24.08.2024, 16:00
Welche Chance hat der Beachhandball bei Olympia?
Sommerpause hatte Lucie-Marie Kretzschmar nur bedingt. Nach der erfolgreichen Saison in der Halle mit der HSG Bensheim/Auerbach Ende Mai ging es nach China zur Handball-WM im Beachhandball (18.-23.06.), wo es erneut die Goldmedaille gab. Eine Woche später folgte der Start in die Saisonvorbereitung mit den Flames und zwischendurch gab es noch einen Abstecher nach Paris, wo sich der Beachhandball auf der großen Bühne präsentieren durfte. Am Rande des HBF Media Days in Köln sprach handball-world mit der Weltmeisterin über Paris und die Zukunft der Sportart.
Wie kurz war deine Sommerpause?
Lucie-Marie Kretzschmar: Die Vorbereitung hat am 1. Juli angefangen und wir hatten dann nach dem ersten Vorbereitungsblock eine freie Woche, die für mich dann halt Paris war. Jetzt sind wir auf der Schlussgerade.
Wie hast du dieses Showevent erlebt, wo sich der Beachhandball auf der olympischen Bühne präsentieren durfte?
Es waren sehr viele Eindrücke, da ja auch alles in einer Woche kompakt gefasst war. Die Aufregung war groß, denn es kamen ja viele Sachen noch hinzu. Für den Beachhandball war es das größte Event, was man haben kann. Wir konnten die Sportart mit einer Auswahl der besten Spieler der Welt präsentieren.
Da kam viel neues auf einen zu - neue Mitspielerinnen, mit denen man zusammenspielt, eine neue Trainerin und das ganze Umfeld. Sonst kennt man die Spielerinnen alle als Gegner. Jetzt auf einmal da zu stehen, sich da einzufinden war ein bisschen einzufinden mit nur zwei Trainingstagen war es schon ein wenig komisch. Aber als das Turnier losging, hat man schon gemerkt, dass wir auch alle dieselbe Leidenschaft teilen. Das hat man uns, den Trainern und auch den Zuschauern angesehen.
Wie muss man sich das auch konkret vorstellen in so einem All-Star-Team. Hat man dieses "Einspielen" im Team im Laufe des Turniers gemerkt?
Total, bei mir ist es ein bisschen weniger, da ich ja nur in der Abwehr zum Einsatz komme. Die anderen müssen schon wissen, was will der andere. Wie will man den Pass gerne haben, da ist auch das Timing wichtig. Da ist viel Finetuning nötig, vielleicht sogar mehr als in der Halle. In der Abwehr habe ich meine zwei Mitspielerinnen und mache das, was ich sonst auch immer mache und versuche das mit denen abzustimmen.
Aber man hat auch gemerkt, wie wir als Team gewachsen sind - von fast Fremden zu einem echten Team und fast zu Freunden geworden sind. Das ist auch etwas, was das ganze Event ausgemacht hat. Das gibt es glaube ich nur in wenigen Sportarten, dass man eigentlich konkurriert und dann zusammenkommt. Man lernt auch die Leute kennen - hey, du bist gar nicht so blöd, wie ich dachte. Man knüpft dann auch Freundschaften.
Also wird es auch einen nachhaltigen Effekt haben, z.B. bei den World Games im kommenden Jahr.
Ich glaube schon. Auf dem Spielfeld wird es nicht anders als vorher sein, da sind wir Rivalen in den 20 Minuten. Aber jetzt auch mal die Leute hinter der Fassade kennengelernt zu haben, da freut man sich dann auch auf das Event.
Hat der Beachhandball eine Chance olympisch zu werden?
Auf kurz oder lang auf jeden Fall. Ich bin mir sicher, dass die Sportart einmal olympisch wird. Auch, weil sie alles dafür mitbringt und viel Potential hat. Das hat man dieses Jahr beim Beachvolleyball gesehen. Die haben auch Anfang 2000 als Präsentationssportart angefangen und wo sind sie jetzt? Das Stadion am Eiffelturm war ein totaler Zuschauermagnet und die spektakulärste Sportstätte, die Paris hatte.
Das ist ein Traum von uns allen, dass wir da einmal hinkommen. Aber da muss noch einiges von administrativer Seite erfolgen. Wir können über die Ausrichter gehen, wir können über das IOC gehen - aber irgendwo müssen sich die Leute zusammenfinden um einer Sportart, die so viele Leute begeistern kann einen Schubs zu geben und sagen: "Komm probiert´s".
Beim Hallenhandball gibt es oftmals auch die Kritik, dass es ein rein europäischer Sport ist. Das ist beim Beachhandball anders, ihr habt im WM-Finale gegen Argentinien gespielt. Ein Vorteil für den Beachhandball?
Auf jeden Fall. Man braucht nicht viel, um Beachhandball zu spielen. Es gibt überall auf der Welt Sand oder einen Strand. Man muss nur ein Tor hinstellen und kann losspielen. Das ist noch einmal einfacher, als eine Halle zu finden. Man kann nicht einfach mal zu seinen Freunden sagen, komm lass uns mal eine Halle finden.
Das Problem beim Beachhandball ist eher, dass die Länder, die nun demnächst Ausrichter der Olympischen Spiele sind - die USA oder Australien sind halt Länder, die weniger in der Weltspitze vertreten sind. Das kann man aber auch in einigen Jahren aufbauen, das hat China, wo nun die WM war, bewiesen.
Und dann gibt es die vierte Kretzschmar-Medaille bei Olympia?
Ich hoffe es, ich bin jetzt 24 geworden. Das ist noch ein gutes Alter. Aber wenn ich dann 28, 32 oder danach 36 Jahre alt bin, das werden wir sehen. Wenn ich sie nicht als Spielerin nach Hause bringe, dann hoffentlich als Trainerin oder Funktionärin. Ich blicke positiv auf die Zukunft voraus.
Lucie-Marie Kretzschmar wurde am 7. August 2000 in Magdeburg geboren. Die Rückraumspielerin begann ihre Handballkarriere beim HSC 2000 Magdeburg, spielte später auch für den HC Leipzig (2014-19) und die Sport-Union Neckarsulm. Seit 2022 steht sie bei der HSG Bensheim/Auerbach unter Vertrag, erreichte mit den Flames das Pokalfinale (2023) und die Vizemeisterschaft (2024).
Mit der B-Jugend von Leipzig wurde sie Deutsche Meisterin. Im Beachhandball ist Kretzschmar eine feste Größe, wurde Europameisterin 2021 und 2023, Weltmeisterin 2022 und 2024 sowie auch Siegerin der World Games 2022. Bei der jüngsten WM war sie als beste Abwehrspielerin im All-Star-Team, ihre Teilnahme am Olympischen Showevent als All-Star stand schon vorher fest.
Ihre Großeltern Peter Kretzschmar und Waltraud Kretzschmar holten 1976 in Montreal Silber und 1980 in Moskau Bronze bei Olympischen Spielen für die DDR, Vater Stefan Kretzschmar gewann 2004 Silber für Deutschland bei den Olympischen Spielen von Athen.
chs