16.04.2024, 18:31
"Habe in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsrat sofort gehandelt"
Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann spricht im Interview mit dem vereinseigenen Pressedienst über die Lage der Rhein-Neckar Löwen, zieht eine sportliche Bilanz und thematisiert zuletzt aufgedeckte Unregelmäßigkeiten in den Bereichen Finanzen und Vertrieb.
Wir befinden uns auf der Zielgeraden der Saison 23/24. Wie fällt Deine Bilanz aus?
Jennifer Kettemann: Es ist kein Geheimnis, dass wir uns mehr erhofft haben, vor allem in der Bundesliga. Das Ziel, uns wieder über die Liga für den europäischen Wettbewerb zu qualifizieren, werden wir leider verfehlen.
Im Pokal hatten wir die denkbar schwerste Auslosung im Viertelfinale mit dem Spiel in Magdeburg. Ein Lichtblick ist die European League, in der wir bisher 12 von 14 Spielen gewinnen konnten und nun die Chance haben, das Finalturnier in Hamburg zu erreichen. Damit können wir zwar nicht die Saison "retten", aber die Gesamtbilanz doch deutlich aufbessern. Dass wir 8 der letzten 12 Pflichtspiele gewonnen haben, zeigt zudem, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht.
Was mich ebenfalls freut und optimistisch für die Zukunft stimmt: In den letzten Spielen standen gleich drei Jungs aus dem eigenen Nachwuchs mit tragenden Rollen auf dem Feld. Die Integration unserer Junglöwenspieler ist ein wichtiges Ziel für uns, welches wir erfolgreich verfolgen.
Worin liegen aus Deiner Sicht die Gründe für das alles in allem eher durchwachsene sportliche Abschneiden?
Der entscheidende Faktor sind die langwierigen Verletzungen von Schlüsselspielern wie Halil Jaganjac, Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki. Das hat uns in ganz vielen Spielsituationen Stabilität und Widerstandsfähigkeit gekostet. Man muss ganz klar sagen, dass unser Kader nicht so stark und stabil ist, um solche Ausfälle kompensieren zu können.
Mit den Neuzugängen Ivan Martinovic, Tim Nothdurft und Sebastian Heymann erhöhen wir zur kommenden Saison die Qualität des Kaders. Zudem haben die Neuzugänge der aktuellen Saison einen weiteren Entwicklungsschritt gemacht und werden uns dann mit Beginn der kommenden Spielzeit sicher besser helfen können.
Wie wichtig ist in einer solchen Lage die Unterstützung der Fans?
In Sachen Zuschauerzahlen können wir uns nicht beklagen, ganz im Gegenteil. Und natürlich tut das unfassbar gut. Ich weiß diesen Zuspruch sehr zu schätzen und nutze jede Gelegenheit, mich bei den Fans dafür zu bedanken.
Wenn ich in der SAP Arena oder im SNP Dome stehe und auf die vollen Ränge schaue, die gelben Trikots und den Support für unsere Mannschaft sehe, dann macht mich das glücklich und stolz. Man sieht ganz einfach, was wir gemeinsam mit unseren Fans in den vergangenen Jahren aufgebaut, aber auch durchgemacht haben. Das hat uns als Löwen zusammengeschweißt, und darauf können wir alle stolz sein.
Apropos durchgemacht: Du hattest in den vergangenen Monaten neben dem Sportlichen ein weiteres Thema, das dich und die Löwen hinter den Kulissen sehr beschäftigt hat. Es gab unter anderem interne personelle Konsequenzen. Kannst Du erklären, was es damit auf sich hat?
Jetzt, wo wir uns ein genaues Bild der Lage verschafft und eine erste Analyse abgeschlossen haben, kann ich dazu gerne etwas sagen. Wir haben in den Bereichen Finanzen und Vertrieb in den letzten Wochen bei Überprüfungen leider erhebliche Unregelmäßigkeiten feststellen müssen. Nicht nur schlichte Fehler, das kann überall vorkommen, sondern Täuschungen und unwahre Darstellungen in unseren Büchern.
