10.02.2024, 15:11
Seitenblick: Sport im Fernsehen
Der Handball-EM hat im Januar gute Zahlen geliefert, doch insbesondere der Liga erwächst in Sachen Fernsehen Konkurrenz beispielsweise im American Football: RTL hat in dieser Saison die TV-Rechte für die NFL übernommen und vermeldet vor der Übertragung seines ersten Super Bowl wachsende Zuschauerzahlen in TV und Livestream.
Für Patrick Esume ist vor der ersten Super-Bowl-Übertragung von RTL in der Nacht vom Sonntag zum Montag völlig klar: "Das sollte man einschalten." Sein ehemaliger Kollege Christoph "Icke" Dommisch sagte hingegen: "Da möchte ich von abraten." Der Football-Experte der RTL-Konkurrenz betonte grinsend, sein Arbeitgeber ProSieben habe zur gleichen Zeit "auch ein gutes Programm".
Der Grund für die unterschiedliche Sichtweise ist klar. Football-Moderator Esume ist wie die Fernsehrechte der NFL von ProSiebenSat.1 zur konkurrierenden RTL-Gruppe gewechselt, wo jetzt erstmals der abschließende Höhepunkt der Saison läuft. Dommisch hingegen blieb und darf erstmals seit vielen Jahren nicht als Super-Bowl-Experte im TV auftreten. Manche Football-Fans vermissen den flapsig auftretenden "Icke", der sich vor wenigen Tagen mit Esume beim Kongress SpoBis das nicht ganz ernst gemeinte Rededuell lieferte.
Dommisch war bei ProSieben mit seinen lockeren Sprüchen und den langen Haaren eines der wichtigsten NFL-Aushängeschilder. Dort ist er nur noch für die Übertragungen European League of Football zuständig - deren Chef Esume ist. Der wechselte mit anderen gewohnten ProSieben-Gesichtern zur RTL-Gruppe. Dort freuen sich die Macher nun auf den abschließenden Höhepunkt ihrer Premieren-Saison.
"Dass wir zum ersten Mal das größte Einzel-Sportereignis der Welt live übertragen - da wird ein Traum wahr für uns alle", sagte Sportchef Andreas von Thien der Deutschen Presse-Agentur. "Entsprechend groß ist die Vorfreude." Er selber ist vor Ort, wenn in Las Vegas am Sonntag Titelverteidiger Kansas City Chiefs gegen die San Francisco 49ers spielt und sein Team um 23.15 Uhr deutscher Zeit auf Sendung geht.
Die erste Saison als Nachfolger von ProSieben war aus Sicht des Senders "ein voller Erfolg", wie von Thien versicherte: "Wir erzielen größere Reichweiten und höhere Marktanteile in allen relevanten Zielgruppen als in der vorherigen Saison." Durchschnittlich 670.000 Menschen schauten allein die Playoff-Übertragungen. Das sind nach Angaben von RTL im Schnitt über 160.000 Menschen mehr als im Vorjahr.
Das hört sich zunächst - etwa im Vergleich zum Millionen-Publikum bei der Handball-EM - nicht sonderlich viel an, ist aber angesichts der Übertragungszeiten in der Nacht beachtlich. Zum anderen schauen TV-Manager weniger auf die absoluten Zahlen, sondern insbesondere auf die Marktanteile der werberelevanten Zielgruppen. Mit 17,1 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen erreichte RTL starke Werte.
Auch die NFL ist "sehr, sehr zufrieden", wie Deutschland-Chef Alexander Steinforth der dpa sagte. "Wir haben zum Beispiel jetzt bei den Playoff-Spielen bis zu 1,5, 1,6 Millionen Leute vorm Fernseher gehabt, haben Einschaltquoten in unserer Kernzielgruppe von bis zu 25 Prozent gehabt. Das sind superstarke Werte."
Die RTL-Gruppe hat inzwischen bei ihrem Hauptsender ein relativ altes Stammpublikum und wollte mit dem Rechtekauf für den US-Sport die besonders umworbenen Zuschauer ins Hauptprogramm locken - und das scheint ihr gelungen zu sein. Aber sind die Zeiten des ganz großen Wachstums bei NFL-Übertragungen bereits vorbei?
"Man stößt mit dem Kopf so ein bisschen an die Decke", sagte Dommisch dazu. Der ist allerdings als Mitarbeiter der Konkurrenz voreingenommen. Sein Arbeitgeber hatte die NFL-Berichterstattung in Deutschland 2012 von der ARD übernommen, den Super Bowl zunächst bei Sat.1 und später bei ProSieben übertragen. Und dann im Rechte-Poker verloren.
Allein beim Super Bowl lag die Steigerung von ProSiebenSat.1 bei mehr als 100 Prozent. 2021 schauten erstmals mitten in der Nacht mehr als zwei Millionen Menschen zu. Ob es wieder so viele werden? Erst am Dienstagmorgen werden die kompletten Zahlen der ersten RTL-Übertragung vom Super Bowl vorliegen und einen Hinweis liefern, ob der American Football dem Handball in Sachen TV näher rückt.
dpa, red