diesem Jahr 33.
Jordan Raza und Christian Johner, dpa und red