Ich habe in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsrat sofort gehandelt. Wir haben auch personelle Konsequenzen ziehen müssen und sind dabei, die Vorkommnisse möglichst schnell und umfassend aufzuarbeiten. Vor allem haben wir das Team Finanzen und Vertrieb neu aufgestellt, um alles dafür zu tun, dass sich solche Dinge nicht wiederholen können.
Siehst Du aufgrund dieser Unregelmäßigkeiten Anlass zur Sorge hinsichtlich der sportlichen Zukunft und generellen Weiterentwicklung des Vereins, oder gibt es Gründe, die eher Zuversicht verbreiten?
Anlass zur Sorge gibt es nicht. Dafür ist der Verein zu breit und gesund aufgestellt. Natürlich müssen wir aufgrund der wirtschaftlichen Lage und der beschriebenen Situation Herausforderungen meistern. Allerdings war es mir immer wichtig, sich nicht nur auf ein Standbein zu verlassen, sondern den Verein auf viele tragende Säulen zu stellen.
Gerade in solch einer schwierigen Situation zeigt sich, wie richtig diese strategische Ausrichtung war und ist. Positive Signale kommen vor allem aus unserem Partnernetzwerk, das wir in offenen und ehrlichen Gesprächen informiert haben und aus dem wir sehr viel Solidarität und Unterstützung erfahren. Klar ist aber auch, dass wir Sparmaßnahmen vornehmen müssen, und zwar in allen Bereichen.
Wie sieht es ganz konkret mit der sportlichen Perspektive aus?
Was das anbelangt, bin ich ähnlich zuversichtlich. Auch hier sind wir solide aufgestellt und haben eine Strategie implementiert, die nicht darauf gründet, die höchste Ablöse oder das höchste Gehalt zu bieten. Hier können wir uns mit der deutschen, aber auch mit der europäischen Spitze momentan nicht messen. Entsprechend müssen wir mit anderen Argumenten und Aspekten punkten, so wie wir das bisher immer getan haben.
Das hat viel mit Kommunikation und individueller Betreuung zu tun, mit Werten wie Respekt, Zusammenhalt und Wertschätzung. Wir haben hier bei den Löwen ein einzigartiges Umfeld, in dem sich die Spieler und deren Familien sehr schnell wohlfühlen, und damit können wir sehr wohl Punkte machen. Nichtsdestotrotz wird es durch die geschilderten Verfehlungen nicht gerade leichter, unseren Fünfjahresplan so umzusetzen, wie wir uns das ursprünglich vorgestellt haben.
Die Löwen haben heute bekanntgegeben, dass Juri Knorr seinen Wechselwunsch zum Sommer 2025 kundgetan hat. Von außen betrachtet könnte man auf den Gedanken kommen, dass dies bereits eine der angekündigten Sparmaßnahmen ist…
Juri hat uns schon vor einigen Wochen über diesen Wunsch informiert. Wir haben, wie wir das immer tun, offen und ehrlich darüber gesprochen und Juri ein sehr gutes Angebot unterbreitet. Er möchte sich sportlich verändern und in ein Umfeld kommen, das es ihm ermöglicht, sich besser auf den Sport zu fokussieren. Mit unserer finanziellen Situation hat dies nichts zu tun. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal betonen: Wir werden immer alles daransetzen, hier bei den Löwen eine konkurrenzfähige Mannschaft mit ambitionierten Zielen zusammenzustellen. Daran ändern die geschilderten Vorkommnisse nichts. Sie machen diese Aufgabe nur deutlich anspruchsvoller.
Zum Abschluss noch ein Ausblick: Was stimmt dich für die nächste Saison zuversichtlich?
Zum einen habe ich die aktuelle Saison noch nicht abgehakt. Wir wollen in den restlichen Spielen zeigen, dass wir es konstant besser können. Und wir wollen in der European League ins Finalturnier kommen. Das sind zwei genauso wichtige wie anspruchsvolle Ziele. Zum anderen freue ich mich riesig auf die Saison 24/25 mit unseren drei vielversprechenden Neuzugängen. Und wenn dann noch unsere verletzten Spieler zu alter Stärke zurückfinden, haben wir optimale Voraussetzungen. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam mit einer weiterentwickelten Mannschaft und Spielidee sowie mit unseren überragenden Fans auch in der Bundesliga wieder in die Erfolgsspur finden werden.
chs, RNL